Neulich hat er Pal Dardai geschlagen. Das hat nicht nur ihm gefallen, sondern auch Michael Preetz. 9:3 für sein Team mit dem Hertha-Manager gegen den Hertha-Trainer und dessen Truppe. Man solle mal fragen, wie viele Tore er zum Sieg von Alt gegen Jung der Vereinsmitarbeiter beigesteuert habe, sagt Paul Keuter. Grinst zufrieden wie einer, bei dem der Fußball immer noch kindliche Freude auslöst.
Man fragt aber nicht, weil das Gespräch ja keines über Fußball, sondern eines über Twitter und Facebook werden soll. Über die digitale Transformation eines Vereins. Dafür ist Keuter seit Anfang Januar bei Hertha.
Warum sich Hertha auch als Medienunternehmen sieht
Ohne die Magnetkraft des Fußballs aber kann man das wiederum auch nicht erklären. Nicht, warum Keuter seinen Job als Sportchef bei Twitter für den globalen Markt aufgab, um als neuer Geschäftsleiter für das Thema Digitales zu Hertha zurückzukehren. Vor mehr als zehn Jahren schrieb er dort als Praktikant die Internetseite des Vereins voll und brachte die Leute zum Tuscheln, weil er mit Barbara Schöneberger im Olympiastadion Händchen hielt.
Auch kann man ohne diese immer größer werdende Lust der Leute auf Fußball nicht verstehen, warum Hertha sich jetzt auch als „Medienunternehmen“ sieht, wie Preetz es nennt. Ein Bundesligaklub, dessen Hauptgeschäft analog vonstatten geht – auf dem Rasen –, soll nun im Internet neue Spielfelder erobern.
„Wir sitzen auf einem Haufen Content. Wir wollen diese Inhalte selbst distribuieren. Und deshalb sind wir teilweise auch ein Medienunternehmen“, sagt Keuter. Dafür braucht Hertha einen Mann wie ihn – einen Vernetzer zwischen alter und junger Welt.
Klub durchläuft einen ähnlichen Wandel wie ein Medienhaus
Paul Keuter ist 41 Jahre alt. Ein Mann-Berg, breite Schultern. Früher war er Angreifer in der Oberliga. Andere hatten mehr Talent, aber keiner mehr Leidenschaft für das Spiel. Das ist einer der Gründe, warum er wieder bei Hertha ist. „Ich will den Rasen riechen“, sagt Keuter.
Er ist einer, der Menschen schnell für sich gewinnt. Und darum geht es ja bei seiner Arbeit – Leute für Hertha gewinnen, ihnen auch geben, was sie wollen. Und das sind schon lange nicht mehr die 90 Minuten allein, sondern eine fast pausenlose Unterhaltung über den Verein.
Hertha besitze, was der Fan will. Die Inhalte. „Spieler, Trainer, Geschichten über sie, aber auch Geschichte, die eigene Tradition und soziales Engagement“, sagt Keuter. All das will transportiert werden, auf den unterschiedlichsten Kanälen im Internet. Die Vereinshomepage, klar. Aber vor allem Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat und Periscope. Dazu das eigene Thema Online-Ticketing. „Wir wollen da sein, wo unsere Fans sind – und unsere potenziellen Fans“, so Keuter.
Im Grunde steckt Hertha in einem ähnlichen Prozess wie klassische Medienhäuser: Der Leser ist nicht mehr der Leser von früher. Er will mitreden und nicht nur empfangen. Das Printgeschäft transformiert sich zum Digitalgeschäft. Keuter sagt: „Der Fußballfan ist nicht mehr der Fan von früher. Wir müssen in Kommunikation treten. Wir müssen aktiv zuhören und lernen.“
Trainer Pal Dardai ist jetzt auch bei Twitter
Das geht zum Beispiel, indem man die, über die die Fans alles wissen wollen, selbst bei Twitter platziert und sie mit der Anhängerschaft in Dialog treten lässt. Seit Sonnabend hat Dardai als erster Bundesliga-Trainer einen eigenen Twitteraccount. Preetz hat ihm das schon vor einer Weile vorgemacht – als erster und bisher einziger Bundesliga-Manager. „Es erfordert Mut, etwas zu verändern. Ich glaube, dass wir dafür stehen. Berlin als Stadt der Startups sowieso, und wir als Hauptstadtklub auch“, sagt Keuter.
Zum Gespräch ist der neue Mann fürs Digitale mit einem Laptop unterm Arm erschienen. Passt natürlich. Eine Präsentation für die Spieler darüber, wie man Twitter richtig nutzt, musste vorbereitet werden. „Da geht es mehr um die Chancen für sie und für uns, als um die Risiken“, sagt Keuter. Das ist ohnehin sein Lebensmotto: vieles ausprobieren und keine Angst vorm Scheitern haben.
Geboren in Hamburg hat er einen Werdegang hingelegt, den er selbst als „nicht immer stringent“ beschreibt: Abi, Kaufmannslehre, Jazzclub-Assistenzmanager in London, dann BWL in Hamburg. Aber nach dem Vordiplom war Schluss. Nicht seine Sache. Und Lebensmotto Nummer zwei lautet: „Wenn ich nicht weiß, was ich will, muss ich wenigstens abstecken, was ich nicht will“, sagt Keuter.
Spannungsfelder mit den Fans
Was Keuter nie wollte ist stehen zu bleiben. Nach Hertha kamen Managerjobs in TV-Produktionsfirmen. Dann auch Spielerberatung. Den Ex-Herthaner Arne Friedrich hat er in die US-Liga gebracht, ins Heimatland von Keuters Frau. Irgendwann kam Twitter. Jetzt Hertha. Ein riesiges Netzwerk ist seither entstanden. Ein Vernetzer.
Hertha soll davon profitieren. Aber Keuter sieht sich nicht als Missionar. Er will anstoßen. Spieler wird er coachen. Konzepte für die Zukunft entwerfen. Gerade hat er eine große Content-Analyse bestellt, um zu sehen, wo Hertha im nationalen und internationalem Vergleich steht.
Dass Hertha für ihn eine völlig neue Stelle in der Geschäftsleitung geschaffen hat, zeigt, dass der Verein hier vorangehen will. Am Ende steht der Klub wie jedes Medienhaus vor der Frage: Wie verdienen wir damit Geld? Eine Antwort darauf könnte lauten: In dem wir über unsere Kunden noch mehr wissen.
Aber es gibt dann doch noch einen Unterschied: Fußballfans sehen sich nicht als Kunden. Sie reagieren allergisch, wenn ihre Vereinsliebe zu stark monetarisiert werden soll. Da lauern Spannungsfelder. Keuter aber sieht die Chancen. Er sagt: „Wenn wir unsere Sache gut machen und damit Geld verdienen, schaffen wir bessere Ausgangsbedingungen für den gesamten Klub und sorgen hoffentlich dafür, dass wir auf dem Platz noch besser werden. Und davon profitiert der Fan.“