Müde sitzt ein Mann in schwerem Bärenkostüm mitten auf dem Pariser Platz. Eigentlich sollte er als Berlin-Maskottchen Flyer für Stadtrundfahrten verteilen. Neben ihm liegt der abgesetzte Bärenkopf des Kostüms, er zündet sich eine Zigarette an. Wer sich an einem Sonntag vor das Brandenburger Tor begibt und nicht selbst Tourist ist, dem kann es schnell zu viel werden. Menschenmassen im Schlendergang, abruptes Stehenbleiben.
Doch wenn man einmal genauer hinschaut, wer dort die Sehenswürdigkeiten der Stadt bewundert, bemerkt man schnell: Hinter all den mit Kameras behängten Langsamläufern und Im-Weg-Rumstehern stecken sehr an Berlin und seinen Menschen interessierte Besucher. „Wir sind einfach nur durch die Stadt gezogen und haben die Atmosphäre aufgenommen“, sagt Jule Bruns aus dem Emsland.
Zu zweit haben die Studentinnen für ein Wochenende Berlin entdeckt. Persönlicher Höhepunkt für sie war das „Holi-Festival“ am Sonnabend in Tempelhof. Dort bewarfen sich die Besucher mit Farbpulver und tanzten zur Musik – ein aus Indien stammendes Farbspektakel.
Den Berlinern einfach beim Leben zusehen
Ansonsten haben sich die beiden 23-Jährigen durch die Stadt treiben lassen. Sie waren am Rosenthaler Platz in Mitte etwas trinken und sind von dort weiter zum Lustgarten geschlendert. „Die im Abendlicht erleuchtete Museumsinsel sieht wahnsinnig schön aus“, sagt Bina Weyer. Bevor es nun mit der Mitfahrgelegenheit zurück nach Hause geht, wollten die beiden noch schnell eine klassische Sehenswürdigkeit besuchen. Ein letzter Schnappschuss mit dem Mobiltelefon vor dem Brandenburger Tor und dann weiter.
Ähnlich geht es den drei jungen Frauen, die gerade Unter den Linden aus dem Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds herausgekommen sind. „Wir wollen hier unseren Berufsabschluss als Medizinische Fachangestellte feiern. Berlin gefällt uns sehr“, sagt Eva Hoffmann. Auch sie möchten sich eher durch die Stadt treiben lassen, als dass sie einem engen Besichtigungsplan verfolgt.
Wie den jungen Frauen geht es vielen Berlin-Besuchern. „Die meisten wollen den Berlinern einfach beim Leben zusehen. Die Atmosphäre aufnehmen – in Cafés sitzen und durch die Gegend ziehen“, sagt Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Berlin-Tourismus-Gesellschaft Visit Berlin. Zudem locke viele das umfangreiche Kulturangebot.
Suche nach der beschädigten Gedächtniskirche
„Klar gibt es den sogenannten ‚Easy Jetset‘, der nur zum Feiern in die Stadt kommt. Der Berlin-Tourist ist mit einem Durchschnittsalter von mehr als 40 Jahren nicht so jung, wie viele vermuten“, sagt Kieker. Der Ansturm auf die Stadt sei nach wie vor ungebrochen. Es gebe immer mehr Menschen, die bereits zum wiederholten Mal Berlin besuchen. Auch die Hotels, zumindest in der Innenstadt, sind sehr mit ihrer Auslastung über den Sommer zufrieden.
Etwas leerer ist es am Sonntagmittag in der City West zu. Auf dem Breitscheidplatz sind Buden aufgebaut, die internationale Speisen anbieten. Die „Allzweck-Stände“, die je nach Jahreszeit mal Weihnachtsmarkt, mal Straßenfest sind, liegen ein wenig verlassen da. Viele der aufgestellten Bierbänke sind leer. Der noch eingerüstete Alte Turm der Gedächtniskirche stiftet bei so manchem Touristen Verwirrung.
„Sollte hier nicht diese beschädigte Kirche stehen?“ Xin Lin guckt sich gerade den Stadtplan an. Die junge Chinesin ist nur auf kurzer Durchreise. Sie hat gerade eine „Summer School“ in Paris abgeschlossen und macht nun im Anschluss eine Europa-Tour. Nachdem sie bereits Frankreich, Italien und Spanien besucht hat, ist sie nun für zwei Tage in Berlin. Am Montag geht es weiter nach Amsterdam.
Lebendiger geht es am Checkpoint Charlie zu
„Ich bin gerade durch den Tiergarten gelaufen. Dort war es sehr entspannend und ruhig“, sagt Lin. Sie war allerdings etwas verwundert, warum es dort so leer war. Lin dachte, der Park würde an einem Sonntag nur so belagert sein von Familien, was vor dem Grillverbot dort auch der Fall war. Weitaus lebendiger geht es am Checkpoint Charlie zu.
Souvenir-Händler bieten DDR-Devotionalien an, Imbissbuden preisen ihre „Original Berliner Currywurst“ oder Döner an. Nicht wenige Touristen probieren. Auch wenn die umliegenden Straßen mit den vielen Büros am Wochenende wie ausgestorben wirken, ist an dem Ort mit dem Soldatenfoto immer etwas los.
„Ich finde Berlin vor allem architektonisch sehr interessant“, sagt Paolo di Maio. Der Italiener ist mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern für fünf Tage in Berlin. Als Architekt habe ihm besonders der Reichstag gefallen, die Töchter waren vom Besuch der Kuppel und dem tollen Blick über die Stadt begeistert. „Ich fand das Jüdische Museum total spannend“, sagt die 14-jährige Maria Laura. Bei ihr steht gerade in der Schule im Geschichtsunterricht der Zweite Weltkrieg auf dem Lehrplan. Als Nächstes möchte die Familie in den Zoo. Dort in der Nähe liegt auch ihr Hotel.
Die üblichen Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor
Weiter östlich tummeln sich die Touristen an der bunt bemalten East Side Gallery in Friedrichshain. Menschen bleiben immer wieder stehen und posieren für Fotos vor den Original-Mauerteilen. An einem Stand werden Mauerstücke aus Schokolade als Souvenir verkauft. Direkt hinter der Mauer eine Wiese mit Blick auf Spree und Oberbaumbrücke. Die Brücke ist ein Symbol für die Wiedervereinigung der Stadt, die die szenigen Ortsteile von Friedrichshain und Kreuzberg miteinander verbindet.
„Wir sind vor allem wegen des Konzerts der Toten Hosen auf dem Tempelhofer Feld nach Berlin gekommen und wollten noch ein paar Tage Urlaub ranhängen“, sagt Jan Navel. Gemeinsam mit seiner Freundin Greta Bernhardt besuchte er zwar die üblichen Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor, genoss aber vor allem die Atmosphäre in der Stadt. „Hier herrscht entspanntes Flair, nicht so spießig wie bei uns in Stuttgart“, sagt Bernhardt.