Legende

Gina Lollobrigida: Ein Leben vor und hinter der Kamera

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In „Nur eine Nacht, Chérie“ spielte Gina Lollobrigida eine Fotografin. Das wurde ihr zweiter Beruf.

In „Nur eine Nacht, Chérie“ spielte Gina Lollobrigida eine Fotografin. Das wurde ihr zweiter Beruf.

Foto: picture alliance / Everett Collection

Sie war eine Filmdiva der 50er- und 60er-Jahre. Auf der Berlinale 1986 sorgte sie für einen Eklat. Die „Lollo“ wurde 95 Jahre alt.

Sie war eine der letzten ganz großen Filmdiven. Eine Legende der 50er- und 60er-Jahre. Und – ein Sexidol. Man bezeichnete sie als „Mona Lisa des 20. Jahrhunderts“, als „schönste Frau der Welt“ oder ganz kurz und liebevoll als „la Lollo“. In ihrer italienischen Heimat wurde sie gar als „Gina nazionale“ vereinnahmt. Nun ist die Schauspielerin Gina Lollobrigida am gestrigen Montag in Rom verstorben, wie die die italienische Nachrichtenagentur Ansa bekannt gab. Sie wurde 95 Jahre alt.

Bekannt war sie für ihren sinnlichen Mund, ihren schmachtenden Blick, vor allem aber für ihre üppige Oberweite – und die dunkle Stimme, die einen so markanten Kontrast zu ihrem grazilen Äußeren darstellte. Sie war das, was man in den 50er-Jahren als „Busenwunder“ und „Sexbombe“ bezeichnete. Und es gibt fast keinen ihrer frühen Filme, in denen sie nicht tief ins Dekolleté blicken lässt.

Erst eine Karriere als Sex-Ikone, dann eine zweite als Fotografin

Die Fünfziger waren das Jahrzehnt dieser Sexgöttinnen. Als europäische und noch drallere Antwort auf Amerikas Pin-Up-Girl Nr. Eins, Marilyn Monroe wurden Schönheiten wie Sophia Loren, Gina Lollobrigida und Anita Ekberg zu Stars aufgebaut, die nicht mit ihren Reizen geizten. Berühmt ist ein Foto, das Heinz Köster auf der Berlinale 1954 schoss, auf dem Sophia Loren und Gina Lollobrigida scheinbar traut nebeneinander sitzen und Yvonne de Carlo als drittes Busenwunder sich zwischen sie schiebt. Tatsächlich sollen die Lollo und die Loren einen heftigen Konkurrenzkampf geführt haben, den die Sensationspresse gierig ausschlachtete. Paparazzi hatten hier immer gut zu tun.

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Die Fünfziger waren aber auch deshalb das Jahrzehnt dieser Stars, weil die goldene Zeit von Hollywood allmählich zu Ende ging und viele der großen Filmstudios mit ihren Monumentalepen nach Europa auswichen, wo man die ausufernden Budgets zumindest etwas niedriger halten konnte. Um die Filme international vermarkten zu können, griff man dann auch gern auf Stars vor Ort zurück. Und die wurden so auch in Hollywood bekannt.

Vom schönsten Kleinkind Italiens über Miss Roma zur bronzenen Miss Italia

Dabei wollte Luigina Lollobrigida, so ihr bürgerlicher Name, eigentlich Gebrauchsgrafikerin werden. Weshalb sie sich in Bildhauerei und Malerei ausbilden ließ. Wei die Möbelfirma ihres Vaters zum Kriegsende zerstört wurde und sie seither in eher bescheidenen Verhältnissen lebte, verdiente sich die gut aussehende junge Frau ein paar Lire als Model für Fotoromane, unter dem Namen Gina Loris. Schon als Dreijährige war sie zum „schönsten Kleinkind Italiens“ ausgelobt worden, mit 19 wurde sie Miss Roma und 1947 schaffte sie es bei der Wahl zu Miss Italia immerhin auf Platz Drei.

So wurde auch das Kino auf sie aufmerksam. Seit 1948 spielte sie erste kleine Filmrollen. Bekanntheit erlangte sie aber erst durchs Ausland: Im französischen Film „Fanfan, der Husar“ (1952), ganz auf den männlichen Star Gérard Philippe zugeschnitten, war sie es, die ihm als Wahrsagerin eine glorreiche Zukunft voraussagte. Die Prophezeiung sollte sich auch für sie selbst erfüllen.

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Mit Philippe drehte sie gleich noch einen Film, „Die Schönen der Nacht“, wo sie im Filmtitel schon mitgedacht war. In Italien folgten dann 1953 mit Vittorio de Sica zwei Filme der „Brot und Liebe“-Trilogie. Beim dritten musste sie schon durch Sophia Loren ersetzt werden. Denn da war sie bereits Hollywood aufgefallen. John Huston besetzte sie neben seinem Kumpel Humphrey Bogart in „Schach dem Teufel“.

Es folgten Ruhm, Glamour und traumhafte Gagen. Auch wenn die Rollen, die man ihr gab, selten anspruchsvoll waren. Meist blieben sie beschränkt auf die verführerische Schöne, die exotische Fremde oder gleich die Prostituierte. Sei es im Zirkusfilm „Trapez“ mit Burt Lancaster, in der Neuverfilmung von „Der Glöckner von Notre-Dame“ (1956) mit Anthony Quinn oder, neben Yul Brynner, im Sandalenfilm „Salomon und die Königin von Saba“ (1959) als berühmteste aller Kurtisanen. In oft belanglosen Komödien und pompösen Historienschinken war sie meist, wie die Kulissen, bloße Staffage.

In den siebziger Jahren zog sie sich mehr und mehr aus dem Kinobusiness zurück

Was damals viele weibliche Stars im Filmgeschäft beklagten, dass sie ab einem gewissen Alter als Kassengift betrachtet und gemieden wurden, galt natürlich ganz besonders für die „Busenwunder“. Ein Wechsel ins dramatische Fach gelang ihr, anders als der Konkurrentin Loren, nie. Und so zog sich die Lollobrigida 1972, nachdem sie in der TV-Serie „Pinocchio“ noch die gute Fee gespielt hatte, mehr und mehr aus dem Filmgeschäft zurück. Nur noch selten trat sie vor der Kamera, etwa in der US-Serie „Falcon Crest“ (1985). Oder als Mutter im TV-Mehrteiler „Die Römerin“ (1988). In der Kinoversion hatte sie 1954 noch die Hauptrolle der Tochter gespielt.

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Eine zweite Karriere baute sich der Star aber hinter der Kamera auf. Nicht hinter der Filmkamera. Sie betätigte sich als Mode-Fotografin, etwa für die „Vogue“, vor allem aber als Promi-Fotografin, wo sie nun andere Stars ablichtete wie Paul Newman, aber auch Künstler wie Salvador Dalí oder Politiker wie Henry Kissinger. Mit Fidel Castro konnte sie sogar ein Exklusiv-Interview ergattern.

Außerdem erneuerte sie ihr Interesse an der Bildhauerei und schuf Skulpturen, die teils von ihren früheren Filmrollen inspiriert waren. War sie dort meist auf ihre äußerlichen Reize begrenzt geblieben, machte sie nun etwas ganz Eigenes, Persönliches daraus.

Skandal als Jury-Präsidentin auf der Berlinale 1986

Für einen Eklat in der Filmwelt sorgte sie 1986. Eigentlich wurde sie als Jurypräsidentin der Berlinale gefeiert. Bis sie am Ende den Goldenen Bären an den deutschen Film „Stammheim“ vergeben musste und sich zugleich von Reinhard Hauffs Nachstellung der RAF-Prozesse distanzierte. Die Jury-Entscheidung war mit fünf zu sechs Stimmen äußerst knapp ausgefallen, die Präsidentin bezeichnete das Votum aber als „absolut absurd“ und sprach von einer „politischen“ und „vorfabrizierten“ Entscheidung. Das hatte es in der Festivalgeschichte noch nie gegeben, damit brachte sie jeden gegen sich auf. Und der damalige Leiter Moritz de Hadeln warf ihr „antidemokratisches Vorhalten“ vor.

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Streitbar aber war die Lollo von jeher. Sie bezeichnete sich als „enthusiastisch und impulsiv“, aber auch als „hartnäckig und starrköpfig“. Ihren Rückzug aus dem Filmgeschäft hat sie nie bedauert: „Popularität hat eine angenehme Seite, sie öffnet viele Türen. Aber die Wahrheit ist, dass ich sie nicht besonders mag. Denn sie verwandelt das Privatleben in ein sehr kleines Ding.“

Sie nutzte ihre Popularität aber noch einmal anders. 1999 trat sie als Kandidatin des Wahlbündnisses von Romano Prodi für das Europäische Parlament an und noch 2022 für die Parlamentswahlen in Italien für das linkspopulistische Bündnis Italia Sovrana e Popolare. Beide Male aber verfehlte die den Einzug. Da war „Gina“ nicht mehr „nazionale“ .

Und doch: Mit Gina Lollobrigida hat der europäische Film einen seiner großen Stars verloren. Heute freilich wäre eine solche Karriere, die so auf Äußerlichkeiten begründet war und auch reduziert blieb, wohl gar nicht mehr möglich.