Zwölf Stunden

Im Schokoladenhaus Mitte dreht sich alles um Kakao-Produkte

| Lesedauer: 6 Minuten
Ulrike Borowczyk
Patricia Becker, Chef de Rang im Schokoladencafé, bedient die ersten Kunden

Patricia Becker, Chef de Rang im Schokoladencafé, bedient die ersten Kunden

Foto: Sergej Glanze / Glanze/Berliner Morgenpost

Kunden können in der Manufaktur Rausch den Chocolatiers bei der Arbeit zusehen, die Produkte genießen oder sie mit nach Hause nehmen.

Berlin. 6:00 Nachdem Thomas Jaeschke einen weißen Kittel und ein Haarnetz angelegt hat, werden noch die Schuhsohlen maschinell gereinigt und die Hände desinfiziert. Bestens gerüstet, kann der Leiter der gläsernen Schokoladen-Manufaktur der Firma Rausch nun die Halle betreten und die Maschinen anstellen. In einer Mischung aus Handwerkskunst von Chocolatiers und Hightech werden hier täglich über 400 Kilo Schokolade und Pralinen hergestellt. Alle aus Edelkakao. Im Gegensatz zum billigen Konsumkakao von Massenprodukten. Viel zu sehen ist noch nicht so früh am Tage. Aber köstlicher Schokoladenduft liegt bereits in der Luft.


8:12 In der Patisserie nebenan herrscht schon emsige Betriebsamkeit. Unter der Aufsicht von Daniela Egger werden die Törtchen für das hauseigene Schokoladenhaus am Gendarmenmarkt hergestellt. „Sauberkeit hat dabei Priorität. Außerdem müssen wir zügig arbeiten, damit die Produkte nicht in der Wärme stehen“, erklärt die Teamleiterin. Dafür werden die Törtchen in den Formen Schritt für Schritt geschichtet. Gelee folgt Biskuit, getränkt mit Läuterzucker, dann wird eine lockere Mousse darauf gegeben, bevor eine Schokoladenmanschette das Kunstwerk zusammenhält. Anschließend wird mit selbst gemachtem Schoko-Dekor garniert. Bon Appetit!


9:47 Patricia Goergen nascht Schokolade. „Das heißt bei uns Qualitätskontrolle“, scherzt sie. Anfang des Jahres hat sie ihre Ausbildung zur Konditorin in der Patisserieabteilung beendet. Ihr Traumberuf. Am liebsten kreiert sie neue Törtchen. Wie die Schwarzkirsch-Mohn-Sinfonie, verführerisch ummantelt von dunkler Schokolade. Früher war Vollmilchschokolade Patricia Goergens Favorit. Mittlerweile schätzt sie jedoch die handgemachten Plantagen-Schokoladen: die 60-prozentige aus Peru und die 70-prozentige aus Ecuador. Edle Schokolade knackt übrigens, wenn man sie bricht.


11:36 Die Edelkakaos, die Rausch verwendet, gedeihen in einem schmalen Band um den Äquator. Die Manufaktur hat eine eigene Plantage in Costa Rica und Partnerplantagen in anderen Ländern. Man setzt auf Direct Trade. Der direkte, persönliche Kontakt ist Firmenphilosophie. Kakaobiologin Christina Rohsius kommt gerade aus Costa Rica und Ecuador. „Wir besuchen die Plantage mindestens einmal im Jahr“, sagt sie. Dort prüft sie Aroma und Qualität, gibt aber auch Know-how weiter. „Dadurch stellen wir sicher, dass wir die richtige Menge an Kakao zur richtigen Zeit bekommen. Dafür sind wir bis zu 60 Tage im Jahr unterwegs“, erzählt sie. Auch Patricia Beckers Kunden im Schokoladencafé schätzen die Qualität. Heiße Schokolade aus Edelkakao wird auch vormittags gern geordert.


13:28 Obwohl sein Terminkalender eng gesteckt ist, wirkt Robert Rausch entspannt. „Das vierte Quartal ist die absolute Hochsaison für die Süßwarenbranche. Eine wilde, spannende Zeit“, verrät Rausch. Als Geschäftsführer leitet der 30-Jährige das im Jahr 1918 gegründete Familienunternehmen in fünfter Generation. Seine Mission: „Wir wollen die Sicht auf Schokolade verändern. Jeder kennt und liebt sie, aber die wenigsten wissen, wie eine Kakaofrucht aussieht und wie viel Arbeit dahinter steckt.“ Für ihn gehören nur die besten Rohstoffe in die Schokolade. „Dann braucht man keine Aromen“, betont er. Auf sein Betreiben hin gibt es Rausch-Produkte seit drei Jahren nur noch im Schokoladenhaus in Mitte und im Onlineshop. Der gewagte Schritt hat sich gelohnt. Momentan lässt der Chef im Nachbargebäude eine neue Logistik bauen. Der Erfolg zieht allerdings auch mehr Arbeit nach sich: Um 16 Uhr ist Robert Rausch zum Verpacken der Online-Bestellungen eingeteilt.


14:09 Während Wilma Schurai die roten Faltschachteln zusammensetzt, legen die anderen Damen im Packraum die mit buntem Stanniol umwickelten Tannenbäume und Weihnachtsmänner in einzelne Fächer. „Süße Weihnacht“ heißt die Zusammenstellung von zehn Figuren, die im Advent reißenden Absatz haben dürfte. „Die Packungen werden noch mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum gestempelt“, erklärt Wilma Schurai und schiebt die Figuren in die Schachtel. Bis zu ihrer Pensionierung Ende des Jahres organisiert sie noch die Arbeiten im Packraum.

15:14 Im Rausch Schokoladenhaus, dem größten seiner Art der Welt, herrscht Hochbetrieb. Berliner und auch Touristen geben sich hier die Klinke in die Hand. Die meisten verfallen in diesem Schlaraffenland umgehend dem Kaufrausch. Andere wollen eigentlich nur die aufwendig aus reiner Schokolade gefertigten Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor oder den Reichstag sehen. Sie kommen aber dennoch mit Pralinen, Schokoladen und Gebäck wieder heraus. Widerstand ist zwecklos. Erstverkäuferin Manuela Gastner liebt das aufgeregte Treiben. Aktuell bietet sie den Kunden an der längsten Trüffel- und Pralinentheke Europas Schoko-Florentiner zum Probieren an. Sie weiß: „Die haben Suchtpotential.“

16:53 Im kommenden Jahr, zum 100. Geburtstag von Rausch, bekommt das Schokoladenhaus eine weitere Etage, eine Erlebniswelt rund um die Schokolade. Dann wird das Schokoladencafé nicht mehr in der zweiten, sondern in der dritten Etage sein. Der Blick auf den Gendarmenmarkt wird so noch exklusiver. Ein Besuch ist aber stets etwas Besonderes. Findet auch Patricia Becker, Chef de Rang im Café: „Wo sonst gibt es heiße Schokolade aus Edelkakao?“ Oder 14 verschiedene Törtchen aus der Patisserie. Darunter ein verführerischer Orangen-Cheesecake-Triple und natürlich die Schwarzkirsch-Mohn-Sinfonie von Patricia Goergen.


18:27 Gut 3000 Kunden pro Tag besuchen das Schokoladenhaus am Gendarmenmarkt. Viele aus aller Welt. „Englisch ist bei uns Grundvoraussetzung. Wir haben insgesamt eine große sprachliche Vielfalt unter den Kollegen“, weiß Erstverkäufer Moritz Maschefski. Für eine Beratung angesichts der zahllosen süßen Verführungen ist also in jedem Fall gesorgt. Seine schönsten Momente erlebt Moritz Maschefski denn auch mit den Kunden. „Wir sind die erste Adresse, wenn jemand ein Geschenk braucht“, sagt er selbstbewusst. Für ihn ist klar, dass Schokolade einfach glücklich macht: „Alle Kunden, die den Laden verlassen, lächeln.“

Rausch Schokoladenhaus, Charlottenstr. 60, Mitte, Tel. 0800/030 19 18, Schokoladen-Café Mo.–So. 11–20 Uhr, Geschäft Mo.–Sbd. 10–20, So. 11–20 Uhr, 24. & 31.12. 11–16 Uhr, 25. & 26.12. 11–18 Uhr, 1.1. geschlossen. Info und Onlineshop: www.rausch.de