Berlin. Dreieinhalb Wochen vor der Berlin-Wahl 2023 am 12. Februar wäre ein von der CDU geführter Berliner Senat die von den Bürgern favorisierte Variante. 30 Prozent der Befragten im Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der „RBB-Abendschau“ sprachen sich für einen CDU-Politiker im Roten Rathaus aus. Jedoch zeigen die Zahlen auch ein Paradox: Die Berliner CDU ist zwar laut der Umfrage aktuell stärkste politische Kraft bei der bevorstehenden Abgeordnetenhauswahl. Ihr Spitzenkandidat Kai Wegner liegt jedoch in der Frage, für wen sich die Menschen bei einer Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters entscheiden würden, deutlich hinter der Amtsinhaberin Franziska Giffey (SPD) zurück.
Wenn das Abgeordnetenhaus am Sonntag gewählt würde, läge die CDU mit 23 Prozent an der Spitze. Seit dem letzten Berlin Trend von Infratest dimap im November 2022 konnte die Partei zwei Punkte zulegen. Vor allem in den Westbezirken punktet die CDU und kommt dort auf 27 Prozent. Sie konnte aber auch im Ostteil zulegen.
Berlin-Wahl 2023: SPD Berlin liegt aktuell nur auf Platz 3
Es folgen die Grünen mit 21 Prozent, sie büßten einen Punkt ein. Bei den jüngeren Leuten unter 50 Jahren liegen die Grünen aber vorne. Auch die SPD verlor einen Punkt und kommt mit 18 Prozent auf Rang drei. Mit elf Prozent folgen die Linke (unverändert) und die AfD (plus einen Punkt) gemeinsam auf Platz vier. Die FDP dürfte mit sechs Prozent (plus eins) mit dem Einzug ins Abgeordnetenhaus rechnen. Die anderen Parteien erreichen zusammen zehn Prozent (minus 2).
Die SPD bleibt damit nach anderthalb Jahren Franziska Giffey im Rathaus deutlich hinter ihrem Wahlergebnis von 21,4 Prozent aus dem September 2021 zurück. Die CDU kann von seinerzeit 18 Prozent deutliche fünf Punkte zulegen, auch die Grünen schneiden um mehr als zwei Punkte besser ab. Die Linke muss aktuell mit dem Verlust von drei Punkten im Vergleich zur nun für ungültig erklärten Wahl rechnen.
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Auch viele Wähler von AfD und FDP wollen ein „schwarzes“ Rotes Rathaus
Mehr Befragte, als für die CDU stimmen wollen, wünschen sich eine Veränderung im Roten Rathaus. Die 30 Prozent, die die Union dort den Senat führen sehen wollen, setzen sich im Wesentlichen aus den Sympathisanten der derzeitigen Oppositionsparteien zusammen. Fast alle CDU-Anhänger wünschen sich ein „schwarzes“ Rotes Rathaus. Ebenso empfinden mit 42 Prozent ein erheblicher Anteil der AfD-Wähler einen CDU-Politiker an der Senatsspitze offenbar besser als die Alternativen von SPD und Grünen. Im kleinen Lager der FDP ist mit 55 Prozent mehr als jeder zweite dieser Ansicht.
Bemerkenswert ist aber der Stimmungsumschwung im Vergleich zum letzten Berlin Trend vor der Wahl im September 2021. Seinerzeit wünschten sich 32 Prozent eine SPD-Führung im Senat, derzeit sind das nur noch 23 Prozent, ein Verlust von neun Punkten. Die CDU konnte in dieser Kategorie hingegen um sechs Punkte zulegen, von damals 24 auf nun 30 Prozent. Offensichtlich schlägt hier die Debatte um die Silvester-Krawalle durch, aber auch der anhaltende Frust über die mangelhaften Leistungen der Berliner Verwaltung.
Berlin-Wahl 2023: Grünes Rathaus wollen 20 Prozent
Für ein „grünes“ Rotes Rathaus sind 20 Prozent, dieser Wert ist fast stabil (minus eins) im Vergleich zum September 2021. Nur Grünen-Anhänger und ein Drittel der Linken wünscht sich Grün als stärkste politische Kraft in Berlin. Einen SPD-geführten Senat wünschen sich neben den allermeisten SPD-Wählern (84 Prozent) noch ein knappes Drittel (29 Prozent) der Linken Anhänger, jeder fünfte FDP-Anhänger und vereinzelte Grüne.
Für eine Koalitionsbildung nach der Wahl bieten sich nach den Resultaten der repräsentativen Umfrage, für die Infratest dimap zwischen dem 12. und 16. Januar 1162 Wahlberechtigte am Telefon und online befragte, verschiedene Varianten an. Die CDU könnte versuchen, mit den Juniorpartnern Grüne oder SPD unter Einschluss der FDP eine Mehrheit im Landesparlament zu erreichen. Mit der SPD könnte es aber eng werden, CDU, SPD und FDP zusammen erreichen nur 47 Prozent der Wählerstimmen. Ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP hätte mit 50 Prozent eine stabilere Mehrheit.
Franziska Giffey würde bei Direktwahl vorne liegen
Wenn die Berliner wie etwa viele Großstadtbewohner in Flächenstaaten ihre Regierende Bürgermeisterin direkt wählen dürften, hätte die Sozialdemokratin gute Chancen auf den Sieg, ist von einer absoluten Mehrheit aber weit entfernt. 34 Prozent würden nach den Zahlen des Berlin Trends der Berliner Morgenpost und der „RBB-Abendschau“ für die frühere Bundesfamilienministerin stimmen. Das wäre zwar ein Punkt weniger als im November. Es bliebe aber immer noch ein deutlicher Vorsprung vor der Konkurrenz.
Wobei sich inzwischen der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner an die Amtsinhaberin heranschiebt. Drei Punkte legte der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende zu und kommt jetzt auf 20 Prozent. Die dritte Bewerberin mit Chancen aufs Rote Rathaus, die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch, ließ Wegner im Januar hinter sich. Jarasch büßte einen Punkt ein und rangiert in der Direktwahl-Frage nur noch auf Platz drei. 15 Prozent würden die Grünen-Spitzenkandidatin direkt ins Rote Rathaus wählen.
Berlin-Wahl: Jarasch und Wegner überzeugen nicht im eigenen Lager
Auffällig ist, dass sowohl Jarasch als auch Wegner im eigenen Lager viele nicht überzeugen. Beide würden nur von knapp zwei Dritteln der jeweiligen Unterstützer ihrer Partei direkt ins Rote Rathaus gewählt. Die Sozialdemokratin Franziska Giffey könnte hingegen unter den SPD-Sympathsanten 85 Prozent auch hinter sich persönlich versammeln.
Weil aber in Berlin Parteien statt Personen gewählt werden, stehen Jaraschs Chancen auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin besser als im direkten Wettstreit mit Giffey und Wegner. Mit 21 Prozent liegen die Grünen derzeit auf Platz zwei, hätten aber die Chance, einen aktuell bei 23 Prozent stehenden Wahlsieger CDU auszubooten.
Zusammen bringen die derzeitigen Regierungsparteien es noch auf 50 Prozent
Wenn die SPD, die derzeit bei 18 Prozent festhängt, lieber unter den Grünen als unter der CDU Juniorpartner würde, was nach den Präferenzen vieler Parteifunktionäre nicht unplausibel ist, könnten sich die bisherigen Koalitionspartner unter Einschluss der Linken erneut in anderer Reihenfolge zusammenfinden. Zusammen bekommen die drei aktuellen Regierungsparteien noch 50 Prozent der Stimmen, das würde ihnen eine sichere Mehrheit im Parlament bringen, weil die zehn Prozent der sonstigen Parteien wegen der Fünf-Prozent-Hürde im Abgeordnetenhaus keine Berücksichtigung finden.
Die CDU könnte aus ihrer Führungsposition kein Kapital schlagen, sollte es ihr nicht gelingen, entweder die SPD oder die Grünen auf ihre Seite zu ziehen. Nur dann würde es mit Beteiligung der FDP für eine CDU-geführte Koalition in Berlin knapp reichen. AfD und Linke hat die CDU als Partner ausgeschlossen.
Berlins Senat bleibt die am schlechtesten angesehene Regierung in ganz Deutschland
Obwohl die Berliner in der Mehrheit eine anhaltend schlechte Meinung von ihrem Senat insgesamt haben, könnte es nach den Februar-Wahlen wie schon 2021 wieder eine Fortsetzung des Öko-Linksbündnisses geben. Unter den 1162 Wahlberechtigten, die Infratest dimap für den Berlin Trend online und am Telefon befragte, äußerte sich nur ein knappes Drittel zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Senat. Zwei Drittel sind weniger oder gar nicht zufrieden. Keine Regierung in Deutschland inklusive der Ampel im Bund ist bei den eigenen Bürgern so unbeliebt wie der Senat in Berlin.
Nur Anhänger der beiden größten Regierungsparteien SPD und Grüne nehmen die Arbeit des Senats mit je 60 Prozent überwiegend positiv war. Schon unter Linken-Sympathsanten ist nur jeder Dritte zufrieden mit der Regierung, der die eigene Partei angehört. Im Lager der Oppositionsparteien gibt es außer bei der FDP kaum Sympathien für das Wirken des rot-grün-roten Senats unter Franziska Giffey. Insgesamt hat der Senat seit seinem Amtsantritt Zustimmung eingebüßt. Im März 2022 hatten sich noch 39 Prozent zufrieden mit Rot-Grün-Rot gezeigt.
Mit Giffey sind 37 Prozent zufrieden, aber deutlich mehr unzufrieden
Die Regierende Bürgermeisterin würde zwar bei einer Persönlichkeitswahl deutlich besser abschneiden als ihre SPD, gleichwohl bleibt sie die Ministerpräsidentin in Deutschland mit der geringsten Rückendeckung in der jeweiligen Bevölkerung. Wirklich positiv wird die einstige Neuköllner Bezirksbürgermeisterin von den Menschen in Berlin nicht eingeschätzt. Mit 37 Prozent liegen ihre persönlichen Zufriedenheitswerte zwar leicht über denen des Gesamtsenats. Allerdings sind auch 53 Prozent explizit unzufrieden mit Giffey.
Noch schwieriger ist dieses Verhältnis bei Bettina Jarasch. 22 Prozent betrachten die Grüne-Spitzenkandidatin positiv, aber doppelt so viele, nämlich 44 Prozent, bewerten ihre Arbeit negativ, das sind zwei Punkte mehr als im November. Mit CDU-Landeschef Wegner sind 20 Prozent zufrieden, aber 34 Prozent unzufrieden.
Klaus Lederer und Sebastian Czaja sind echte Zugpferde für ihre Parteien
Beide Giffey-Konkurrenten leiden darunter, viel weniger bekannt zu sein als die Sozialdemokratin. Mit Giffey wissen neun von zehn Befragten etwas anzufangen. Jarasch kennen inzwischen zwei Drittel der Befragten, Wegner nur etwas mehr als die Hälfte. Persönlich ist der langjährige Bundestagsabgeordnete aus Spandau also kein Zugpferd für seine Partei.
Diese Rolle spielen hingegen der Kultursenator und Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer und FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja für ihre jeweilige Partei. Mit beiden sind deutlich mehr Wahlberechtigte zufrieden als ihre Parteien Stimmen bekommen würden. Lederer kommt auf 30, Czaja auf 20 Prozent, das sind knapp dreimal beziehungsweise viermal so viele wie die Umfrageergebnisse von Linken und FDP. Bei AfD-Spitzenfrau Kristin Brinker ist es andersherum. Sieben Prozent sehen sie positiv, ihre Partei würden elf Prozent wählen.