Gourmetspitzen

Viva il Wohlfühlcharakter beim „Grunewald-Italiener“

| Lesedauer: 5 Minuten

Foto: Amin Akhtar / Amin Akhtar (3)

Heinz Horrmann hat das La Cascina in Grunewald besucht - und bei teuflisch scharfen Makkaroni und Dorade vom Grill einen Ferientag in der Toskana verlebt.

Kann es wirklich sein, dass der Wohlfühlfaktor in einem Restaurant wichtiger als die Essensqualität ist? Es wäre falsch, das als unsinnig zu bezeichnen. Wer so denkt, dem empfehle ich, das La Cascina an der Delbrückstraße zu besuchen. Mit einem grandiosen Gastgeber, der jedem das Gefühl gibt, nur auf ihn habe man gewartet. Das Ambiente, jetzt im Sommergarten, vermittelt das Gefühl, einen ganzen Ferientag im blühenden Umfeld der Toskana zu erleben. Und der Service ist derart liebenswert, wie man ihn sich anderswo nur wünschen mag.

Wer hier die richtigen Speisen bestellt, kann dazu auch sehr ordentlich mediterran genießen. Ich möchte Ihnen die Empfehlungen dazu gegeben, aber auch nicht verschweigen, was weniger gut gelungen ist.

Carpaccio vom Wildlachs, Thunfisch und Schwertfisch

Das Team in der Küche legt beispielsweise großen Wert auf ein breites Angebot von fein geschnittenen Variationen des Carpaccio. Natürlich vom Rinderfilet und Kalbfleisch, aber eben auch vom Wildlachs, Thunfisch und Schwertfisch. Wir probieren Schwert- und Thunfisch. Es sind erstklassige Produkte, die mit Limonensaft, Kräutern und exzellentem Olivenöl fein parfümiert waren.

Da ein einfacher, aber vom Produkt und Dressing her guter Salat die Visitenkarte eines Restaurants darstellt, ordern wir diesen im La Cascina als zweite Vorspeise. Der gemischte Blattsalat mit aromatischen Tomaten ist tadellos.

Was wäre ein guter Italiener ohne hausgemachte Pasta. Die Pasta-Karte in der Preiskategorie zwischen elf bis 14 Euro präsentiert ausschließlich im Haus zubereitete Nudelgerichte von Tagliatelle bis zu teuflisch scharfen Makkaroni.

Die Paradedisziplin des Restaurants lautet Fisch

Kommen wir zur absoluten Paradedisziplin dieses liebenswerten italienischen Restaurants und zu meinem Tipp: Bestellen Sie Fisch! Die frische Mittelmeer-Dorade vom Grill oder mit Kräutern im Ofen gedünstet, der Babysteinbutt aus der Nordsee, auch der Mittelmeer-Seewolf werden so zubereitet, dass das eigentliche Aroma des Fischs nicht überlagert wird. Am Nebentisch werden frische Seezungen serviert, inzwischen mit die teuersten Fische im Wareneinsatz. Wenn der Gast das unbedingt will, bekommt er den Plattfisch auch gegrillt. Normalerweise werden die Fische nach toskanischer Art pochiert und mit Parmesan und Butter angerichtet. Für unsere Nachbarn gab es eine leichte Weißweinsauce.

Knackige Großgarnelen serviert die Brigade in vielen Variationen, Scampi alla Livornese, Garnele nur mit Kräutern und Tomatensauce, ist einfach köstlich. Das gilt auch für die sizilianische Art der Zubereitung mit Knoblauch-Sauce. Nun zur kleinen Einschränkung: Das Fleisch ist nicht so der Hit. Kalbsgeschnetzeltes mit Mascarpone-Sauce ist zu fest im Biss, und beim Kalbskotelett vom Grill ist das Produkt voller Sehnen. Schade. Wenn schon Fleisch, dann empfehle ich die Kalbsniere mit Pommery-Senf-Sauce und das hausgemachte Kartoffelpüree. In diesen Wochen zelebriert das La Cascina die Pfifferlingszeit (mit spezieller Karte). Erstklassig finde ich die Vorspeise Pfifferlinge mit Lauchzwiebeln in Butter gebraten und auf Feldsalat serviert. Der ist perfekt gereinigt, es knirscht kein Sand zwischen den Zähnen.

Perfekt frisches Ossobuco mit köstlichem Mark

Bei einem früheren Besuch hatten wir Lust auf Ossobuco, das vielleicht typischste Gericht aus der italienischen Küche. Hierbei werden nach scharfem Anbraten langsam geschmorte Scheiben von der Kalbshaxe mit Tomatenmark, Wein, Thymian, Basilikum gewürzt. Häufig erlebt man, dass das Fleisch Tage vorher fertig gegart wurde und dann nur noch aufgewärmt serviert wird. Dann ist der Geschmack halbiert und das Haxenfleisch faserig. Wir bekamen ein perfekt frisches Gericht mit köstlichem Mark aus dem Mittelknochen. Tadellos.

In der zauberhaften Atmosphäre fliegt der Abend so dahin, bevor die Desserts in der typischen italienischen Angebotspalette von Zabaione bis Waldbeeren mit Mascarponecreme und Vanilleeis auf den Tisch kommen. Und da wären wir wieder beim Wohlfühlfaktor. Das zwingt die Frage auf: Warum gehen wir so gern „zum Italiener“? Egal ob Sterneküche oder Pizzeria, bei jedem Restaurant, in dem Pasta und Pinot Grigio auf der Karte stehen, sprechen wir inzwischen vom „Italiener“ und das macht die Sache so unkompliziert. Ich glaube, es ist zum einen eine tiefe Sympathie für die produktbezogene Küchenrichtung, zum anderen spielt mit, dass wir uns keine Namen merken müssen. Das La Cascina ist einfach der „Grunewald-Italiener“.

Jeder Gast wird mit perfekter Bedienung verwöhnt

Ein Wort noch zu Service und Weinkarte. Jeder Gast wird geradezu verwöhnt mit einer nahezu perfekten Bedienung. Die Weinkarte ist kundenfreundlich kalkuliert, darüber hinaus ist das La Cascina eines der ganz wenigen Restaurants in der Stadt, die für warme Sommerabende geradezu ideale Tropfen des italienischen Weinmachers Jerman anbietet. Der Chardonnay kommt gleich gut gekühlt an den Tisch. Allzu oft erlebt man, dass das erste Glas viel zu warm serviert wird.

Ob nun das La Cascina, das in den 80er-Jahren „in“ war, vorübergehend aus dem Popularitäts-Radar verschwunden und heute wieder für Stammgäste und Laufkundschaft interessant ist, nun der beste Italiener der Stadt ist, wie viele Genießer glauben, will ich nicht festschreiben. Eine insgesamt gute Küche und den höchsten Wohlfühlfaktor darf man allemal attestieren.

La Cascina Delbrückstraße 28, Grunewald, Do.-Di. 12-24 Uhr, Tel.: 82 61 794, www.cascina.de

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