Berlin. Die Meldungen häufen sich, wonach Schüler über antisemitische Übergriffe in der Schule klagen. Mehr noch, sie fühlen sich nach den Taten von den Verantwortlichen im Stich gelassen. Schleichend, so scheint es, hat der Antisemitismus den Weg in die Schulen gefunden – und wirkt dort umso schlimmer. Wenn schon, wie in einem Fall geschehen, Zweitklässler damit rechnen müssen, dass sie wegen ihrer Religionszugehörigkeit beleidigt, bedroht oder verprügelt werden, dann müssen alle Alarmglocken schrillen.
Viele Schulen sehen sich in der Zwickmühle. Sie würden derartige Fälle gern intern klären, da sie ansonsten um den eigenen Ruf fürchten und nervige Fragen der Schulaufsicht, des Bezirksamtes oder der Bildungsverwaltung beantworten müssen. Die Dunkelziffer von Gewaltausbrüchen und antisemitischen Beleidigungen dürfte daher deutlich höher liegen, als bislang bekannt.
Antisemitische Fälle zu melden, muss Pflicht sein
Wenn die Familienministerin und ehemalige Bürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey (SPD), nun die Schulen auffordert, antisemitische Gewaltvorfälle konsequent zu melden, so ist das sicher richtig. Umgekehrt müsste das aber gleichzeitig zur Pflicht werden, damit sich Schulen nicht folgenlos davor drücken dürfen. Die jetzt bekannt gewordenen Fälle wurden sämtlich nicht von den Behörden, sondern von Eltern veröffentlicht, die ihre Kinder nicht ausreichend geschützt sehen.
In jedem Fall muss aber schnell und klug eingegriffen werden, damit solche Taten aufgearbeitet werden und nach Möglichkeit nicht wieder vorkommen. Programme für Anti-Gewaltkurse, Prävention und Toleranz im Schulalltag gibt es genug, sie müssen aber gezielt und flächendeckend da zum Einsatz kommen, wo es notwendig ist. Der Nahostkonflikt darf nicht zum Alltag auf den Schulhöfen gehören, Antisemitismus nicht aus falschen Gründen verschwiegen werden. Die Schule muss ein sicherer Ort sein – für alle Kinder.
Antisemitismus an Schulen: „Wir brauchen mündige Schüler“
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