Berliner Perlen

Hüte aus Charlottenburg sind gefragt bei Film und Fernsehen

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Katrin Starke
Hier sind viele ausgefallene Kreationen zu bestaunen.

Hier sind viele ausgefallene Kreationen zu bestaunen.

Foto: Katrin Starke

Hutmachermeisterin Susanne Gäbel kreiert in ihrem Salon in Charlottenburg besondere Kopfbedeckungen. Hier konnte man sie schon sehen.

Berlin. „Schon halb sieben?“, fragt Susanne Gäbel überrascht. Zeit, ihren Hutsalon für heute zu schließen. Doch an Feierabend ist für die Modistin längst nicht zu denken. Gerade erst war Filmproduzentin Regina Ziegler bei ihr im Atelier. „Für einen aktuellen Dreh in Brandenburg braucht sie ganz schnell einen Turban“, erzählt Susanne Gäbel. Damit will die Hutmachermeisterin gleich noch beginnen. Wie so oft wird sie den Abend in der kleinen Werkstatt hinter ihrem Ausstellungsraum verbringen.

In der Film- und Theaterszene hat sich Susanne Gäbel einen Namen gemacht. Regelmäßig stattet sie große Produktionen mit ihren Kopfbedeckungen aus, sei es am Berliner Ensemble, an der Schaubühne oder der Komödie am Kurfürstendamm. Für die Salzburger Festspiele, der Hamburger Musical-Produktion „Das Wunder von Bern“ und auch beim Musical „Ich war noch niemals in New York“ am Theater des Westens hat sie schon Hüte gefertigt.

Auch beim vierten Teil der Roman-Verfilmung „Die Tribute von Panem“ waren die Kreationen der versierten Modistin gefragt. Der runde Hut, den die Hauptdarstellerin in der ersten Staffel von „Babylon Berlin“ trägt, ist ebenfalls unter den Händen von Susanne Gäbel entstanden. Und das ist durchaus wörtlich gemeint. „Ich habe hier zwar eine Nähmaschine, aber gut 90 Prozent meiner Hüte nähe ich mit der Hand“, sagt die 53-Jährige.

Auch Bräute lieben die Kreationen aus Charlottenburg

Der Wunsch, „etwas mit den Händen, mit den Fingern zu machen“, sei seinerzeit auch der Auslöser gewesen, das Hutmacher-Handwerk zu erlernen. Ihre Ausbildung absolvierte die gebürtige Lüneburgerin in Hamburg, wo es damals noch eine ganze Reihe von Hutmachern gab. Zu viele, um sich mit einer eigenen Manufaktur behaupten zu können, entschied Susanne Gäbel und ging nach Berlin. Hier eröffnete sie 1998 zunächst ihren Damensalon in der Mommsenstraße, 2010 kam der Herrensalon gleich schräg gegenüber dazu – Läden, die mit ihren Samtvorhängen sofort Asso­ziationen zur Bühne wecken.

Doch arbeitet Susanne Gäbel längst nicht nur für die Film- und Theaterszene. Gerade in den ­Sommermonaten stattet sie oft Brautpaare mit der passenden Kopfbedeckung für den schönsten Tag ihres Lebens aus. „Hochzeiten werden heute wieder richtig zelebriert“, sagt die Modistin. Auf den Einladungen finde sich nicht selten der Satz „Damen bitte mit Hut“. Besonders hoch im Kurs steht aktuell der Fascinator – dieser leichte Kopfschmuck, wie ihn Herzogin Kate, die Ehefrau des englischen Thronfolgers William, gern trägt.

Susanne Gäbel entwirft zudem hübsche Hüte für den Alltag – vom floralen Tramper aus Baumwolle über den Schlapphut und den Reisehut aus Leder für die Dame bis zum Strohhut oder die Schiebermütze für den Herrn. „Alle meine Modelle sind total tragbar“, sagt sie. „Ich bin nicht flippip oder exaltiert, deswegen passt auch Charlottenburg gut zu mir.“

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Inspiriert von den Jahreszeiten und den Materialien

Sie schaue auch nicht so sehr auf Modetrends. „Ich lasse mich inspirieren von den Farben der Jahreszeiten und den Materialien, die mir begegnen, sei es Sisal, Stroh oder Filz“, sagt die versierte Hutmacherin. Das Ergebnis sind zeitlose Hüte, manchmal ein bisschen retro. Sie liebe Vintage, sagt Susanne Gäbel, kaufe daher oft altes Material auf und arbeite mit alter Technik – wie der fast schon historischen Strohnähmaschine, die sie demnächst reaktivieren will.

Bei ihren Modellen finden sich immer wieder Anlehnungen an die 1920er- bis 1950er-Jahren, der „guten alten Hutzeit schlechthin“, aus der Susanne Gäbel ihre Kreativität zieht. „Bei uns ist alles so schnelllebig geworden – und deswegen ziehen wir uns meist einfach nur praktisch an“, bedauert sie. Daher sei es umso ­schöner, sich zu besonderen Anlässen herauszuputzen – mit hübschem Outfit samt Hut. „Die Hutträger werden zwar eine kleine Gemeinde bleiben, aber der Hut wird nicht aussterben“, ist die Modistin überzeugt.

Sorge ­bereitet ihr aber, dass der Beruf der Modistin aussterben könnte. „Es gibt keinen Fördertopf, keine Ausbildungsförderung, um die kleinen Gewerke am Leben zu halten. Die Politik hat uns vergessen“, sagt sie. Einen Brandbrief an die Handwerkskammer hat sie bereits geschrieben

Salon Hüte & Accessoires Damensalon: Mommsenstr. 69, Tel. 88 67 64 92, Herrensalon: Mommsenstr. 2, Tel. 60 95 81 10, Charlottenburg, Mo.–Fr. 11–18.30 Uhr, Sbd. 11–16 Uhr

Hier gibt es individuelle Hüte in Berlin (Auswahl)

  • Fiona Bennett Potsdamer Str. 81–83, Tiergarten, Di.–Sbd. 12–16 Uhr, Tel. 28 09 63 30, www.fionabennett.de
  • Hutmanufaktur Petra Benz Berlin Nassauische Str. 11/12, Wilmersdorf, Mo.–Fr. 12–19 Uhr, Sbd. 11–16 Uhr, Tel. 0172/776 95 06, www.hutmanufaktur-berlin.de
  • Anna C. Menzel Lychener Str. 54, Prenzlauer Berg, Tel. 89 39 32 39, Termine nur telefonisch, www.annacmenzel.de
  • Save The Cake Hutladen im Graefe­kiez, Graefestr. 68, Kreuzberg, Mo.–Fr. 11–19 Uhr, Sbd. 11–18 Uhr, Tel. 22 36 89 64, www.savethecake.de
  • YVA Hutsalon Bleibtreustr. 20, Charlottenburg, Mo.–Fr. 11–19 Uhr, Sbd. 10–16 Uhr, Tel. 28 38 45 95, yva-huete.berlin
  • Chapeaux – Hutmode Berlin Bleibtreustr. 51, Charlottenburg, Mo.–Fr. 12–19 Uhr, Sbd. 10–16 Uhr, Tel. 312 09 13, www.chapeaux-hutmode-berlin.de
  • Kleemann Hüte 1905 gegründetes Traditionsgeschäft, Schönhauser Allee 131, Prenzlauer Berg, Mo.–Fr. 11–18 Uhr, Sbd. 11–15 Uhr, Tel. 449 77 20
  • Die Modisten der Zukunft werden hier ausgebildet: Modeschule Berlin – Oberstufenzentrum Bekleidung u. Mode, Kochstr. 9, Kreuzberg, Tel. 25 39 15 11

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