Berlin. Ein weißer Kombi hält, der Fahrer lässt das Fenster runter. Er quatscht mit seiner Nachbarin Dagmar Moriano. Es wird gescherzt, gelacht. Seit 2007 wohnt die 44-Jährige im Flora Kiez in Pankow, teilt eine Zweizimmerwohnung mit ihren drei Hunden. Aufgewachsen ist sie in Spandau Staaken.
Moriano ist gut vernetzt im Kiez, hier fühlt sie sich zuhause. Doch der Kiez hat sich verändert, erzählt die freiberufliche Wundtherapeutin. „Ich durfte zum Glück das alte Pankow noch kennenlernen“, sagt sie. „Das vor den ganzen Lückenbauten, von denen es jetzt einige in meiner Straße gibt.“ Seit 2010 seien nach und nach alle frei stehenden Flächen bebaut worden. „Viele Lücken gibt es nicht mehr.“ Auch die Gartenkolonie hätte einem Neubau weichen müssen.
„Die Stadt verbaut sich. Das Flair, das Berlin ausmacht, geht verloren“, findet sie, macht eine Pause, zieht an ihrer Zigarette. „Es wird neu gewürfelt. Viele Berliner müssen wegziehen, weil sie es sich nicht mehr leisten können.“ Die 44-Jährige hat die Umstrukturierung des Kiezes mitbekommen. Alteingesessene seien wegen Eigenbedarfs aus ihren Wohnungen geklagt worden, später seien daraus Eigentumswohnungen gemacht worden.
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Durch die Neubauten ist die Zahl der Einwohner im Kiez gestiegen. Es sei lauter als früher, mehr Verkehr, mehr Partys und laute Gespräche. „Früher haben sich hier Fuchs und Hase gute Nacht gesagt. Jetzt leben hier mehr Menschen. Unterschiedliche Mentalitäten, Charaktere“, so Moriano. „Viele der Zugezogenen machen ihr eigenes Ding, haben kein Interesse.“
Ob sie Teil der Kiezgemeinschaft würden, sei unterschiedlich: „Es kann schnell gehen oder gar nicht, je nachdem wie das Interesse besteht. Ich versuche immer Kontakt aufzunehmen“, betont sie. Manchmal würden sich beide Seiten bemühen, aber es funktioniere nicht. Mit anderen wiederum passe die Chemie. „Pankow wird zum zweiten Prenzelberg“, empfindet es Moriano. Wenn sie jedoch von ihren Begegnungen und Freundschaften im Kiez erzählt, wird deutlich, dass darunter Zugezogene genauso wie Alteingesessene sind.
Flora Kiez in Pankow: Nachbarschaftsfeste und Hilfsbereitschaft
Trotz aller Veränderungen fühlt sich Moriano wohl in ihrem Kiez. Das schwingt mit, wenn sie erzählt: von Straßenpartys, von Adventswochenenden und Feuerschüren mit der Nachbarschaft. Gegenüber von ihrer Wohnung liegen die Heynhöfe. „Es ist nicht nur ein geschichtsträchtiger Ort, sondern eine Anlaufstelle für alle“, so Moriano über die Gewerbehöfe, die auf den Stuhlrohrfabrikanten Fritz Heyn zurückgehen.
Heute befinden sich dort eine alte Theaterwäscherei, eine Tischlerei und Künstler haben sich angesiedelt, genauso wie die Eventlocation Fritz Heyn. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen statt, welche von der Nachbarschaft gut angenommen werden, berichtet die Wundtherapeutin. Für die 44-Jährige ist es ein Anlaufpunkt, um bekannte aber auch neue Gesichter aus der Nachbarschaft zu treffen. „Wat, du wohnst schon so lange hier“, erzählt Moriano von Begegnungen. Auch innerhalb der Hausgemeinschaft verabrede man sich öfter, um ins Fritz Heyn zu gehen. „So ein Ort, wie das Fritz Heyn, bedeutet Zuhause für mich. Einfach, weil es so eine familiäre Stimmung ausstrahlt.“
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Zuhause im Kiez macht die Berlinerin auch an der vorhandenen Hilfsbereitschaft fest – „dass man untereinander auf sich aufpasst.“ Sie erzählt, dass nach ihrer Knieoperation viele Nachbarn sich angeboten haben, ihre Hunde auszuführen. Andrerseits versorge sie Nachbarn mit selbst gebackenem Brot oder man leihe sich Lebensmittel. „Wir unterstützen uns untereinander, das macht Zuhause aus.“
Durch die Hunde käme sie mit weiteren Menschen aus dem Kiez in Kontakt. „Von einem ersten ‚Hallo! Guten Tag, guten Weg‘ redet man irgendwann ein paar Sätze mehr“, so Moriano. Mit manchen der Hundebesitzer seien Freundschaften entstanden. „Meist treffe ich die Menschen im Kiez per Zufall“, und dabei handele es sich häufig um die gleichen Gesichter, mit denen sie ins Gespräch käme. Und diese alltäglichen Begegnungen kreieren ein Kiezgefühl.
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