Der Bürgerpark Pankow am Morgen nach der Tat. Es bietet sich ein paradoxes Bild. Jogger ziehen ihre Runden, eine Drohne steigt auf.
Am Morgen nach der mutmaßlichen Tötung des fünfjährigen Mädchens bietet sich im Bürgerpark ein paradoxes Bild: Jogger ziehen ihre Runden um ein abgesperrtes Areal direkt an der Graffitiwand neben dem Ziegengehege. Rot-weißes Flatterband markiert den Abschnitt, in dem das lebensgefährlich verletzte Kind am Vorabend offenbar von Spaziergängern entdeckt worden war. Drei Polizisten bewachen die Fläche, an der weitere Ermittlungen laufen werden.
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Eine aufgebrachte Mutter will am Banner Kerzen aufstellen, wird aber von der Polizei zu einem kleinen Gedenkort an der benachbarten Wilhem-Kuhr-Straße geschickt. Während die Mutter weitergeht, ruft sie: "Wer meinem Kind so etwas antun würde, den würde ich wahrscheinlich killen."

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Am Gedenkort glimmen mehrere Kerzen an der Wurzel einer Linde. Familien kommen schweigend hierher und betrachten die mit Flatterbändern markierte Fläche, bewacht von Polizisten. Dann wenden sie sich um zum Ziegengehege des Parks, wo Tiere aus ihrem Stall treten wie an jedem anderen Morgen – ein Anblick, der ablenkt von der bedrückenden Atmosphäre an diesem ansonsten so friedlichen Ort.

Am Vormittag rücken neue Einsatzkräfte der Polizei und weitere Ermittler an, worauf der Sperrkreis im Park nochmals vergrößert wird. Der Gedenkort mit Kerzen an der Wilhelm-Kuhr-Straße liegt nun im Inneren des Perimeters und ist nicht mehr zu erreichen. Eine Drohne steigt im Bereich des Ziegengeheges und der Graffitiwand auf, um Bildmaterial aus der Luft zu produzieren. Was dem Alltag im Park keinen Abbruch tut. Senioren aus einem benachbarten Pflegeheim, Mütter mit Kinderwagen und Jogger haben zum Teil nicht realisiert, was hier geschehen ist. Anderen ist der Fall bekannt. Sie betrachten die surrende Drohne – nachdenklich und schweigend.
Yasmin: "Es ist einfach nur schrecklich"

„Es ist ein mulmiges Gefühl, heute hierher zu kommen“, sagt Yasmin, die selbst Mutter ist und eine Blume für das tote Mädchen ablegen möchte. „Es ist einfach nur schrecklich, dass hier so ein junger Mensch auf diese Weise aus dem Leben gerissen wird. Ich bin hier in Pankow aufgewachsen und kann es nicht fassen.“
Nebenan im Parkcafé „Rosengarten“ öffnet Mitarbeiterin Lina den Verkauf mit einer „Gefühlslage, die sehr durcheinander ist“. Es sei unter dem Eindruck der Polizeiermittlungen nur 50 Meter neben dem Café nicht leicht gewesen, am Morgen nach der Tat zur Arbeit zu kommen. Und dennoch versucht Lina - wie die meisten anderen Parkbesucher -, sich mit einer gesunden Portion Routine gegen das Grauen an einem der idyllischsten Orte Pankows zu stemmen.
Pankow: Initiative Zora sieht neuen Fall von Femizid
Keinen Einzelfall, sondern einen größeren Kontext sieht in dem Fall die Frauen-Initiative „Zora“. Sie wertet die Tötung des Mädchens als Femizid und betont, dass in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau durch die Gewalt von Männern ihr Leben verliert. „Es gibt zu wenig Kinderrechte und Kinderschutz“, beklagt Sprecherin Franziska beim Besuch einer der Trauerstellen nahe des Tatorts im Bürgerpark.
Großmutter Dagmar Riedel will die negativen Gefühle nicht siegen lassen und sich auch weiterhin mit ihrem Enkelkind an der rauschenden Panke erholen. „Bei dieser Tat weiß man nicht, was dahintersteckt“, sagt die Anwohnerin. „Mir machen eher Gruppen von Jugendlichen Sorge, die manchmal im Park etwas trinken. Da mache ich einen großen Bogen drum."
Bürgerpark-Verein: "Fühlt sich an, wie eine Entweihung"
Tatsächlich drehten sich im Bürgerpark zu Beginn der Corona-Pandemie Diskussionen um ausufernde Jugendpartys und Vandalismusschäden. Selbst eine Nachtschließung der Anlage stand zeitweise zur Debatte - was im Bezirksamt Pankow aber keine Mehrheit fand.
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Mit Lockerung der Corona-Beschränkungen kehrte dann im Park von selbst wieder Frieden ein. Ein Frieden, den nun eine Bluttat erschüttert.
„Es passt so gar nicht zu diesem positiven Ort. Es fühlt sich an, wie eine Entweihung“, beschreibt Ines Kempe die Stimmung. Als Vorsitzende des Bürgerpark-Vereins befürwortet sie die Idee eines dauerhaften Gedenkorts. Mitglieder der Gruppe, die sich mit viel Fleiß und Liebe der Pflege dieses Großstadt-Idylls widmet, überlegen zum Beispiel, einen besonderen Baum zu pflanzen und dem Mädchen zu widmen. Doch für einen konkreten Plan erscheint der Schmerz noch zu frisch.