Berlin. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurde Berlin schlagartig eine andere Stadt. Das öffentliche Leben fuhr herunter, die Straßen waren teilweise menschenleer, und auch für Kriminelle brachen plötzlich zahlreiche Gelegenheiten weg, Straftaten zu begehen. Ein Drogendealer kann keinen Stoff vor Clubs verkaufen, die geschlossen sind. Für Taschendiebe gab es in verlassenen Fußgängerzonen nichts zu holen, und Kneipenschlägereien ohne Kneipe stellen sich auch eher als schwierig dar.
Zwar kamen mit der Pandemie neue, bis dahin ungeahnte Kriminalitätsphänomene auf: Impfpassfälschung, Corona-Subventionsbetrug oder Verstöße gegen diverse Hygienemaßnahmenverordnung. Auch in einigen bislang bekannten Bereichen wurden Zuwächse verzeichnet.
So fühlten sich auf den zum Teil deutlich leereren Straßen vor allem junge Männer berufen, ihre PS-starken Autos bis an das Geschwindigkeitslimit zu bringen. Zumindest für das Jahr 2020, insbesondere die Zeit der Lockdowns, stellte die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zumindest allgemein einen Rückgang fest, die Zahlen für 2021 werden erst im April vorgelegt.
Es gibt jedoch Orte, auf die die Pandemie kaum eine oder sogar negative Entwicklung zu haben scheint. Am Kottbusser Tor in Kreuzberg sind die Zahlen der Straftaten in den vergangenen zwei Jahren nicht gesunken, sondern sogar deutlich gestiegen. Insgesamt 3624 Vergehen stellte die Polizei im Jahr 2021 dort fest. Es sind exakt 50 weniger als im Jahr 2020 (3674), allerdings deutlich mehr als in den beiden Vorjahren. 2018 wurden lediglich 2901 und 2019 nur 2922 Straftaten festgesellt, wie aus einer Antwort der Polizei auf Nachfrage der Berliner Morgenpost hervorgeht.
Kottbusser Tor geprägt von Diebstahls- und Drogendelikten
Demnach lag Ladendiebstahl mit 420 Fällen auf Platz drei (2019: 455, 2020: 614), Taschendiebstahl mit 460 Fällen auf Platz zwei (2019: 452, 2020: 614). Im Jahr 2021 machten Drogendelikte mit 758 Fällen den mit Abstand größten Anteil aus und zeigten auch den stärksten Anstieg. So wurden 2020 nur 454, 2019 nur 423 Fälle festgestellt, 2018 allerdings 803.
Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass sich die Pandemie auf die kriminelle Szene am Kottbusser Tor nicht ausgewirkt hat. Die Zahlen der Drogenstraftaten könnten das auf den ersten Blick belegen. Allerdings handelt es sich hierbei um ein klassisches Kontrolldelikt. Die Zahlen geben keine Auskunft über die tatsächliche Aktivität der Szene, sondern nur über die Aktivität der Polizei, die offensichtlich durch mehr Einsätze das Dunkelfeld ein Stück mehr erhellt hat.
Die neue Landesregierung plant am Kottbusser Tor eine eigene Polizeiwache, wie es sie bereits seit mehreren Jahren am Alexanderplatz gibt. Dabei gehe es vor allem um eine schnelle Erreichbarkeit und bessere Wahrnehmbarkeit der Ordnungshüter vor Ort, heißt es. Die mitregierenden Grünen stehen dem prinzipiell nicht ablehnend gegenüber, befürchtet aber dadurch auch eine Verdrängung der Kriminalität in umliegende Kieze. Wo die Wache untergebracht wird, ist derzeit noch unklar. Berlins neue Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bestätigte zuletzt gegenüber dem „RBB“, dass Räumlichkeiten im Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ) dafür in Frage kämen.
Polizei hat an kriminalitätsbelasteten Orten weiterreichende Befugnisse
Das Kottbusser Tor ist nur eines von insgesamt sieben kbO der Stadt. Festgelegt von der Polizei nach bestimmten Kriterien – etwa dem Aufkommen von Gewaltstraftaten in bestimmter Zahl und Qualität – haben die Beamten dort weitergehende Befugnisse. So können sie innerhalb der Grenzen des kbO ohne konkreten Verdacht die Papiere jeder Person kontrollieren sowie sie durchsuchen.
Früher gab es deutlich mehr dieser Gebiete. So gehörten etwa der Bereich des Straßenstrichs um die Kurfürstenstraße an der Grenze von Tiergarten und Schöneberg, der von der Trinker- und Drogenszene geprägte Leopoldplatz in Wedding oder der Kleine Tiergarten in Moabit sowie die Hasenheide in Neukölln dazu, die beide als Orte des offenen Rauschgifthandels galten.
Die aktuellen kbO liegen alle im Gebiet der Polizeidirektion 5 (City): Neben dem Kottbusser Tor der Alexanderplatz, der Görlitzer Park samt Wrangelkiez, die Warschauer Brücke, die Hermannstraße und der Bahnhof Neukölln, der Hermannplatz samt dem Kiez um die Donaustraße und die Rigaer Straße in Friedrichshain rund um das von Linksextremisten teilbesetzte Haus „Rigaer 94“.
Die meisten Straftaten am Görlitzer Park festgestellt
Am Görlitzer Park verzeichnete die Polizei zuletzt ebenfalls einen Anstieg der Straftaten. In der Grünanlage in Kreuzberg nur wenige Fußminuten vom Kottbusser Tor entfernt sind nach Schätzungen der Polizei mehr als 200 Drogendealer aktiv. Insgesamt 5967 Straftaten wurden dort im Jahr 2021 erfasst – ein kontinuierlicher Anstieg gegenüber 2020 (5810), 2019 (5444) und 2018 (4559).
Allerdings dominierten am Görlitzer Park zuletzt ebenfalls Kontrolldelikte: Neben Drogenvergehen stehen auf Platz zwei Asyldelikte. Die meisten der im Park aktiven Dealer sollen aus den Ländern Westafrikas stammen. Insgesamt wurden am Görlitzer Park im vergangenen Jahr die meisten Straftaten aller kbO festgestellt.
Deutlich zeigt sich die Pandemie hingegen an der Warschauer Brücke in Friedrichshain. Das Gebiet des RAW-Geländes entlang der Revaler Straße gilt normalerweise als Zentrum der Berliner Partyszene – alle negativen Begleiterscheinungen eingeschlossen. Die Clubs haben seit Frühjahr 2020 mehr oder weniger durchgehend geschlossen, Publikum bleibt aus. Die Zahl der Straftaten sank von 4867 im Jahr 2019 auf 3272 im Jahr 2020 und 2549 im vergangenen Jahr. Nach Drogendelikten stehen Diebstähle und Körperverletzung auf dem zweiten und dritten Platz.
Starker Rückgang am Alexanderplatz
Auch auf dem Alexanderplatz gingen die Zahlen zuletzt zurück. Im Zuge der allgemeinen Öffnungen im Sommer 2021 vermeldete die Polizei zwar, dass die Kriminalität wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht habe. Dabei handelte es sich allerdings nur um eine Momentaufnahme. Insgesamt 5073 Straftaten wurden im vergangenen Jahr dort festgestellt – 2400 weniger als im Jahr 2019 (7477).
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