Zwölf Stunden

Kulturbrauerei - ein Besuch in der Festung der Kiezkultur

| Lesedauer: 6 Minuten
Franz Michael Rohm
PR-Manager Johannes Martin prüft das neue Monatsplakat für die Veranstaltungen im „Kesselhaus“

PR-Manager Johannes Martin prüft das neue Monatsplakat für die Veranstaltungen im „Kesselhaus“

Foto: Jörg Krauthöfer

Die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg war einst die größte Brauereistätte Berlins. Heute beherbergt sie Cafés und Veranstaltungsorte.

10:45 Uhr Das Backsteinensemble steht trutzig wie eine Burg an der Schönhauser Allee. So hatte der Berliner Architekt Franz Schwechten es Ende des 19. Jahrhunderts zur größten Brauereistätte Berlins erweitert und ausgebaut. Rund um die sieben Höfe befanden sich auf 25.000 Quadratmetern Fläche Sud- und Brauhäuser, Fasslager, Eiskeller, Remisen für Pferde und Auslieferungswagen. 1920 war die neue Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei die weltgrößte Lagerbierbrauerei. Nach dem Krieg als VEB-Schultheiss-Brauerei weitergeführt, endete der Brauereibetrieb 1967. Das Gelände wurde unter Denkmalschutz gestellt und nach der Wende sukzessive für mehr als 100 Millionen D-Mark als Kulturprojekt saniert. Heute besuchen über 1,5 Millionen Gäste im Jahr Hunderte von Veranstaltungen. Manche Touristen leihen sich dort auch Räder. Sascha Möllering von Berlin on Bike gibt Helme und Westen für die beliebte Tour „Street Art Berlin“ aus. Sie dauert 3,5 Stunden und kostet 24 Euro, inklusive Leihrad. Der 43-Jährige hatte als Marketing-Fachmann gearbeitet, bevor er sein Hobby zum Beruf machte.

11:10 Uhr „Das Museum finden Sie im letzten Hof“, erklärt Stefanie Gronau zwei Touristen aus den Niederlanden. Die 49-Jährige arbeitet im Büro des Kultur- und Tourismusmarketing Berlin-Pankow. Bis 19 Uhr hat die Informationsstelle im Haus 2 geöffnet. „Rund 60 Prozent unserer Kunden kommen aus dem Bundesgebiet, 40 Prozent sind ausländische Touristen“, sagt die Projektleiterin. Sie bietet auch Führungen über das Gelände an.

12:20 Uhr Auf 600 Quadratmetern stellt die Stiftung „Haus der Geschichte“ im „Museum in der Kulturbrauerei“ den Alltag in der DDR aus. Bei freiem Eintritt können Besucher etwa einen original erhaltenen Zeitungskiosk aus Arneburg, einen Trabi mit Zelt auf dem Dach oder das Wohnzimmer des Liedermachers Ekkehard Maaß besichtigen. Bildungsreferentin Gundula Dicke zeigt „ein typisches West-Paket. Damit erklären wir Schulklassen den Zusammenhalt der Menschen zwischen West und Ost“, sagt die Historikerin.

13:40 Uhr PR-Manager Johannes Martin betrachtet im „Kesselhaus“ das frisch gelieferte Monatsplakat für die 1000 Besucher fassende Spielstätte und das Maschinenhaus mit 250 Stehplätzen. „Unser Spektrum reicht von Ethno über Jazz, Elektro, Rock bis Folk“, sagt der gebürtige Köpenicker. Etwa 50 Menschen arbeiten im Team der beiden Veranstaltungsorte. Eines der Highlights im „Kesselhaus“ ist das jährliche Konzert der Band „17 Hippies“, die hier auch ihr Büro haben.

14:10 Uhr Wenn angeliefert wird, packt Verleger Christoph Links vom gleichnamigen Verlag mit an. Zusammen mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden 150 Bände der neuen Biografie über den ehemaligen BND-Chef Reinhard Gehlen in den dritten Stock befördert. „Politik und Zeitgeschichte sind nach wie vor unsere Schwerpunkte“, sagt der Verleger.

15:05 Uhr Im 180-Quadratmeter-Saal der Schule „Center of Dance“ unterrichtet Cathy Waldmann eine Gruppe sechsjähriger Mädchen in Ballett. „Wir haben 23 ausgebildete Tanzlehrerinnen und Tanzlehrer und einen zweiten Saal“, berichtet Geschäftsführer Oliver Detelich. Angeboten werden neben Ballett auch Breakdance-Kurse, Hip-Hop, Modern/Jazz, Power Yoga, Pilates und Zumba.

16:50 Uhr Auf der Bühne des Theaters „RambaZamba“ gibt Hans Matter heute den „Tatortreiniger“. Der 43-Jährige wischt literweise Theaterblut auf. „Wir haben mit Jonas Sippel ,Die Nibelungen‘ auf eine Stunde eingedampft. Bekanntermaßen überlebt am Schluss nur Kriemhild“, erklärt Jacob Höhne, „da muss viel aufgewischt werden.“ Höhne ist Intendant von Deutschlands bekanntestem Inklusionstheater. Nächste Premieren sind „Die Frauen vom Meer“ nach Ibsen und „Moby Dick“ nach Melville.

17:10 Uhr Holger Hartenhauer vom „Soda-Club“ trifft sich mit Schülern einer zwölften Klasse aus Friedrichshain. „Sie wollen in einem Teil des „Soda“ eine Abifinanzierungsparty veranstalten, mit deren Erlös ein Teil des Abiballs 2018 finanziert werden soll“, erklärt der 41-Jährige aus Brandenburg. Neben solchen Sonderveranstaltungen finden im „Soda“ je zweimal die Woche Salsa-, Bachata-, und Kizomba-Tanzkurse statt. Freitag und Samstag ist der „Soda Club“ besonders angesagt. Es gibt dort auch noch ein Restaurant mit Bar.

18:20 Uhr Wenn Not am Mann ist, steht Cinestar-Kino-Theaterleiter Frank Schlumm auch an der Kasse. „Gerade im Winter ist der Krankenstand zeitweise hoch“, sagt der 37-Jährige. Nächsten Dienstag präsentiert die kanadische Regisseurin Jo-Anne Velin ihre Doku über den Brandanschlag 2015 in Sachsen-Anhalt und seine Auswirkungen.

18:40 Uhr „Jetzt wird es voll, die Ladies haben Feierabend“, sagt Susann Hellriegel vom Frauenfitness-Center „Lady Company“. Die ausgebildete Fitnesstrainerin aus Dresden betreut mit einer Kollegin mehr als drei Dutzend Frauen an über 100 Maschinen. „Die meisten wissen genau, was sie machen wollen. Aber wenn eine Frau neu ist und unser Cybercrossing probieren will, geben wir Anleitung.“ Sie selbst trainiert fünfmal die Woche.


19:30 Uhr Alex Knoke vom „Frannz Club“ macht den letzten Check, bevor das Programm um 20 Uhr beginnt. „Wir versuchen, an sechs Tagen die Woche Programm zu machen, unser Restaurant hat täglich geöffnet“, sagt der 43-jährige Publizist. Das Spektrum im Club reicht vom Poetry Slam bis zu Hardrock-Konzerten. Immer voll ist der 450 Stehplätze fassende Raum bei Sarah Kuttners „Nerd Nacht“ und bei „Tiere streicheln Menschen“.

21:30 Uhr In der „Alten Kantine“ bereitet sich Ingo Witzmann auf den Umbau vor. Von „Seitenquiz, dem verstörend anderem Kneipenquiz“ muss auf die 90er-Party „Everybody dance now“ umgestellt werden. Witzmann ist seit über 20 Jahren dabei, zuerst als Gast, dann Aushilfe, später als einer der Betreiber der „Alten Kantine“ und vom „Frannz Club“. „Unglaublich, wie sich alles entwickelt hat“, sagt der 49-Jährige. „In der Alten Kantine haben wir jede Woche mindestens acht Veranstaltungen.“

Kulturbrauerei, Eingänge Knaackstraße 97, Schönhauser Allee 36, Sredzkistraße 1, Tel. 44 35 26 14, www.kulturbrauerei.de

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