Berlin. Die Feuerwache an der Oderberger Straße ist die dienstälteste Wache. Ob Brände löschen oder Leben retten, hier startet jeder Einsatz.
7:20 Mit dem morgendlichen Briefing hat in der prominenten dienstältesten Feuerwache Deutschlands die zwölfstündige Tagesschicht begonnen. „Mittlerweile sind wir sogar in Touristenführern aufgeführt“, sagt Wachabteilungsleiter Bernd Jäger, der sich gern für Besucher der Wache an der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg Zeit nimmt – solange kein „Alarm gefahren“ wird. Tagsüber sind 22, nachts 20 der mehr als hundert Mitarbeiter vor Ort. Sie rücken jeden Monat zu etwa 2000 Einsätzen aus. Im Ausnahmezustand, wie kürzlich nach den Stürmen „Xavier“ oder „Herwart“ werden es spürbar mehr. „Die Lage hat sich jetzt beruhigt, wir befürchten aber, dass noch viele Äste oder ganze Bäume locker sind, die bei der nächsten starken Böe herunterkommen könnten“, sagt Jäger.
8:30 Alarm. Im ganzen Haus blinken rote Lampen. Am Fernmeldeanlagetisch protokolliert und überwacht René Meißner alle Einsätze. Ausgelöst werden sie von der Leitstelle in Charlottenburg. Eine Software entscheidet, welche Einsatzkräfte und Fahrzeuge wo angefordert werden. Jeder Feuerwehrmann wird direkt angefunkt, parallel bekommt Meißner über den „Alarmdrucker“ Einzelheiten schriftlich und muss, wenn nötig, sekundenschnell objektbezogene Feuerwehrpläne aus Ordnern holen. „Das händige ich dem Staffelführer der einsatzbereiten Mannschaft aus und es geht los.“
9:40 Wie jeden Tag prüft Jörn Schmolke seine Einsatzkleidung: Jacke, Hose, Lederstiefel mit Stahlkappe und natürlich den Helm. Das ist nur die Grundausstattung. Die zwei Mitarbeiter, die bei einem Brand an vorderster Front in ein Gebäude müssen, schleppen insgesamt an die 50 Kilo Equipment. „Neben der Einsatzmontur kommen da Atemschutzgeräte, eine Ramme, Brechwerkzeug, ein metallener Schlauchtragekorb, das Schlauchpack, eine Feuerwehraxt, eine Feuerwehrleine und ein Rauchvorhang dazu“, sagt Schmolke.
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10:25 Auf dem Hof erklärt Hauptbrandmeister Mathias Werner einer Kitagruppe die Ausstattung eines Löschfahrzeugs. Den großen „Feuerwehrfön“ zur Rauchbeseitigung zum Beispiel oder den modernen Sprungretter – damit können zwei Feuerwehrleute aus dem Fenster springende Personen retten, wo früher 16 Mann ein Tuch halten mussten. „Zwei bis dreimal die Woche betreue ich Kindergruppen“, sagt Werner, „das gehört zum alltäglichen Geschäft.“ Er ist ausgebildeter Brandschutzerzieher und weiß kleine Gäste zu faszinieren. Am Ende darf jeder mit einem echten Feuerwehrschlauch den Löscheinsatz üben.
11:10 Es duftet aus der Küche. Das Mittagessen in der Wache kochen sich die Kollegen selbst. Jeder ist einmal an der Reihe, talentierte Köche wie Frank Müller werden besonders gern verpflichtet. Er schmeckt gerade die Soße ab, „heute gibt es Hähnchenkeulen mit Rotkohl und Kartoffeln“.
11:50 Silvio Reinke kommt von einem Einsatz am Leipziger Platz zurück. „Technische Hilfeleistung plus Notfall“, sagt er, „wir waren als First Responder noch vor dem Rettungswagen da.“ Der musste aus Spandau angefordert werden, weil kein anderer in der Nähe verfügbar war. Wie häufig, stellte sich der Einsatz als viel Aufregung um fast nichts heraus. „Ein Rollerfahrer ist gestürzt und hat sich eine Schürfwunde zugezogen.“
12:45 Nicht nur der Kaffee, auch das Mittagessen wird bei der Feuerwehr häufig kalt. Mitten in der Essenspause schrillt wieder einmal Alarm – diesmal wird ein Brand um die Ecke in der Kastanienallee gemeldet. Da darf kaum einer sitzen bleiben, denn in so einem Fall rücken drei große und ein kleines Einsatzfahrzeug aus, insgesamt 17 Mann. Nach einer halben Stunde kann Entwarnung gegeben werden. Ein Wasserkocher war in Brand geraten, Bewohner hatten das Feuer schon selbst gelöscht. „Gerade rechtzeitig“, wie der Einsatzleiter berichtet, „das hätte richtig Arbeit für uns werden können.“
14:15 In der Mannschaftskabine des großen Löschhilfeleistungsfahrzeugs kontrolliert Nikolai Redecker die Druckanzeige der Pressluftatmungsgeräte, die im Einsatz wie Rucksäcke aufgeschnallt werden. „Da sollten in der Regel 300 bar drauf sein“, sagt er. Nikolai ist Azubi und als Teil der Angriffstrupps bereits mit diesen Geräten im Einsatz. „Wir haben einen Bewegungslosmelder dran, der Alarm auslöst, sobald man sich nicht mehr bewegt und verunglückt sein könnte“, sagt er. Ein zweiter Atemluftanschluss und eine verschweißte Rettungshaube zum Schutz vor Rauch und Qualm dienen der Menschenrettung und gehören ebenso zum schweren Rückenpack.
15:35 Wer steuert eigentlich die große Feuerwehrleiter? Im Grunde nicht nur einer, aber in seiner Funktion als „Fahrzeugführer der Drehleiter“ ist heute Staffelfahrzeugführer Lars Krieger verantwortlich. Auf eine Länge von 30 Meter lassen sich die Rettungsleitern ausfahren. „Wenn es Ernst wird, ist es ganz wichtig, den richtigen Aufstellort zu finden“, sagt Krieger. „Das ist Teamarbeit mit dem Maschinisten – so heißen die Fahrer.“
16:00 Ralf Garçon ist als Sanitäter eingeteilt und füllt nach dem Einsatz in einer Kita den Notfallrucksack im Rettungswagen mit Kältekompressen und Rollschienen auf. Materialien, die bei der Versorgung eines zweijährigen Kindes verbraucht wurden, das sich einen Arm gebrochen hatte. „Wir haben die Erstversorgung übernommen und dann das Kind gemeinsam mit der Mama ins Virchowklinikum in die Kinderchirurgie gefahren“, sagt Garçon.
17:40 In der Bekleidungskammer sucht Sebastian Schieck einen Stapel frisch gewaschener Uniformen nach seiner Arbeitsmontur durch. „Jeder hat seine persönliche Einsatzkleidung“, sagt Schieck, „die wird mindestens einmal im Quartal gewaschen – und nach jedem Brand.“ Bei seiner Jacke kontrolliert er, ob alles unbeschädigt ist und Details wie Reflektorstreifen, Taschen, Karabiner in Ordnung sind.
19:00 Schichtwechsel. Im Grunde ist die Übergabe fast gelaufen: Ab 18 Uhr sind die neuen Kollegen eingetroffen, haben am Dienstplan gelesen, auf welcher Position sie eingeteilt sind und sich vom entsprechenden Vorgänger den „Pieper“ bzw. Meldeempfänger geben lassen. Punkt sieben lässt der Meister vom Dienst die Mannschaft antreten. Der nächste Alarm lässt nicht lange auf sich warten.
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