Zweite Liga

Effenberg fordert Union

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Michael Färber
Stefan Effenberg steht als Trainer des SC Paderborn vor seiner Premiere in der Alten Försterei

Stefan Effenberg steht als Trainer des SC Paderborn vor seiner Premiere in der Alten Försterei

Foto: Lars Baron / Bongarts/Getty Images

Beim Spiel zwischen Union und Paderborn kommt es zu einem Duell zweier Trainer, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Berlin.  Die Kollegialität unter den Trainern, das betont Sascha Lewandowski immer wieder, „ist schon sehr ausgeprägt und auch sehr wichtig“. Inwiefern der Coach des 1. FC Union Stefan Effenberg da schon mit einbezogen hat, lässt sich nur vermuten. Die Begrüßung, so viel ist sicher, wird am Sonnabendnachmittag jedenfalls freundschaftlich kollegial sein, kurz bevor Union die Zweitligapartie gegen den SC Paderborn angehen wird.

Lewandowski gegen Effenberg – wer vor der Saison auf ein solches Duell im Bundesliga-Unterhaus getippt hatte, wird jetzt den einen oder anderen Euro mehr auf seinem Konto haben. Es ist das Duell zweier Trainer, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Hier der Union-Coach, der in der Fußball-Branche einen ausgezeichneten Ruf besitzt, der breiten Öffentlichkeit jedoch eher durch seine Namensverwandtschaft mit Weltklassestürmer Robert Lewandowski bekannt ist. Dessen erster Gedanke Fußball ist, sein letzter kurz vor dem Schlafengehen auch. Der sich mit fast schon besessener Akribie in seine Aufgabe stürzt, um, wie er selbst sagt, das vorhandene Potenzial perfekt zu nutzen, um jeden Spieler und auch die Mannschaft immer besser zu machen. Lewandowski, 44, das Arbeitstier.

Wild küssend mit Ehefrau Claudia auf dem Oktoberfest

Auf der anderen Seite der SC-Trainer, dessen Präsenz in den Boulevard-Medien ebenso legendär ist wie einst jene auf dem Spielfeld, der sich als Trainer jedoch den Zusatz Novize gefallen lassen muss. Den jeder wegen seines Mittelfingers kennt. Der jedes Klischee bedient, das des Besserwissers als TV-Experte oder das des um Aufmerksamkeit heischenden Prominenten, der sich auf dem Oktoberfest mit seiner Ehefrau Claudia wild küssend fotografieren oder sich in einer Spielshow schon mal ein Herz auf den Arm tätowieren lässt. Effenberg, 47, der Partytiger.

Wurde das deutsche Fußball-Kontinuum schon dadurch verblüfft, dass sich ein Verein wie Union einen derart angesehenen Trainer sichern konnte, so schien es beim Engagement Effenbergs in Paderborn kurzzeitig völlig aus den Fugen zu geraten. Lewandowski und Effenberg verortet man doch mindestens in der Bundesliga. Und selbst dort nicht – bei allem Respekt – bei Klubs wie Mainz 05 oder Augsburg.

Doch während die Fachwelt Lewandowski durchaus zutraut, die bislang mehr schlecht als recht durch die Saison schwankenden Köpenicker in die Erfolgspur zurückzubringen, sieht sich die Allgemeinheit in Paderborn eher als Zuschauer einer Provinz-Posse.

Wenige trauen Effenberg zu, ein guter Trainer zu sein

Kaum jemand traut Effenberg, dem Champions-League- und Weltpokal-Sieger, dem Meister und Pokalgewinner, dem zu Unrecht zu oft geringgeschätzten besten Mittelfeldspieler seiner Zeit auch zu, ein guter Trainer zu sein. Doch Effenberg, das haben all die Jahre beim FC Bayern, in Mönchengladbach oder auch in Florenz gezeigt, ist jemand, der sich alles zutraut und dem alles zuzutrauen ist. Zugleich ist es die große Chance für den gebürtigen Hamburger, eben von jenem Image des arroganten Provokateurs, des ehrgeizigen Machos wegzukommen.

„Für den Einstieg in dieses Metier ist Paderborn eine Top-Adresse“, sagte Effenberg bei seinem Antritt. Das zeigt zum einen, wohin seine Reise als Trainer gehen soll: nach oben, nach ganz oben. Doch da ist auch jener andere Effenberg, der wissen lässt: „Wir wollen jetzt nicht abheben.“ Ziel müsse es sein, „so schnell wie möglich unten rauszukommen“. Wenn Effenberg sagt, er sei nur ein kleiner Teil von dem, was in Paderborn gerade entsteht, dann klingt das durchaus – glaubwürdig.

Effenberg war als Aktiver stets ein Teamplayer, einer, der als Kapitän auf dem Feld die Mannschaft immer mitgenommen hat. Einer, dessen Aura einen sofort in seinen Bann zieht. Nicht umsonst nennt Effenberg „Körpersprache“ als eines der prägnantesten, wenn nicht sogar das prägnanteste Charakteristikum seiner selbst.

Führungsrolle auch beim Schmücken der Wohnung

Glaubwürdig ist die Bodenständigkeit des Paderborner Effenbergs auch deshalb, weil sie eben jenen Mann widerspiegelt, den die Öffentlichkeit nicht kennt oder kennen will. Den Familienvater, der trotz aller Party-Promi-Geschichten sein Privatleben nicht komplett ausbreitet („Das brauche ich nicht“). Der die heimische Wohnung in München höchstselbst zu Weihnachten oder Ostern schmückt. Der einen grünen Daumen hat.

Dass der Hype um seine Person in Paderborn wieder auf Normalmaß mit der üblich geringen Anzahl an Trainingskiebitzen und Medienvertretern geschrumpft ist, „ist für uns wunderbar“, sagt Effenberg. In der Beschaulichkeit der Region Ostwestfalen-Lippe ohne ständiges Scheinwerferlicht zu arbeiten, ist so ganz nach seinem Geschmack. Sein Credo, immer besser zu werden als andere, leidet darunter keineswegs.

Wenn Unions Trainer Lewandowski nun sagt, „Paderborn hat sich lange unter Wert verkauft“, so ist das nicht zuletzt auf Effenberg zurückzuführen. Die zuvor unter Vorgänger Markus Gellhaus aussortierten Moritz Stoppelkamp und Süleyman Koc fanden sich bei Effenbergs Debüt gegen Braunschweig (2:0) in der Startelf wieder – und überzeugten. Lewandowski nennt sie „Waffen, mit denen Paderborn vergangene Saison in der ersten Liga gespielt hat“. Effenberg gab wie selbstverständlich zu verstehen: „Wenn man solche Qualität hat, muss man sie auch nutzen.“

Die Zweite Liga ist um eine Persönlichkeit reicher geworden

Die Augen der erhofften knapp 19.000 Zuschauer werden sich am Sonnabend jedenfalls auf Stefan Effenberg richten, wenn dieser erstmals die Alte Försterei betritt. Frank Wormuth, der Leiter der Trainerausbildung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), sagte einmal dazu: „Man merkt, wenn er einen Raum betritt.“

Effenbergs Kollege Lewandowski ist froh, dass die Zweite Liga um eine Persönlichkeit des deutschen Fußballs reicher ist. „Ich freue mich auf meinen Trainerkollegen“, so der Union-Coach. Schon am Tag der Vorstellung in Paderborn vor anderthalb Wochen hatte Lewandowski ihn „herzlich willkommen“ geheißen. Um aber noch im gleichen Atemzug hinterherzuschicken: „Wir wollen ihn trotzdem schlagen.“ Aller Kollegialität zum Trotz.