Berlin. Nach einem Unfall in Wilmersdorf, bei dem eine Radfahrerin am Montag lebensgefährlich verletzt wurde, gibt es viel Kritik an den Klima-Blockaden der "Letzten Generation". Eine Aktion auf der Stadtautobahn hatte offenbar dazu geführt, dass ein Einsatzfahrzeug, das für die Bergung der 44-Jährigen wichtig gewesen wäre, im Stau steckenblieb. Zudem sucht die Polizei nach dem Unbekannten, der den LKW-Fahrer niedergestochen hatte.
Die Frau war zuvor von einem Betonmischer überrollt und lebensgefährlich verletzt worden. Der Lkw-Fahrer wurde laut Polizei nach dem Unfall mit einem Messer angegriffen und verletzt.
Die Frau sei am Montagmorgen unter dem Fahrzeug eingeklemmt worden, teilte ein Sprecher der Feuerwehr mit. Die Bergung der Verletzten verzögerte sich nach seinen Angaben, weil Feuerwehrleute mit Spezialgeräten wegen Protesten von Klimademonstranten im Stau standen und erst verspätet am Unfallort eintrafen.
Der Lkw-Fahrer wurde nach Angaben einer Polizeisprecherin von einer unbekannten Person mit einem Messer attackiert, als er ausgestiegen sei, um nach der Frau zu schauen. Der 64-Jährige sei ins Krankenhaus gekommen.
Unfall in Wilmersdorf: 40 Feuerwehrkräfte vor Ort
Nach Angaben der Polizei war zunächst unklar, wie es zu dem Unfall auf der Bundesallee, Ecke Spichernstraße gekommen war. Lkw und Radfahrerin seien beide in Richtung Bahnhof Zoo gefahren. Die Frau sei gestürzt und von dem Laster überrollt worden. Ihr Zustand sei kritisch. Weitere Angaben zum Unfallopfer machte die Sprecherin nicht. Nach Angaben von Feuerwehrsprecher Rolf Erbe wurden drei weitere Menschen, die das Geschehen vor Ort beobachtet hatten, psychologisch betreut.
Etwa 40 Kräfte der Feuerwehr waren vor Ort. Die Bundesallee war in Richtung Kudamm zwischen Nachodstraße und Spichernstraße gesperrt. Buslinien – auch der U9-Ersatzverkehr – wurden umgeleitet.
Kommentar zum Thema: Es reicht!
Rüstwagen der Feuerwehr stand im Klimademo-Stau
Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr sind nach Angaben eines Sprechers wegen Protesten von Klimademonstranten verspätet am Unfallort eingetroffen. Die Kollegen hätten mit einem sogenannten Rüstwagen mit Spezialtechnik, die etwa zum Anheben schwerer Lasten eingesetzt wird, eine „recht relevante Zeit“ im Stau auf der Stadtautobahn A100 gestanden, sagte Sprecher Rolf Erbe. „Die Rettung hat sich dadurch zeitlich verzögert.“
Nach Angaben des Sprechers sollte die Spezialtechnik bei der Bergung der Radfahrerin helfen. Da die Technik nicht zur Verfügung stand, habe man an der Unfallstelle improvisieren müssen, berichtete der Sprecher verärgert.
Die Polizei nahm am Dienstag Ermittlungen gegen die beiden Aktivisten auf.
Zudem sucht sie nach dem Unbekannten, der den Lkw-Fahrer niedergestochen hatte.
Radunfall - Verzögerung des Rüstwagens löst teils scharfe Reaktionen aus
Die Klima-Protestgruppe „Letzte Generation" teilte mit, sie sei bestürzt und könne nicht ausschließen, dass die Verspätung des Rüstwagens auf einen durch sie verursachten Stau zurückzuführen sei. „Wir hoffen inständig, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Verspätung nicht verschlimmert hat“, erklärte Sprecherin Carla Hinrichs. „Bei all unseren Protestaktionen ist das oberste Gebot, die Sicherheit aller teilnehmenden Menschen zu gewährleisten.“
Ganz anders klang dagegen der Tweet eines Klimaaktivisten. Wie Screenshots des inzwischen gelöschten Posts bei "BZ" und "Bild" zeigen, schrieb er: "Scheiße, aber: nicht einschüchtern lassen. Es ist Klimakampf, nicht Klimakuscheln & shit happens." Später entschuldigte er sich für den Tweet.
Die Verzögerung des Einsatzfahrzeugs löste teils heftige Reaktionen aus und zeigten größtenteils Ablehnung für die Klimaproteste.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schrieb auf Twitter: "Es ist jetzt die Aufgabe der Polizei und der Gerichte, zu klären, inwieweit die Aktivisten eine Schuld daran tragen, dass dem Unfallopfer nicht schneller geholfen werden konnte. Grundsätzlich ist die Gefährdung von Menschenleben durch nichts zu rechtfertigen."
Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne): "Der Unfall erschüttert mich sehr. Ich hoffe und wünsche der schwer verletzten Radfahrerin von Herzen, dass sie wieder gesund werden kann. Klimaproteste dürfen keine Menschen in Gefahr bringen. Wenn dies so war, dann ist das schlicht entsetzlich und darf nicht wiederholen."
Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, und Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, forderten eine zentrale Plattform für Schadensersatzforderungen gegen Klima-Kleber.
Auch Werner Graf, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, distanzierte sich von den Aktionen der "Letzten Generation": "Polistischer Protest ist ein elementarer Bestandteil einer gesunden Demokratie", teilte er auf Twitter mit. "Dies gilt auch dann, wenn er für Dritte unbequem, anstrengend oder nervig ist. Blockaden auf Autobahnen tragen aus unserer Sicht nicht dazu bei, gesellschaftliche Mehrheiten für den Klimaschutz zu erreichen. So oder so gilt: Jede Form des Protests muss ausschließen, dass dabei andere Menschen gefährdet werden. Rettungskräfte müssen schnell durchkommen."
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Scharfe Kritik an Klima-Demonstranten
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Aktion erneut scharf: „Spätestens jetzt sollte man sich mal vom Märchen des harmlosen Protests verabschieden. Wer Verkehrswege blockiert, riskiert und behindert die Handlungsfähigkeit der Inneren Sicherheit und nimmt auch bewusst in Kauf, dass Menschen in Not länger auf Hilfe von Polizei und Feuerwehr warten müssen“, so Sprecher Benjamin Jendro.
„Nun ist eingetreten, wovor wir immer gewarnt haben", erklärte Frank Balzer, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. "Wenn Rettungskräfte nicht arbeiten können, weil dickköpfige Aktivisten die Allgemeinheit schädigen, ist Schluss." Die Justiz müsse mit all ihren Möglichkeiten durchgreifen, das Strafmaß ausgeschöpft werden. "Wer Menschenleben riskiert, begeht keine Ordnungswidrigkeit mehr", so Balzer.
Klimademonstranten hatten am Montagmorgen erneut an mehreren Stellen in Berlin mit Blockaden für Behinderungen im Verkehr gesorgt. So war die A100 in Höhe des Dreiecks Funkturm in Richtung Neukölln und die Überleitung zur A115 gesperrt, wie die Verkehrsinformationszentrale auf Twitter mitteilte, Fahrer und Fahrerinnen müssten mit etwa 35 Minuten Stau rechnen, hieß es. Die Polizei bestätigte zwei Vorfälle auf der A100: Auf der Halenseebrücke seien zwei Menschen festgestellt worden, sagte eine Sprecherin. Auf der Abfahrt Tempelhofer Damm habe es zudem einen „Versuch des Festklebens“ gegeben.