Berlin. Beim Weihnachtssingen am Mittwoch wird er nicht dabei sein. „Ich hatte ja in den vier Monaten nicht frei. Deshalb würde ich auch gern nach Hause fahren“, sagte Sascha Lewandowski. Der Trainer des 1. FC Union will in Bochum, bei seiner Familie, abschalten nach einer Phase, die der 44-Jährige als „intensiv, in jeder Hinsicht“ bezeichnet. Auch wenn er sich diese Zeit „anders intensiv“ vorgestellt hatte.
Es sollte aufwärts gehen, nachdem er die Köpenicker mit nur vier Punkten aus fünf Spielen Anfang September übernommen hatte. Es wurde ein fast schon verzweifelter Kampf gegen das komplette Abrutschen in die Abstiegszone. Der Sieg gegen Sandhausen (1:0)am Freitag lässt die Unioner nun durchatmen. Doch es bleiben Fragen, die es vom Coach zu analysieren gilt.
Zum Beispiel, warum es ihm nicht gelang, Union schon jetzt in sichere Zweitliga-Gefilde zu führen. Es gibt zwei Erklärungsansätze: Entweder der Trainer will zu viel, oder die Mannschaft ist nicht mehr in der Lage, das vom Coach Vermittelte umzusetzen. „Es ist die Frage, was dann schon zu viel ist. Ich bin der Meinung, dass es für Leistungssportler auch um permanente Weiterentwicklung geht.“
Punktesammeln vor spielerischer Weiterentwicklung
Alles stünde auf dem Prüfstand, hatte Lewandowski nach dem Offenbarungseid gegen Paderborn (0:2) Ende Oktober angekündigt. Das schließt den Trainer mit ein. Hat er seine Aufgabe bei Union unterschätzt? „Ja, ein bisschen“, gibt Lewandowski zu: „Aber so, wie die letzte Phase verlief, finde ich es in Ordnung. Die Situation war anders, als ich sie mir vorgestellt hatte, aber wir sind damit gut umgegangen.“
Soll heißen: Die spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft, die in den ersten sieben Spielen im Vordergund stand, wurde zu Gunsten des Pragmatismus’, endlich mehr Zählbares einzufahren, unterbrochen. „Es ist ja schon mein Anspruch, dass ich mit meiner Mannschaft eine klare Herangehensweise habe und einen sehr, sehr agierenden Spielstil haben möchte, die geprägt ist von sehr viel Gegenpressing und dem schnellen Zurückerobern von Bällen“, sagte Lewandowski. Doch jenen sieben Punkten, die damit geholt wurden, stehen deren zwölf in den letzten sieben Spielen das Jahres gegenüber. Dabei gab es nur eine Niederlage in Freiburg (0:3).
Es ist schon Ironie, dass Lewandowski ausgerechnet mit der Dreierabwehrkette, die unter Vorgänger Norbert Düwel noch von vielen verteufelt wurde, bei Union am meisten Erfolg hatte. Zumal er – nachdem er das völlig verunsicherte Team übernommen hatte – zunächst mit der von ihm favorisierten Viererkette agieren ließ. Die Mannschaft fühle sich damit besser, hieß es. Nun sagt der Trainer: „Der Kader ist eher auf eine Dreierkette ausgelegt.“ Das zeigt, wie sehr Lewandowski nach der richtigen Lösung für dieses Team sucht, gefunden hat er sie bislang nicht.
Schönheim kein Fels in der Brandung
Doch was heißt das für die restlichen 15 Spiele? Muss Lewandowski bis Saisonende seine Vorstellungen hinten anstellen? Der Coach wirkt nachdenklich: „Ich stelle mich auf das ein, was wir haben.“ Bajram Nebihi und Denis Prychynenko sind längst aussortiert. Auch Christopher Quiring steht vor dem Aus. Gegen Sandhausen stand er zum fünften Mal in Folge nicht im Kader. Neue Spieler stehen noch nicht parat. „Das ist im Winter immer schwierig“, sagte Lewandowski, wohl wissend, dass in der Defensive und speziell auf der linken Abwehrseite Handlungsbedarf besteht.
Eine Lösung könnte Rückkehrer Fabian Schönheim sein, der gegen Sandhausen nach auskurierter Oberschenkelverletzung erstmals seit August wieder im Kader stand. Doch über den Verteidiger sagte der Coach: „Er ist ein sehr guter Aufbauspieler. Aber in Sachen defensiver Zweikampfführung, Kopfballduelle, Bissigkeit – da sieht es nicht so aus, dass er der Fels in der Brandung ist.“
Lewandowski (Vertrag bis 2017) wird viel nachdenken müssen während der Feiertage. Über die Situation seiner Mannschaft. Und auch über seine eigene bei Union.