Trotz Legalisierung

Cannabis-Verbot für Bundeswehr-Soldaten – ist das gerecht?

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«Wir sind die Lösung, nicht das Problem»: Cannabis-Club hofft auf Legalisierung

«Wir sind die Lösung, nicht das Problem»- Cannabis-Club hofft auf Legalisierung

Kiffen wird vielleicht noch in diesem Jahr in Deutschland legal, zumindest in Teilen. Für sogenannte Cannabis-Clubs soll es verschiedene Regeln geben - was nicht nur auf Zustimmung stößt.

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Die Regierung will Gras-Konsum erlauben. Doch das Gesetz wirft für Militär und Polizei brisante Fragen auf. Viele sind unsicher.

Berlin. Ausgerechnet in dem Gesetz, mit dem die Ampel-Koalition das Kiffen in Deutschland legalisieren will, könnte die Warnung kaum lauter sein. Der Konsum von Cannabis könne „im zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang mit der Dienstausübung Gefahren für Leib und Leben von Bundeswehrangehörigen sowie für die öffentliche Sicherheit, die militärische Ordnung, die Schlagkraft der Truppe und ihre Einsatzbereitschaft hervorrufen“. Ein kiffender Panzergrenadier – ein Sicherheitsrisiko. So sieht es die Bundesregierung.

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Über Verbote von Joints im Umkreis von Schulen und Kindergärten wird viel diskutiert, auch Spielplätze sind Tabuzonen. Über den Umgang mit Cannabis in Berufen wird wenig gesprochen. Doch gerade bei der Polizei, bei Intensivmedizinern und Richtern herrscht Unsicherheit. Und bei der Bundeswehr.

In Paragraf 5, nur kurz erwähnt auf Seite 14 des Gesetzestextes, fasst ein Satz das Dilemma des Militärs zusammen: „In militärischen Bereichen der Bundeswehr ist der Konsum von Cannabis verboten.“ Das bedeutet auch: Wenn Soldaten über Wochen oder Monate in Kasernen oder im Auslandseinsatz sind, wird ihnen das Recht auf Cannabis-Konsum verwehrt. Anders als bei Zigaretten oder Alkohol.

Kiffen wird legal – doch für den Soldatenberuf gelten andere Regeln. Beschränkungen seien, so heißt es im geplanten Gesetz weiter, „für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund des Soldatengesetzes“ weiterhin möglich, „auch außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Bereiche“.

Dürfen Rechte von Soldaten und Polizisten beschnitten werden?

Auf Nachfrage nennt das Verteidigungsministerium diese Regelung im Gesetz „angemessen und zwingend notwendig“. Und: „Soldatinnen und Soldaten, die während des Dienstes unter dem Einfluss berauschender Substanzen stehen, bieten aufgrund der Gefahr psychischer und motorischer Ausfallerscheinungen keine Gewähr dafür, ihren Dienst pflichtgemäß, also unter anderem unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften, zu versehen.“ Vorgesetzte könnten zudem „aus dienstlichen Gründen in die Freizeit hineinwirkende Beschränkungen zum Cannabiskonsum anordnen“, heißt es.

Dabei scheint die Sache nicht so einfach wie beim Alkohol: Dienstvorschriften regeln, dass niemand betrunken zur Arbeit erscheinen darf. Bei Verstößen leitet die Behörde ein Disziplinarverfahren ein. Mit ähnlichen Regeln handhaben es auch private Unternehmen, wie etwa Krankenhäuser. Eine Herzchirurgin muss nüchtern operieren.

Das Militär untersteht dem Verteidigungsministerium und dem Parlament, die Polizei den Innenministerien, für Richter und Staatsanwälte sind die Justizbehörden verantwortlich. Der Staat muss das Leben der Beamtinnen und Beamten regeln – und künftig auch deren Cannabis-Konsum.

Doch wie? Und zugleich gilt, dass auch die Rechte von Angehörigen in Militär und Polizei nicht zu weit beschnitten werden dürfen – schließlich haben auch sie ein Recht auf legalen Konsum. Manche in der Bundeswehr fürchten bereits Klagen vor den Arbeitsgerichten.

Cannabis: Forderungen nach klaren Regeln für Beschäftigte

Wer mit Angehörigen der Bundeswehr, Parlamentariern, Polizisten oder Medizinern spricht, hört vor allem eines: Unsicherheit. Und viele Fragen: Was, wenn ein Soldat am Wochenende auf einer Geburtstagsfeier einen Joint oder zwei raucht? Kann er am Montag zum Manöver? Wie lange vor dem Dienstbeginn darf ein Polizist nicht kiffen? Darf er es überhaupt?

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Innenpolitiker und Polizist Sebastian Fiedler (SPD) sagt unserer Redaktion: „Eine Legalisierung von Cannabis muss zwingend mit klaren Regeln für die Beschäftigten von Sicherheitsbehörden einhergehen.“ Das gilt genauso für Soldatinnen und Soldaten und Mitarbeiter im Bereich der kritischen Infrastruktur, dazu gehören auch Energiekonzerne und Klinken. „In den sicherheitsrelevanten Bereichen dürften wir keine Risiken eingehen und müssen daher hier klare Grenzen ziehen“, sagt Fiedler.

Das Dilemma: Cannabis lässt sich oft noch Wochen nach dem Konsum im Blut feststellen, je nachdem, wie stark ein Mensch raucht. Anders als Alkohol. Für Bier und Wein gibt es klare Grenzwerte, für Cannabis bisher nicht. Zugleich gilt: Die Soldatin oder der Polizist wissen, wie zwei Gläser Wein in ihrem Körper wirken. Bei Marihuana und Haschisch kann das anders sein. Laut Studien wirkt THC bei Menschen entspannend. Sie werden lustig, oder müde. Es gibt auch Menschen, die nach dem Rauchen in Panik geraten, Angst bekommen.

Kritik am Gesetzentwurf kommt von Polizeigewerkschaft

Doch selbst wenn die Beamten ihrerseits kontrolliert kiffen, sich gut fühlen, bleibt das Dilemma der Kontrolle: Passiert ein Fehler im Einsatz, schlägt der Bluttest für Cannabis noch an – auch wenn der Wirkstoff THC keinen Einfluss mehr auf den Körper hat. Das wirft Fragen der Haftung und des Arbeitsrechts auf. Es sind Probleme, mit denen sich auch die Gewerkschaften und Verbände von Polizei und Militär befassen. Doch viele haben noch keine Haltung dazu gefunden. Auch weil die Mitglieder oftmals selbst über die Legalisierung von Cannabis streiten.

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Vorsichtig formuliert der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, auf Nachfrage unserer Redaktion: „Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf ist in vielerlei Hinsicht unausgegoren. Neben vielen andere berechtigten Kritikpunkten wie Belastung, Kontrollen und Verkehrssicherheit wird nirgendwo ein Zusammenhang zwischen individuellem Cannabiskonsum und polizeilicher Aufgabenerfüllung deutlich.“ Die GdP fordert nun die Abgeordneten im Bundestag dazu auf, „dem Gesetz Praxistauglichkeit zu verleihen“.

Es ist genau dieser fehlende Praxis-Test, den SPD-Innenexperte Fiedler an dem Gesetz kritisiert, das aus dem Haus seines Parteikollegen, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, kommt. „Es liegt ein Gesetz vor, dessen Auswirkungen und Gefahren wir in vielen Bereichen nicht genau genug kennen.“

Aus Fiedlers Sicht müsste die Legalisierung erst in Modellprojekten in einzelnen Städten getestet und ausgewertet werden. Ein Problem, das auch in der Ampel-Koalition bekannt ist. Werden die Länder als Verantwortliche für die Polizei ins Gesetz eingebunden, muss die Legalisierung vom Bundesrat, der Länderkammer, beschlossen werden. Und könnte dort am Widerstand der unionsgeführten Landesregierungen scheitern.

Union: „Die Ampel weiß, dass sie etwas Falsches tut“

Deren Haltung zu Cannabis ist deutlich. „Die Ampel weiß, dass sie etwas Falsches tut, wenn sie nun einerseits das Kiffen erlaubt, andererseits doch einzelne Gruppen wie die Soldatinnen und Soldaten mit Sonderbeschränkungen belegt“, sagt der innenpolitische Sprecher von CDU und CSU im Bundestag, Alexander Throm, unserer Redaktion. Besonders verantwortungsvolle Berufsfelder im Militär, in der Polizei oder im Krankenhaus würden mit der Legalisierung „allein gelassen, zu bewerten, wie gefährlich die Droge für die Aufrechterhaltung eines sicheren Betriebs ist.“

Der FDP-nahe Zusammenschluss „Liberaler Soldaten und Veteranen“ macht einen konkreten Vorschlag: Kein Rauchen, Inhalieren, Essen oder Trinken von Cannabis-Produkten während des Dienstes und mindestens acht Stunden davor. Bei Übungen mit Waffen, Sprengstoff, Panzern oder Kriegsgerät sollen 24 Stunden Abstinenz gelten. Einen ähnlichen Weg geht auch Kanada, wo Cannabis bereits legal ist.

Truppe mit Nachwuchs-Problem: Es fehlen 20.000 Soldaten

Und die liberalen Soldaten fordern, dass nach einer Legalisierung auch der Nachweis von Cannabinoiden wie THC im Blut oder Urin bei der Musterung nicht grundsätzlich zum Ausschluss führen darf. Das ist ein wunder Punkt für das Verteidigungsministerium und die Führung der Truppe.

Denn die Bundeswehr hat ein riesiges Nachwuchsproblem, findet nicht genug Bewerber für den Dienst an der Waffe. Wenn nun Jahrgänge heranwachsen, für die Kiffen legal und normal ist wie Alkohol und Tabak, sind die Folgen einer strengen Anti-Drogen-Politik bei der Bundeswehr noch stärker spürbar. „Zwei Welten würden aufeinandertreffen“, sagt ein Bundeswehr-Funktionär.

Ein Problem, das militärische Anführer in den USA stark debattieren – denn dort gilt bisher eine noch rigidere Drogenpolitik in der Armee. Doch: Immer mehr Amerikaner kiffen, in fast der Hälfte der Bundesstaaten legal. Andere erfüllen nicht die Fitness-Kriterien der Truppe. Mit Folgen für die Rekrutierung: Allein im vergangenen Jahr fehlten dem US-Militär 15.000 neue Soldatinnen und Soldaten. In Deutschland sieht es nicht besser aus. Die Bundeswehr will bis 2031 auf mehr als 200.000 Soldatinnen und Soldaten wachsen. Es fehlen mehr als 20.000 junge Menschen. Doch die Zahl der Interessierten und Bewerber geht nach unten.