Sie ist eine große Schauspielerin – im Kino („Die Päpstin“, „Der Baader Meinhof Komplex“, „Barfuß“) wie auf der Bühne, am Theater Bonn und dann am Burghteater. In Berlin aber stand Johanna Wokalek noch nie regulär auf der Bühne. Nun gibt die 48-Jährige hier ihr spätes Debüt: Am 16. März im Berliner Ensemble mit dem Schauspiel „Ich hab die Nacht geträumet“. Bald gibt es noch ein weiteres Debüt der Schauspielerin: Sie ist die neue Kommissarin beim Münchner „Polizeiruf 110“. Die erste Folge ist bereits abgedreht. Über beides haben wir mit der Schauspielerin in der BE-Kantine gesprochen.
Frau Wokalek, Sie haben noch nie in Berlin Theater gespielt?
Johanna Wokalek: Nein. Ich stand hier tatsächlich nur auf der Bühne, wenn wir mal dem Burgtheater zum Theatertreffen eingeladen waren. Aber mit einer regulären Produktion war ich noch nie hier.
Dann ist das jetzt nicht nur ihr Debüt am Berliner Ensemble, sondern überhaupt an einem Berliner Theater. Wie fühlt sich das an?
Das ist schön, in mehrerlei Hinsicht. Ich mag das Berliner Ensemble sehr, der Zuschauerraum ist zauberhaft. Dann haben wir hier eine sehr schöne Probenarbeit, die für Theaterverhältnisse sehr lang ist. Wir sitzen schon seit Anfang Januar daran. Weil wir das mit Andrea Breth ja zusammen erfinden. Und es ist toll, dass Oliver Reese ihr diese Carte Blanche gegeben hat. Und dann ist es auch schön, weil ich hier ununterbrochen Kollegen über den Weg laufe. Es gibt welche, denen ist das zu viel, die ziehen lieber aufs Land. Aber ich kenne das eigentlich gar nicht. Und genieße das gerade sehr.
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In den letzten Jahren haben Sie sich etwas rar gemacht. Im Film wie auf der Bühne. Warum? Wegen der Familie? Ist Ihr Sohn jetzt alt genug, dass Sie wieder mehr machen können?
Ach, ich habe schon immer wieder was gemacht. Ich habe etwa mit dem Tanztheater von Pina Bausch gearbeitet oder gerade in der Opéra Garnier in Paris mit Krzysztof Warlikowski. Und am Burgtheater habe ich „Die Ratten“ gespielt. Ich war also nicht untätig. Ich habe auch Serien gedreht, die vielleicht nicht mehr von allen wahrgenommen werden, weil die ja jetzt auf alle Streamingplattformen verteilt sind. Aber wir leben jetzt auch in Paris, da habe ich mich erst mal eingefunden, habe Französisch gelernt und die Stadt entdeckt. Das ist ja auch Leben!
Und wie ist das, wieder mit Andrea Breth zu arbeiten? Sie haben mit ihr schon viel am Burgtheater gearbeitet, wie ja auch „Die Ratten“.
Wir arbeiten jetzt seit 22 Jahren zusammen, immer mit Pausen. Aber es ist schon ein langer, schöner, gemeinsamer Weg. Und ich spüre bei Andrea ein großes Bedürfnis, diesen Abend zu erzählen. Und dieser innere Antrieb, das auf die Bühne bringen zu müssen, das ist ganz wesentlich auch für uns, die wir dann auf der Bühne stehen. Damit wir uns immer wieder entzünden können. Diese Produktion ist jetzt eine ganz besondere Begegnung. Weil sie sehr frei und sehr fantasievoll ist. Und ich bis auf Corinna Kirchhoff noch niemanden kenne. Es ist sehr spannend, sich in einer solchen Produktion kennenzulernen. Und zu entdecken. Gerade weil sie so frei ist und so viel zulässt.
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Angekündigt wird „Ich hab die Nacht geträumet“ als ein „atmosphärisches Schauspiel, das der widersinnigen Logik von Träumen nachempfunden isst“ Was genau dürfen wir da erwarten?
Es soll ja auch Menschen geben, die nicht träumen. Oder sich nicht daran erinnern können. Aber wer sich auskennt mit Träumen, der weiß ja, dass man da springt. Auch unser Abend wird sprunghaft und collage-artig, er setzt sich mit einer inneren Logik zusammen, die erst mal nicht zu erkennen ist. Anfangs hat uns Andrea Texte und Spiel-Ideen gegeben. Und die haben wir mit unserer Fantasie ausgefüllt. Ein bisschen wie Kinder im Kinderzimmer. Und ihnen Körper und Ausdruck gegeben. Mit dem Begriff „Traum“ ist ein großer Freiraum verbunden. Der Abend wird hoffentlich für das Publikum ein Raum, der Assoziationen freisetzt. Es wird sicher nicht alles erklärt. Aber es gibt eine Logik. Die ZuschauerInnen werden sich, wenn sie sich darauf einlassen, einen Traum träumen. Der am Ende vielleicht gar nicht so unähnlich ist zu dem von anderen, mit denen man hinterher darüber spricht.
Sind Sie denn eine Träumerin? Träumen Sie? Und erinnern Sie sich daran?
Ja. Ich habe Träume. Und ich habe auch das Bedürfnis, sie am nächsten Morgen zu erzählen. Mir ist das alles nicht unbekannt. Wir schöpfen aber nicht aus eigenen Träumen. Das setzt sich aus den Spielideen zusammen.
Wenn Sie träumen, sind das positive Träume? Oder haben Sie auch Alpträume? An die erinnert man sich ja meist am eindringlichsten.
Ich habe die verschiedensten Träume. Auch ganz verrückte. Aber vielleicht träumen ja alle Schauspielerinnen und Schauspieler. Träumen hat ja viel mit Fantasie zu tun und dem Vergrößern von Dingen, vom Zulassen von Räumen, Orten, Gefühlen. Ich habe keine Ahnung. Interessanterweise haben wir uns darüber bislang noch nie ausgetauscht in den Proben.
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Es heißt, der klassische Alptraum eines Schauspielers ist, auf der Bühne zu stehen und seinen Text nicht zu können. Ist das ein Klischee, oder träumt man sowas wirklich?
Doch, das habe ich auch schon geträumt. Oder dass man zu spät kommt. Oder dass es die Menschen nicht interessiert, was man da tut, und der Saal sich leert. Das ist schrecklich. Aber der Auftritt ist einfach immanent für die Schauspielerei. Und bei diesem Auf-die-Bühne-Treten drücken sich in einem Traum all die Ängste aus, die man so hat.
Ist „Ich hab die Nacht geträumet“ nur ein einmaliger Ausflug nach Berlin, oder könnten wir Sie hier auch öfter oder gar regelmäßig erleben?
Jetzt bin ich ja erst mal da. Ich freue mich auf die Premiere. Und dann – mal schauen. Ich kann das noch nicht sagen, aber ich bin gerne hier.
Sie haben bald noch ein weiteres Debüt: Sie beerben Verena Altenberger im „Polizeiruf 110“ in München. Es ist das erste Mal, dass Sie als Krimi-Ermittlerin in einer Serie mitwirken.
Und das ist sehr verlockend. Ich habe mir ein paar „Polizeirufe“ angeschaut und festgestellt, dass da ganz besondere und ganz eigenwillige Folgen dabei sind, gerade in München. Mit immer anderen RegisseurInnen und AutorInnen, zum Beispiel Dominik Graf und Alexander Adolph, die dem Ganzen einen eigenen Stempel aufdrücken. Es wird immer von anderen Produktionsfirmen betreut, dadurch gibt es die Chance, dass das immer frisch bleibt. Und auch der Wille da ist, dass jede einzelne Folge etwas Besonderes ist. Und ich habe noch nie so eine Frau entworfen, im Austausch, im Dialog mit den RedakteurInnen des BR. Aber darauf hatte ich jetzt große Lust. Und war sehr neugierig, das zu erleben. Eine Folge haben wir schon gedreht. Ich bin gespannt, wie sich das einlöst.
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Auf wie lange stellt man sich bei so etwas ein? Muss man da schon für zwei, drei Jahre Verträge unterzeichnen?
Nein, wir sind verabredet über die Lust, dass wir das machen wollen. Das ist für mich wesentlich und wichtig, dass wir die Neugierde aufeinander bewahren und befeuern. Dabei kann ja wirklich etwas entstehen. Und ich hatte genau darauf Lust: auf einen Raum, in dem etwas entstehen kann.
Sind Sie denn ein Krimi-Fan? Schauen Sie das im Fernsehen?
Nein, nicht regelmäßig. Nur ab und an. Aber ich bin dann ganz erstaunt, wie viele gute, mutige und experimentierfreudige Folgen es da gibt. Auch Grenzauslotungen, sei es visuell oder von der Erzählung her. Das ist ein tolles Format für Experimente. Wäre doch schön, wenn uns da ab und an was gelingt.