Berlin. Robert Andrich machte erst gar nicht den Versuch, seine Enttäuschung zu verbergen. In eine dicke Decke gehüllt, ließ der Mittelfeldspieler des 1. FC Union seinem Frust freien Lauf. „Das ist total bitter, dass du mit so einer Leistung gar keinen Punkt mitnimmst“, sagte Andrich nach dem 2:3 (1:1) gegen Bayer Leverkusen. Und: „Alle drei Gegentore waren vermeidbar, das war naiv von uns. Wir haben Leverkusen sehr wenig gestattet. Aber das, was wir zugelassen haben, war viel zu einfach.“
Andrich hatte ohne Umschweife, so wie er es immer tut, das zusammengefasst, was alle im Lager des Aufsteigers dachten. „Das ist schwer zu akzeptieren“, ließ Andrichs Teamkollege Christian Gentner wissen. Sein Tor zum 1:0? „Das Spiel nach so einer Partie keine Rolle mehr.“
Trainer Urs Fischer bilanzierte einen eigentlich guten Fußball-Nachmittag wie folgt: „Wir haben es fertig gebracht, Leverkusen auch immer wieder zu Fehlern zu zwingen. Dann kommst du nochmal heran und solltest dann eigentlich den Riegel vorschieben. Aber Leverkusen war effizienter als wir.“
Union Berlin ist aktiv und mutig
Seine Mannschaft habe seit dem Hinspiel dazugelernt, hatte Trainer Fischer im Vorfeld der Partie gegen den Europa-League-Teilnehmer gesagt. Zumindest die erste Halbzeit sollte die Feststellung des Schweizers bestätigen.
Nicht nur warten und verteidigen sollten seine Profis – Union spielte aktiv gegen den Leverkusener Ballbesitz an, das gefiel der Werkself gar nicht. Mutig sein sollten sie, wenn sie den Ball in den eigenen Reihen haben – Union näherte sich nicht überhastet und in vielen Situationen klug und kombinationssicher dem Leverkusener Tor.
Ja, Fischers Mannschaft hat dazugelernt, davon konnten sich die 22.012 Zuschauer in der ausverkauften Alten Försterei überzeugen. So entwickelte sich ein veritables Fußballspiel, in denen der Aufsteiger aus Köpenick nicht die schlechtere Mannschaft gewesen ist.
Gentner trifft mit einem Traumtor
Auf einer Position hatte Fischer seine Startformation verändert. Marvin Friedrich war nach seiner Gelb-Sperre wie erwartet wieder in die Innenverteidigung zurückgekehrt, Florian Hübner musste für ihn weichen. Dass der Coach ansonsten der Formation vertraute, die zuletzt 2:0 bei Werder Bremen gewonnen hatte, sollte sich auszahlen.
Keine sieben Minuten waren gespielt, als sich Union für seinen Mut belohnte. Robert Andrich hatte auf der linken Seite Marius Bülter auf die Reise geschickt. Der der zweifache Torschütze gegen Bremen passte in die Mitte, wo Sebastian Andersson und Yunus Malli jedoch schon einen Schritt zu weit waren, um den Ball entsprechend zu verwerten.
Für eine Vorlage reichte es aber noch: Malli spitzelte das Spielgerät zurück an die Strafraumgrenze zu Christian Gentner. Und Unions Mr. Bundesliga fackelte nicht lange und drosch den Ball oben links unter die Latte – das 1:0 war der Effekt einer bemerkenswert sicheren Anfangsphase der Köpenicker, in der Andersson (3.) und Friedrich (6.) bereits gute Möglichkeiten ausgelassen hatten.
Havertz düpiert Union-Torwart Gikiewicz
Bayer-Trainer Peter Bosz reagierte und stellte seine Defensive von Dreier- auf Viererkette um. Eine Maßnahme, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Der Favorit hatte fortan mehr vom Spiel, sah sich jedoch laufstarken Unionern gegenüber. Wenn es bei Leverkusen mal gefährlicher wurde, dann war meist Kai Havertz beteiligt.
Dass der Nationalspieler den Ausgleich erzielte – und vor allem wie – zeugt von der enormen technischen Qualität, die die Gäste mitbrachten. Nachdem Jonathan Tah den Ball einfach nach vorn gebolzt hatte und dieser von Lars Bender per Kopf weitergeleitet worden war, lupfte Havertz den Ball über Torwart Rafal Gikiewicz zum 1:1 ins Tor.
Bayer-Fans sorgen mit Pyro für Unterbrechungen
Auch nach der Pause wäre es ein prima Fußball-Nachmittag geblieben – wenn die Fans der Leverkusener nicht auch ihren hohen Grad an Unbelehrbarkeit dokumentiert hätten. Wenige Minuten nach Wiederanpfiff fackelten viele im mit gut 2000 Fans gefüllten Gästeblock zahlreiche Pyros ab, auch kleinere Raketen flogen in Richtung Spielfeld.
Schiedsrichter Harm Osmers musste die Partie wegen starker Rauchentwicklung mehrere Male unterbrechen, nach gut einer Stunde schickte er beide Mannschaften sogar für zwei Minuten vom Feld. Bayer-Kapitän Lars Bender lief zur Beruhigung vor den Leverkusener Block.
So näherte sich eine spielerisch ereignisarme Partie einer spektakulären Schlussphase. Leverkusens Kevin Volland lupfte den Ball auf den eingewechselten Moussa Diaby, der an Gikiewicz vorbei zum 1:2 einschob (83.).
Union Berlin jubelt nach Bülter-Tor zu früh
Union warf nun alles nach vorn, brachte Sebastian Polter für Subotic – und konnte tatsächlich nochmals jubeln. Polter legte auf Marius Bülter ab, der vernaschte Sven Bender und schlenzte ins obere rechte Eck, ein Traumtor zum 2:2 (87.). Doch noch einmal sollte die technische Klasse der Werkself zum Vorschein kommen.
Karim Bellarabi narrte zunächst die gesamte Union-Abwehr, dann mit einer Körpertäuschung auch noch Torwart Gikiewicz und schoss zum 2:3 (90.+4) ein. Gikiewicz selbst verpasste in der siebten Nachspielminute per Doppelchance den Ausgleich.
„Beim ersten Tor fehlt die Absicherung, beim zweiten ist der Abstand zu groß und das dritte geht ins kurze Eck“, sagte Christopher Trimmel. Auch Unions Kapitän konnte sich nur schwer mit dieser Niederlage abfinden.
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