Berlin. Es war ein verzweifelter Kampf um das Leben eines jungen Mannes am Ufer eines Berliner Sees, in dem man nicht baden darf. Der 17-jährige Schwimmer hat diesen Kampf am Sonnabend verloren. Bei Sonnenuntergang erklärte ihn die Feuerwehr für tot.
Mehrere Zeugenberichte, die der Morgenpost bekannt sind, lassen ein Drama erahnen: Demnach hatte sich der Jugendliche offenbar an einer der tiefsten Stellen des Weißen Sees nahe der Fontäne in einer Schlingpflanze verfangen, geriet in Panik und ging vor den Augen von Freunden und Verwandten unter.
Dieser erste schwere Badeunfall in diesem Jahr am bis dato wärmsten Tag des Jahres versetzt Weißensee in Schock. Obwohl das Baden an der Unglücksstelle strikt verboten ist und obwohl das Bezirksamt Pankow kurz vorher eben aus Sorge vor Bade-Toten eine Kampagne gegen illegales Wildbaden ins Leben rief, steigen an heißen Tagen Hunderte ins Wasser – auch nach der Meldung, dass ein junger Mann starb.
Wirt des „Milchhäuschens“ in Weißensee stand im Mittelpunkt des Dramas
„Das ist ein Scheiß-Gefühl“, sagt Oswald Wachenbrönner, Wirt des Milchhäuschens am Nordufer des Weißen Sees. Er geriet am Sonnabend in den Mittelpunkt des Dramas. „Eine Gruppe Jugendlicher stand plötzlich bei uns auf der Terrasse und schrie, dass jemand stirbt“, erzählt der Gastronom. Wachenbrönner kontaktierte die Feuerwehr, holte sofort Hilfe von Rettungsschwimmern des Strandbads Weißensee – dem einzigen Ort an dem Gewässer, wo man baden darf. An heißen Tagen sind die Retter dort maximal gefordert. Trotzdem versuchten sie, dem verunglückten Schwimmer am entgegengesetzten Ufer mit einem Motorboot zur Hilfe zu eilen. Vergeblich.
„Es ist das gleiche Spiel wie jedes Jahr“, kritisiert Wachenbrönner. „Es muss dafür jemand die Verantwortung übernehmen. Aber niemand kümmert sich.“ Seitdem er vor einigen Jahren selbst eine Wasserleiche an Land zog, kämpft er dafür, dass der Bezirk Pankow das Badeverbot wirksam umsetzt.
Pankower Stadträtin: Lebensgefahr wegen Strömungen und Wasserpflanzen
Stadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU), seit November im Amt, versucht in Weißensee Verhältnisse zu verändern, die sich über Jahre verfestigt haben. Lange Zeit gab es keine Warnschilder an illegalen Badestellen, jahrelang wurde Wildbaden geduldet. Anders-Granitzki weist immer wieder auf problematische Gewohnheiten hin.
Nun, da die neuen Schilder mit Parkregeln und zum Badeverbot von Unbekannten wieder abgerissen wurden, versucht sie es vor dem nächsten heißen Wochenende mit einem Warnruf: „Angesichts des zu betrauernden Todes eines viel zu jung verstorbenen Menschen, der sich außerhalb des erlaubten Badebereichs zugetragen hat, fordere ich die Besucherinnen und Besucher des Parks Am Weißen See dringend auf, das Baden in den hierfür nicht geeigneten Bereichen zu unterlassen. Das auf den ersten Blick auch an diesen Stellen gefahrlos mögliche Baden birgt – wie uns auf so tragische Weise leider erneut vor Augen geführt wurde – unvorhersehbare Risiken für Leib und Leben“, mahnt die Stadträtin, das Wildbaden zu unterlassen.
Ordnungsamt Pankow darf selbst entscheiden, wie Baden bestraft wird
Dies sei nicht nur strikt verboten, sondern sehr riskant, vor allem im Bereich an der Fontäne in der Mitte des Sees. Dort entstünden durch den Betrieb „gefährliche Strömungen“. Auch der „üppige Bewuchs an Schlingpflanzen“ berge die Gefahr, sich zu verheddern und dadurch in Panik zu geraten.
Weiterhin soll das Ordnungsamt Pankow an den Ufern des Weißen Sees die Regeln durchsetzen und laut Anders-Granitzki dabei nach dem „Opportunitätsprinzip“ vorgehen. Dabei schätzen die Kräfte selbst ein, inwiefern sie beim Ertappen von Schwimmern eine Verwarnung aussprechen oder ein Strafverfahren einleiten. Die Einschätzung kann vorsehen, ein Verwarn- oder Bußgeld zu verhängen – oder auf ein Verfahren zu verzichten.
Umweltamt Pankow will illegales Badeufer des Weißen Sees mit Schilf zupflanzen
Aus Sicht der Berliner Polizei ist die Sache klar: Das Durchsetzen von Regeln und verhindern weiterer Bade-Toter ist Angelegenheit des Bezirksamts Pankow. Man könne nur dann präventiv eingreifen, wenn das Ordnungsamt Hilfe anfordert und um gemeinsame Einsätze bittet, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.
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Mittelfristig sollen die illegalen Badestellen am Nordufer auf natürliche Weise verschwinden. Im Rahmen einer über fünf Millionen Euro teuren Sanierung des Parks am Weißen See will Pankows Umweltamt die durch Wildbaden und Wasserverlust stark beschädigten Uferstellen mit Schilf zuwachsen lassen, wie Experten nun im Ausschuss für Grünanlagen berichtet haben. Es geht also darum, den Zustand wiederherzustellen, wie er am Weißen See existierte, bevor das illegale Wildbaden und die Übernutzung des Parks zu schweren Umweltschäden führte.
Vorschlag für neue legale Badestelle am Weißen See polarisiert
Um das Zuwachsen des Ufers mit einem neuen Angebot auszugleichen, lässt Stadträtin Anders-Granitzki nun die Eröffnung einer zusätzlichen legalen Badestelle für den Sommer 2023 prüfen – mit Platz für 300 bis 500 Besucher und Rettungsschwimmern. Ein Vorschlag, der polarisiert. „Dadurch würden wir noch mehr Badegäste anziehen, die im sanierten Park womöglich Schäden anrichten“, befürchtet der SPD-Ordnungsexperte Mike Szidat einen ungewollten Nebeneffekt. Bei er CDU betont David Paul hingegen große Vorteile: „Dadurch wäre der Besucherandrang am Weißen See an einer erlaubten und bewachten Stelle kanalisiert.“
Und was meint Oswald Wachenbrönner vom Restaurant Milchhäuschen? Auch er befürchtet, dass der Bezirk mit einer neuen Badestelle am extrem verkehrsgünstig gelegenen Stadtbiotop neue Probleme anzieht und rät: „Man sollte sich lieber unter der Plansche im Park abkühlen.“ Denn ertrinken könne dort niemand.
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