Berlin. Während sich auf der Landesdelegiertenkonferenz der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, eine eindeutige Stimmungslage zum Nachteil einer möglichen Koalition mit der CDU ergab, erhielt Franziska Giffey Rückenwind aus Pankow. Auf der Wahlkreisdelegiertenversammlung des Bezirks stimmten die Mitglieder gegen einen Initiativantrag der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), der sich gegen eine große Koalition mit der CDU ausspricht. Giffey war zu Beginn der Veranstaltung anwesend, um für die in Teilen der SPD unbeliebten Koalition zu werben – statt der Einladung der Jusos zu folgen, weshalb sie von den Jungsozialisten dafür kritisiert wurde, die Debatte zu meiden.
Giffey: „Opposition heißt von der Zuschauertribüne zuzuschauen“
Sie machte im Saal der Bezirksverordnetenversammlung Pankow klar, dass sie sich der Vorbehalte innerhalb ihrer Partei bewusst sei. Diese kritischen Stimmen müssten sehr ernst genommen werden und versicherte: Vielfalt und Anti-Rassismus bzw. -diskriminierung gehörten zur Kern-DNA der SPD und seien nicht verhandelbar. Giffey wehrte sich gegen die Behauptung, die Entscheidung, mit der CDU Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, gehe allein auf sie zurück. „Es war eine gemeinsame Entscheidung des geschäftsführenden Landesvorstands.“
Der Grund: Das Verhältnis zwischen SPD, Grüne und Linke sei derart beschädigt, dass ein Aufbruch in dieser Konstellation schwierig sei. Ganz im Sinne des ehemaligen SPD-Vizekanzlers Franz Müntefering – „Opposition ist Mist“ – verwarf sie die Alternative, in die Opposition zu gehen: „Das bedeutet von der Zuschauertribüne zuzuschauen“, so Giffey. Sie bat die Delegierten aus den Pankower Wahlkreisen, die Ergebnisse der Verhandlungen abzuwarten und dann „sachorientiert“ darüber abzustimmen. Ansonsten, mahnte sie, würden die Grünen mit den Konservativen regieren. „Die Grünen möchten nicht mit uns arbeiten, sondern uns ablösen“, sprang ihr Rona Tietje, Ko-Vorsitzende der Pankower SPD, zur Seite.
Pankower Juso-Vorsitzender: Koalition mit CDU wäre Rolle rückwärts
Nach der Aussprache mit der Berliner SPD-Vorsitzenden und dem Austausch verschiedenster Argumente für und gegen die Koalitionsverhandlungen konnten die Pankower Delegierten über den Initiativantrag der AsF abstimmen – in einer geheimen Wahl, wie kurz vor der Abstimmung beantragt wurde.
Das Hauptargument der Antragstellerinnen war, dass sich progressive Politik im Bereich Gleichstellung nicht mit der CDU machen ließe. Ulrike Rosensky, eine der Antragstellerinnen, berichtete von der Zusammenarbeit mit den Konservativen auf Bezirksebene und davon, dass sich die CDU beispielsweise gegen einen Frauenbeirat Stadtplanung oder einen Queer-Beauftragten gestellt hatte.
Unterstützt wurde AsF durch die Jusos Pankow. Eine CDU-SPD-Koalition sei eine Rolle rückwärts, wie der Pankower Juso-Vorsitzender Paul Krüger erklärte. Er verzichte, an der Landesdelegiertenkonferenz im Willy-Brandt-Haus teilzunehmen, um in Prenzlauer Berg ein Zeichen zu setzen. Mit dem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz (CDU) und dessen populistischen würde sich die SPD auf Berliner Landesebene in einer Koalition unglaubwürdig machen. Zudem: „Was im Koalitionsvertrag steht, muss am Ende nicht auch umgesetzt werden. Das haben wir schon bei der Großen Koalition auf Bundesebene 2017 gesehen“, so Krüger. „Die CDU ist keine Partei für den Mieter- und Klimaschutz und steht nicht für sozialen Zusammenhalt.“
- Wahlkarte: Wahlergebnis der Berlin-Wahl 2023 – So hat ihr Kiez abgestimmt
- Interaktive Übersicht: Das ist das neue Abgeordnetenhaus nach der Berlin-Wahl 2023
- Überblick: Alle Infos und Hintergründe zur Berlin-Wahl 2023 für Sie zusammengefasst
- Wiederholungswahl: Jetzt den kostenlosen Newsletter zur Berlin-Wahl 2023 abonnieren
Große Mehrheit in Pankower SPD stimmt für Koalitionsverhandlungen mit der CDU
Am Ende fruchteten die Worte der Parteivorsitzenden Giffey jedoch. 69 von 94 Mitglieder stimmten gegen den Antrag der AsF, während 24 für den Antrag stimmten und vier sich enthielten. „Ich finde es ja auch scheiße, eine Koalition mit der CDU einzugehen“, sagte Annette Unger, SPD-Bezirksverordnete in Pankow. Allerdings müsse zunächst geschaut werden, was bei den Verhandlungen rauskomme.
Diese Ansicht teilten mehrere der Anwesenden. „Wir müssen den Prozess erstmal abwarten, sonst wirkt es so, als hätten wir Angst, mit der CDU zu verhandeln“, begründete ein Delegierter seine Ablehnung des Initiativantrags. „Die Entscheidung sollten wir den Mitgliedern überlassen.“ Bis zum 21. April haben die Mitglieder Zeit abzustimmen, am 23. April soll die Auszählung erfolgen und das Ergebnis bekannt gegeben werden. Rund 20.000 Mitglieder der SPD in Berlin können bis zu diesem Datum über den Koalitionsantrag abstimmen. Der Initiativantrag der AsF hatte vor diesem Hintergrund lediglich eine symbolische Funktion. Dass der Antrag in Pankow nicht angenommen wird, sei von Anfang an klar gewesen, erklärte Rosensky. Es sei jedoch wichtig gewesen, eine Debatte anzustoßen und die Vorbehalte gegenüber der CDU sichtbar zu machen.