Berlin. Das Bad ist nicht nur für Schwimmer attraktiv. Ein Besuch in einem der ersten Hallenbäder Berlins der Nachkriegszeit.

06:10 Eine große Halle mit selbsttragendem Dach steht an der Roedernallee. Bei den Berliner Bäder-Betrieben hat das Paracelsus-Bad die Nummer 36. Im Nachkriegs-West-Berlin war es die Nummer eins der neuen Hallenbäder. Die Zeiten medizinischer Wannenbäder sind lange vorbei. Nur ein kleines Büro für die Badebetriebsleitung wird noch genutzt. Alexander Kisner, stellvertretender Betriebsleiter, beginnt seine Frühschicht am PC mit der Aktualisierung des Schichtplans. „Wenn sich jemand krankmeldet, muss ich sehen, dass ich Ersatz bekomme“, sagt der 28-Jährige.

07:30 Badewartin Silvia Knopp fegt die denkmalgeschützten Damenumkleideräume. Knopp mag die sandfarbenen Fliesen und himbeerfarbenen Türen bei den Frauen. Bei den Männern sind sie resedagrün. „Darf nur nix kaputtgehen. Die Fliesen und die Türen müssen sonst extra angefertigt werden.“ Die gebürtige Reinickendor­ferin hat ihr Leben lang als Reinigungskraft gearbeitet, „früher bei der BVG, später bei Wegert“.

08:50 Laura Wähler ist seit einem Jahr in der Ausbildung als Fachangestellte im Bäder-Betrieb. Wenn Zeit ist, lernt die 17-Jährige. Derzeit geht es am Oberstufenzentrum Körperpflege um den Bereich Betriebs-Öffentlichkeitsarbeit. Am liebsten ist die trainierte Schwimmerin „am Kunden“. Nach ihrem Abschluss in zwei Jahren möchte sie gern im Bereich Schwimmunterricht und Aqua-Fitness arbeiten. Bis dahin gibt es noch einiges zu lernen.

09:25 Baki Kizar hat als Gas-Wasser-Installateur 1990 noch einmal umgesattelt und arbeitet seit 1995 im Paracelsus-Bad als Fachmeistergehilfe. Haupteinsatzstelle des 50-Jährigen ist die Sauna. Zwei 95-Grad-Saunen, eine davon Trockensauna, eine 85-Grad-Sauna, ein Dampfbad und eine Bio-Sauna, mehrere Eiswasserbecken und zwei Jacuzzis unter einem Holzdach lassen kaum Wünsche offen. Tipptopp sauber, mit maisgelben und türkisfarbenen Keramiksäulen zählt die Anlage zu den schönsten der Bäder-Betriebe. Immer zur halben Stunde macht Baki Kizar einen Aufguss. Zur Herbstzeit gern mit Eukalyptus und Menthol.

10:20 „Was kostet denn die Saunakarte mit Schwimmen?“, wollen zwei Studentinnen wissen. „15,50 die Drei-Stunden-Karte, die Tageskarte 19 Euro“, antwortet Kassiererin Yvonne Heidemann. Die 42-Jährige aus Hellersdorf ist über ihre Festanstellung bei den Bäder-Betrieben froh. Als Nächstes kommt die Kitagruppe Mittelbruchzeile. Die 24 Kinder erhalten Schwimmunterricht. Kitamitarbeiterin Celina Buchien regelt mit Yvonne Heidemann den Einlass. „Am besten nicht das Drehkreuz, sondern das kleine Tor“, meint Celina Buchien, und los geht’s mit viel Geschrei.

11:45 Die Schwimmhalle mit ihrem breiten Randbereich und einer Tribüne ist einzigartig in Berlin. Das 25-Meter-Becken wurde vor einigen Jahren mit einer neuen Stahlwanne ausgestattet. Betriebsleiter Lutz Kohlberg unterhält sich kurz mit Eva Böhme. Die 77-Jährige zieht fast täglich ihre Bahnen. Sie besitzt eine Premiumkarte der Bäder-Betriebe, mit der man täglich schwimmen gehen und zehnmal zu zweit die Sauna besuchen kann. „Trotz ihres Alters hängt die Dame im Freistil noch einige andere Schwimmer ab“, sagt der in Pankow lebende staatlich geprüfte Schwimmmeister bewundernd.

12:30 Die Einrichtung des Restaurants im Paracelsus-Bad ist etwas in die Jahre gekommen. Dafür werden die Gerichte alle täglich frisch zubereitet. „Die meisten Gäste nehmen das Tagesgericht“, erklärt Heike Hoffmann. Die 54-Jährige arbeitet seit 20 Jahren im Restaurant. Im Angebot ist Schweineschnitzel mit Pfeffer-Champignon-Soße, Kartoffeltaler, Salat und Dessert für 11,80 Euro. Im Sommer nutzen die Gäste eine große Gartenterrasse.

13:20 Detlef Bludau prüft im Technikraum unter dem Schwimmbecken an einer elektronischen Anzeige die Wasserqualität in Bad und Sauna. Das Paracelsus-Bad ist das einzige öffentliche Bad in Berlin, das sein Wasser aus einem eigenen Tiefbrunnen pumpt. „Deshalb ist unser Wasser so besonders weich“, erläutert der 50-Jährige. Versetzt wird es mit Ozon und geringen Mengen Chlor. In dem Raum stehen gigantische stählerne Wasserfilter. Umwälzanlagen erwärmen das Wasser auf 28 Grad.

14:10 Diego Santiallan stammt aus Argentinien und ist seit sechs Jahren mit einer Berlinerin verheiratet. Nachdem er zwei Jahre Deutsch gelernt hat, zählt er mit 46 Jahren zu den ältesten Auszubildenden der Berliner Bäder-Betriebe. „Ich war in Argentinien Rettungsschwimmer, das hilft mir viel“, erklärt er beim Rundgang am Becken. Zum Ausbildungsprogramm gehört, während jeder Schicht 1000 Meter zu schwimmen. „Man muss ja fit bleiben.“

15:30 Silvia Erbe gehört zu den wenigen festangestellten Masseurinnen, die noch bei den Bäder-Betrieben beschäftigt sind. Nach ihrer Ausbildung hat die 57-Jährige lange in Berliner Krankenhäusern gearbeitet. „Die haben aber unsere Stellen ausgelagert“, erzählt sie. Seit 17 Jahren massiert sie im Paracelsus-Bad, 14 Euro kosten 20 Minuten Rücken-Nacken-Massage, eine halbe Stunde Vollmassage kostet 21 Euro. „Die Massageabteilung hat eine eigene Telefonnummer, 49 87 76 26“, sagt die Charlottenburgerin.

16:15 Im Eingangsbereich herrscht bei Friseurin Eva Jaruszewski ordentlich Betrieb. Seit 15 Jahren schneidet die Frau aus Prenzlauer Berg mit ihren drei Mitarbeitern Badegästen zum Vorzugspreis die Haare. 19 Euro kostet der Nassschnitt bei ihr. „Die Kunden müssen nasse Haare vom Schwimmen haben, sonst wird es teurer“, sagt die Friseurin. Ihre Öffnungszeiten sind Dienstag bis Freitag, 9 bis 18 Uhr, Sonnabend, 8 bis 14 Uhr.

17:20 Fachkraft Dennis Niemke aus Reinickendorf übernimmt die Wache am Becken. „Nach Feierabend wir es hier ganz schön voll, da sind wir mindestens zu zweit am Becken“, erklärt er.

18:00 Yvonne Heidemann übergibt nach ihrer Mittelschicht die Kasse an den Spätdienst. Um 21 Uhr ist Badeschluss, eine halbe Stunde später müssen alle das Bad verlassen haben.

Paracelsus-Bad Roedernallee 200–204, Reinickendorf, Tel. 49 87 76-0, Di. 11–18, 20–21.30, Mi.–Fr. 6.30–21.30, Sbd. 10–17, So. 10–17 Uhr, www.berlinerbaeder.de