Berlin. Die Kriminalität hat durch die Corona-Pandemie im Jahr 2020 in Berlin leicht abgenommen. Das zeigt sich deutlich in der Polizeilichen Kriminalstatistik Berlin 2020.
So heißt es in der Jahresbilanz, dass die Maßnahmen im Rahmen der Eindämmungsverordnung im Frühjahr sowie in den letzten Monaten des Berichtsjahres „einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Fallzahlen in vielen Deliktbereichen hatten.“ Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellten die Bilanz am Freitagvormittag vor.
Verbrechen in Berlin: Weniger Eigentumskriminalität im ersten "Shutdown" im Frühjahr
Darin findet die Betrachtung des Zeitraums des ersten „Shutdowns“ vom 14. März bis 31. Mai 2020 eine besondere Bedeutung. Bei den Delikten, die erfahrungsgemäß von „reisenden Tätern“ begangen werden, sind deutliche Rückgänge erkennbar.
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Autodiebstähle gingen um 80,4 Prozent, Taschendiebstähle um 52,5 Prozent zurück. Auch Einbrüche in Wohnungen und Einfamilienhäuser gingen um 45 Prozent zurück. Nur Einbrüche in Keller und in Dachböden stiegen um knapp 29 Prozent. Mit etwa 19.000 Straftaten weniger gab es auch in den Bereichen Sexual-, Rohheit-, Diebstahls- sowie Vermögensdelikte deutliche Rückgänge.
Um dieses Phänomen genau zu erklären bedarf es voraussichtlich erst wissenschaftlicher Untersuchungen. Ermittler der Polizei erklärten es damit, dass die Clubs geschlossen waren und kaum Partytouristen in dieser Zeit in den bekannten Gebieten wie beispielsweise an der Warschauer Brücke und auf den Straßen rund um das RAW-Gelände in Friedrichshain unterwegs waren.
Neue Strukturen kriminellen Handelns während der Pandemie
Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung stellten 2020 auch die Sicherheitsbehörden des Landes vor besondere und zum Teil neuartige Herausforderungen, betonte Innensenator Andreas Geisel. „Zahlreiche Tatgelegenheiten für Kriminelle sind in den Phasen des Lockdowns verschwunden. Es gab kaum Touristen in der Stadt, keine Großveranstaltungen mit Publikum, die Geschäfte waren überwiegend geschlossen. Die Menschen waren vermehrt im Homeoffice. Das führte zum Teil zu deutlich weniger Diebstählen.“
Auf der anderen Seite eröffneten sich aber andere, neue Strukturen für kriminelles Handeln, sagte Berlins Innensenator, zum Beispiel das viel stärker genutzte Internet für Warenbestellungen, die Möglichkeiten des Betruges bei der Beantragung von Corona-Soforthilfen sowie neue Formen des Enkeltricks. Durch Betrug bei den Corona-Hilfen für Firmen und Selbstständige entstand laut Polizei ein bislang erfasster Schaden von mehr als 41 Millionen Euro. Knapp 3000 Betrugsfälle seien bekannt geworden. Die Zahlen würden weiter steigen. Geisel sagte, der Senat habe sich im vergangenen Jahr bewusst für schnelle und unbürokratische Hilfe entschieden trotz der bekannten Gefahr von Betrug und Missbrauch.
Deutlich gestiegen ist die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten vor allem von Linksextremisten und Rechtsextremisten auf 890 Fälle (Vorjahr: 618 Fälle). Auch bei der Gesamtzahl aller politischen Straftaten inklusive Propagandadelikte, Beleidigungen und Sachbeschädigungen gab es einen Zuwachs auf 5996 Fälle (2019: 4630 Fälle).
Kriminalitätsstatistik Berlin - Lesen Sie hier die Berichte zu den Delikten im Detail:
- Politisch motivierte Kriminalität stark gestiegen
- Einbrüche in Wohnungen und Häuser in Berlin gehen zurück
- Lockdown lässt Zahl der Kfz-Diebstähle in Berlin sinken
- Deutlicher Rückgang bei Taschendiebstählen in Berlin
- Zahl der Körperverletzungen bleibt auf Niveau des Vorjahres
- Misshandlung von Kindern in Berlin nimmt zu
- Fälle von Raub in Berlin ähnlich wie im Vorjahr
- Sexuelle Straftaten in Berlin auf Rekordhoch gestiegen
- Fallzahlen bei Mord und Totschlag in Berlin sinken
Straftaten insgesamt um knapp zwei Prozent gesunken
Mit Blick auf die Entwicklung des gesamten Jahres sind die Straftaten um 1,8 Prozent auf 504.142 Fälle gesunken. Das sind 9284 Straftaten weniger als 2019. Den größten Einfluss hatten dabei die Delikte wie Taschendiebstahl (- 3376 Fälle), Straftaten gegen das Aufenthalts-, das Asylgesetz und das Freizügigkeits /EU (- 3353 Fälle) und Leistungskreditbetrug (-2612 Fälle). Rauschgiftdelikte (+ 1956 Fälle), Kellereinbrüche (+ 2471 Fälle) und Sachbeschädigungen (+ 2775 Fälle) hingegen haben deutlich zugenommen.
Weniger Jugendgruppengewalt in Berlin
Die Bilanz weist eine Steigerung der Aufklärungsquote von 44,7 Prozent auf 46,1 Prozent aus. Das wird damit erklärt, dass Diebstahlsdelikte, bei denen die Aufklärungsquote mit 23,2 Prozent sehr gering ist, zurückgegangen sind. Positiv zu erwähnen ist die Abnahme der Jugendgruppengewalt. Deutliche Rückgänge bei Raubtaten, Körperverletzungen sowie Sachbeschädigungen ließen die Straftaten bei Jugendgruppen um fast 19 Prozent auf insgesamt 1778 Fälle sinken.
Kritik am fehlenden Opferschutz bei häuslicher Gewalt
„Auch 2020 ist Berlin wieder unsicherer geworden, die Zahl der Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten erreicht einen neuen Rekord. Trotz, oder wegen historisch niedriger zwischenmenschlicher Kontakte, die wir auch am Rückgang des Taschendiebstahls sehen können, hat die Gewalt in der Gesellschaft weiter zugenommen. Das ist die Schlussbilanz der Arbeit des Innensenators Geisel“, teilte der Einzelabgeordnete und ehemalige innenpolitische Sprecher der FDP Marcel Luthe mit.
„Der massive Anstieg tödlich verletzter Opfer häuslicher Gewalt zeigt den wahren Anstieg häuslicher Gewalt im Jahr 2020 deutlich, denn einfache Taten werden natürlich nicht angezeigt, insbesondere wenn das Opfer dem Täter nicht physisch entkommen kann. Da die Täter nahezu immer Wiederholungstäter sind, sind diese Todesfälle direkte Folge fehlenden Opferschutzes.“