Berlin. Der Punktgewinn gegen den FC St. Pauli, dieses Last-Minute-Remis gegen die Hamburger Kiezkicker – wie soll man beim 1. FC Union damit umgehen? Abwehrspieler Benjamin Kessel hat da seine ganz persönliche Ansicht. „Mich erinnert die ganze Situation an Braunschweig in der vergangenen Saison. Da haben wir gegen Fürth 2:2 gespielt, ich habe beide Tore erzielt, den Ausgleich auch in der 93. Minute – und dann haben wir sechs Mal in Folge (fünf Mal in der Zweiten Liga und einmal im DFB-Pokal, d. Red.) gewonnen“, sagte der Schütze zum 3:3.
Der Optimismus sei ihm gegönnt. Aus ihm wird jedoch nur dann Erfolg für alle „Eisernen“ hervorgehen, wenn die Köpenicker eine, wenn nicht sogar die größte, Schwäche abstellen, die ein Klettern in obere Regionen bislang verhindert. Gemeint ist das Defensivverhalten. 20 Gegentore hat die Mannschaft von Trainer Sascha Lewandowski bereits nach elf Spieltagen auf dem Konto, nur Nürnberg (21), Fürth (22) und Schlusslicht Duisburg (24) haben mehr. Union ist hinten nicht ganz dicht.
So spricht Kessel von „einfachen Gegentoren“, die man immer wieder kassiere. Daran hat auch die Umstellung von der eher anfälligeren Dreierkette zurück zur Viererkette, mit der sich Union sichtlich wohler fühlt, nichts geändert. Es sind eben jene Fehler, durch die die Fortschritte, welche die Mannschaft ohne Zweifel macht, immer wieder in den Hintergrund gedrängt werden. Oder die 20 Tore, die Union bereits selbst erzielt hat – Rang vier im Ligavergleich.
Jeder Gegenangriff wird gefährlich
Auch Lewandowski sieht „20, 25 Minuten in der zweiten Halbzeit, in denen wir defensive Schwächen gezeigt haben“. Der Trainer erklärt in seiner stets analytischen Art und Weise das Dilemma. „Es gelingt uns, den Gegner hoch zu attackieren und dessen Stärke in den Griff zu bekommen“, sagte Lewandowski. Gegen St. Pauli habe seine Mannschaft nur „zehn, elf Angriffe zugelassen. Aber jeder von denen war gefährlich.“
Gleich der erste brachte den Rückstand, nachdem Roberto Puncec eine Flanke über den Schädel gerutscht war und hinter ihm Hamburgs Waldemar Sobota völlig frei stand. Und beim 2:3 durch Jeremy Dudziak nach einem Eckball vergaß die komplette Union-Hintermannschaft den Torschützen. Unachtsamkeiten, die es verbieten, von Höherem zu träumen. Platz eins bis sechs zum Beispiel, jenem zu Saisonbeginn ausgegebenen Ziel, an dem auch bislang noch festgehalten wird.
In der Morgenpost hatte Lewandowski gerade erst um Geduld gebeten. Um Zeit, das Potenzial jedes einzelnen Spielers noch weiter auszureizen. Um die Mannschaft besser zu machen. Bis spätestens zur Winterpause will sich der 44-Jährige ein umfassendes Bild gemacht haben. Zum Defensivproblem sagte er jedoch: „Das müssen wir in den Griff bekommen, sonst können wir in der Tabelle nicht klettern.“ Mit elf Punkten hängt Union im unteren Mittelfeld fest. Das ist viel zu wenig für die eigenen Ansprüche.
Und am Sonnabend kommt Effenberg
Am Sonnabend kommt der dank Neu-Trainer Stefan Effenberg wiedererstarkte Bundesliga-Absteiger SC Paderborn in die Alte Försterei. Es ist das zweite von drei Heimspielen, das Union in den vier Partien zwischen den Länderspielpausen in Oktober und November hat. Ein guter Zeitpunkt, um hinten endlich dicht zu machen.