Berlin. Sie heißen Al-Zein, Chahrour, Miri, Abou-Chaker oder Remmo. So genannte arabischstämmige Clans mischen schon seit Jahren sehr aktiv in der Unterwelt Berlins mit. Ob Drogenhandel, Schutzgeld, Prostitution, Betrugs- oder Eigentumsdelikte: Es gibt fast kein Feld, in dem die Mitglieder der Clans nicht aktiv sind. Immer mal wieder geht eines von ihnen den Ermittlern ins Netz und landet vor Gericht.
Rapper Bushido gegen Arafat Abou-Chaker
Seit mehr als einem Jahr muss sich mit Arafat Abou-Chaker das Oberhaupt eines Clans vor dem Berliner Landgericht verantworten. Ihm und seinen Brüdern Yasser, Nasser und Rommel wird unter anderem versuchte schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung und Nötigung vorgeworfen. Es geht um Macht, Einfluss und vor allem viel Geld. Das Verfahren findet unter erhöhten Sicherungsbedingungen statt. Arafat und seine Brüder schweigen eisern.
Denn das mutmaßliche Opfer der vier Männer, das im Prozess als Nebenkläger auftritt, steht seit mehreren Jahren unter Polizeischutz. Es handelt sich um Anis Ferchichi – besser bekannt unter dem Künstlernamen Bushido. Den Rapper und Arafat Abou-Chaker verband über Jahre eine Geschäftsbeziehung. Als Bushido die Beziehung 2018 aufkündigte, soll Abou-Chaker eine Abfindung in Millionenhöhe verlangt haben. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, sollen er und seine Brüder den Musiker eingesperrt, bedroht und geschlagen haben.
Der Prozess begann bereits am 17. August 2020 und sollte ursprünglich bereits nach 24 Verhandlungstagen nach dreieinhalb Monaten enden enden. Allerdings dauerte allein die Aussage Bushidos, in der er das Geflecht zwischen sich, dem Clan und anderen Künstlern der Rapszene aus seiner Sicht beleuchtete, 25 Verhandlungstage verteilt über acht Monate. Das Prozessende ist aktuell für den 26. Januar 2022 angesetzt – zwei Jahre später, als ursprünglich geplant.
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Abou-Chaker-Clan: Der dreiste Hausklau von Friedrichshain
Ebenfalls zu dem Abou-Chaker-Clan gehören zwei der vier Angeklagten in einem anderen Prozess, der im Mai begann. Die Brüder Rabih (36) und Mohamed (35) sind bereits wegen Drogenhandels, Zuhälterei und gefährlicher Körperverletzung vorbestraft. Ihnen wird vorgeworfen, sich gemeinsam mit zwei weiteren Männern ein Mietshaus in Friedrichshain erschlichen zu haben. Dazu sollen sie zwei Laiendarsteller engagiert haben, die sich mit gefälschten Papieren für die Eigentümer, ein betagtes Hamburger Ehepaar, ausgegeben haben.
Ein Notar soll im Frühjahr die Übertragung des Hauses auf eine GmbH beurkundet haben, deren Geschäftsführer, ein Anwalt aus Westdeutschland, ebenfalls vor Gericht steht. Der Preis soll laut Anklage bei 250.000 Euro gelegen. Die Differenz zum eigentlichen Wert in Millionenhöhe sei mit der Übernahme von vermeintlichen Schulden begründet. Die eigentlichen Eigentümer erfuhren erst später, dass ihnen das Haus offenbar nicht mehr gehörte. Sie erstatteten Anzeige.
Illegale Deals mit hochwertigen Luxusautos und ein Pokerraub
Die Abou-Chakers sind Palästinenser und stammen aus dem Libanon, von wo sie im Zuge des dortigen Bürgerkriegs Mitte der 1970er-Jahre nach Deutschland, vor allem nach West-Berlin kamen. Die Zahl der Familienmitglieder variiert nach Schätzungen zwischen 150 und 300. Vertreten sind Mitglieder nach Erkenntnissen der Ermittler dabei in vielen Bereichen der Kriminalität.
So wurde Abdallah Abou-Chaker vor kurzem angeklagt, weil er über Strohleute hochwertige Luxusautos geleast hatte, um sie weiter zu verkaufen. Der Schaden wurde auf mehr als 350.000 Euro geschätzt. Während Abdallah jedoch freigesprochen wurde, wurden die Strohleute verurteilt.
Mohammed Abou-Chaker wurde 2011 zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt, weil er als Drahtzieher hinter dem sogenannten „Pokerraub“ ausfindig gemacht wurde – den Überfall auf ein Pokerturnier im Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz im Frühjahr 2010.
Die Remmos und der Kunstschatz von Dresden
Deutlich größer als der Abou-Chaker- ist der Remmo-Clan, der ursprünglich aus dem Gebiet der heutigen Türkei stammt, bereits in den 1930-Jahren ebenfalls in den Libanon ging und von dort in den 1980er-Jahren nach Deutschland. Zwischen 500 und 1000 Menschen werden der Familie zugerechnet, als deren Oberhaupt der in Berlin-Neukölln lebende Issa Remmo gilt.
Mitglieder der Familie waren etwa in Morde und Banküberfälle verwickelt. Aktuell wird gegen einige von ihnen wegen mehrerer Brandstiftungen in Neukölln ermittelt. Für besonderes Aufsehen sorgen einzelne Remmos allerdings zuletzt im Zusammenhang mit spektakulären Kunstdiebstählen.
So wird fünf Remmos vorgeworfen, am Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft der sächsischen Landeshauptstadt hat Anfang September Anklage gegen Wissam, Rabih, Bashir und die Zwillingsbrüder Mohamed und Abdul Majed Remmo erhoben. Sie sollen am 25. November 2019 in Schatzkammer des Dresdner Residenzschlosses eingedrungen und 21 Schmuckstücke mit 4300 Diamanten und Brillanten entwendet haben. Der Wert wird auf 113,8 Millionen Euro geschätzt.
Wissam Remmo: In der Verhandlungspause zum nächsten Überfall
Nur vier der fünf Angeklagten sitzen derzeit in Sachsen in Untersuchungshaft. Wissam Remmo verbüßt derzeit eine Haftstrafe in Berlin. Am 20. Februar 2020 war er mit 23 Jahren gemeinsam mit seinem Cousin Ahmed am 20. Februar 2020 für den Raub der „Big Maple Leaf“ zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt,worden, die er mittlerweile im Erwachsenenvollzug absitzt.
Die 100 Kilogramm schwer Goldmünze wurde am 27. März 2017 aus dem Berliner Bode-Museum entwendet. Wie von der Beute aus dem Grünen Gewölbe fehlt von ihr bis heute jede Spur. Augenscheinlich nutzte Wissam Remmo eine Verhandlungspause im Goldmünzen-Prozess, um die Tat in Dresden zu begehen.
Nasser Remmo: 15 von 44 Lebensjahren hinter Gittern
Nasser Remmo kennt die Berliner Gefängnisse gut. Bereits 15 seiner 44 Lebensjahre saß er hinter Gittern. Anfang August wurde er erneut zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Kurz nach einem Angriff auf einen Neuköllner Spätkauf im November 2020 mutmaßlich durch tschetschenische Täter soll er gemeinsam mit mehreren Männern gezielt Menschen dieser Volksgruppe angegriffen haben.
Zwischen 15 und 20 Männer hatten auf die Opfer wurde zum Teil mit Eisenstangen eingeschlagen und mit Messern auf sie eingestochen. Ob Nasser Remmo nur zusah oder selbst aktiv wurde, konnte die Verhandlung nicht klären. Dass er allerdings dabei war, belegen die GPS-Daten der elektronischen Fußfessel, die er seit seiner letzten Haftentlassung 2018 trug.
Als Müllmann zum Geldtransporterüberfall
Während Nasser Remmo gegen das Urteil vorgehen will, wird Muhamed Remmo seine Strafe wohl akzeptieren. Am 8. September wurde der 31-Jährige wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Er gestand zuvor, am Vormittag des 19. Februar an einem Überfall auf ein Geldtransporter auf dem Kurfürstendamm beteiligt gewesen zu sein. Nach den übrigen Tätern wird noch gefahndet. Muhamed wurde überführt, weil er DNA-Spuren am Tatort zurückließ. Die Täter hatten sich zuvor als Müllwerker verkleidet und vorgegeben zu arbeiten.
Die Remmos und Abou-Chakers sind nicht die einzigen polizeibekannten Clans. Während die Miris laut Medienberichten ihren Schwerpunkt von Bremen zunehmend nach Berlin verlagern sollen, bleiben die Al-Zeins wohl in Nordrhein-Westfalen. Das langjährige Oberhaupt Mahmoud Al-Zein, lange als „Pate von Berlin“ bekannt, verließ Deutschland Ende Januar 2021 in Richtung Türkei. Vor 30 Jahren als staatenloser Kurde eingereist kam er so wohl seiner Abschiebung zuvor.
Chahrour: Mammut-Prozess gegen Kokstaxi-Bande
Kaum in der Öffentlichkeit steht eine Familie namens Chahrour, deren Mitglieder ebenfalls dem Milieu zugerechnet werden. Zwei Mitglieder der Familie stehen gemeinsam mit sechs weiteren Männern seit August 2020 vor dem Berliner Landgericht, weil sie einen Kokainlieferservice betrieben haben sollen. Der Prozess gegen die acht Männer startete coronabedingt in der Urania unter erhöhten Sicherheitsbedingungen, weil einer der Angeklagten in Untersuchungshaft sitzt. Ursprünglich sollte er im Februar enden, wurde allerdings nun bis Ende November verlängert.