Single Mom

Wenn Mütter nichts von Feminismus verstehen

| Lesedauer: 4 Minuten
Caroline Rosales
Veronica Ferres mit ihrem Mann Carsten Maschmeyer

Veronica Ferres mit ihrem Mann Carsten Maschmeyer

Foto: pa/Reto Klar/Montage: BM

Veronica Ferres erzählt, dass ihre Kinder sie als „MILF“ bezeichnen – und Abgründe tun sich auf, meint Caroline Rosales.

Nun kann man ja von Veronica Ferres (53) halten, was man will. Dass sie eine nicht sooo gute Schauspielerin ist, sagen ja einige, und dass ihr Mann, Carsten Maschmeyer – ach, fangen wir gar nicht erst an. Aber man muss nun einmal die Tatsache hinnehmen, dass eine Menge Frauen in diesem Land sie ganz toll finden und einige, nicht wenige, ihr sogar nacheifern. An dieser Stelle möchte ich auch noch mal die Facebook-Seite der beliebten Schauspielerin Veronica Ferres erwähnen – aber bitte gehen Sie doch selbst auf Entdeckungsreise und schreiben mir danach.

WIE DEM AUCH SEI. Nun hat Veronica Ferres jedenfalls der „Bild“-Zeitung ein Interview gegeben, in dem sie über ihre äußerliche Attraktivität spricht. Darin sagt sie: „Ich bin 53 und, wie meine Kinder sagen, die perfekte MILF*.“ Okay, durchatmen, sacken lassen, noch ein bisschen länger sacken lassen, Fassung wiedererlangen.

Aaalso, erst mal zur Begriffsklärung, weil wir ja – wie wir es im Studium gelernt haben – zunächst die Begrifflichkeiten geradeziehen wollen. Die Abkürzung „MILF“ steht für „Mother I like to fuck“ („Mutter, die ich gerne ficken würde“). Dieser Begriff gehörte, laut einer Auswertung des global marktführenden Sex-Portals Pornhub, schon seit Jahren zu den am häufigsten eingegebenen Suchbegriffen auf der Plattform.

Ergo: Bei MILF geht es also um Sex, ganz bösen Porno-Verkehr. Da hilft es auch nicht, dass die „Bild“-Zeitung in besagtem Ferres-Interview um Schadensbegrenzung für ihre Protagonistin bemüht ist und den Begriff sehr frei als „umgangssprachlichen Ausdruck für eine superattraktive Mama jenseits der 40 Jahre“ übersetzt.

Nein, eine MILF, ihr süßen Schätzchen, ist eine Mutter, die auch jenseits der 30, 40, 50 und 60 Jahre immer noch „fickbar“ ist. Also für die Männer in ihrer Umgebung – in heteronormativen Kreisen nach Belieben auch der eigene – trotz der blöden Schwangerschaftstreifen, der nicht mehr ganz stehenden Brüste.

Veronica Ferres hat eine Tochter und ihr Ehemann Carsten Maschmeyer hat zwei Söhne aus erster Ehe. Und nein, es bringt jetzt nichts, darüber zu spekulieren, welches der Kinder ihr das mit der MILF jetzt gesagt hat (im Zweifel wäre es verstörend), denn im Grunde geht es hier um etwas grundlegend anderes. Veronica Ferres ist – ob man nun will oder nicht – eine der größten deutschen Schauspielerinnen. Sie hat Preise angehäuft, Dutzende von Kino- und Primetime-Fernsehfilmen gedreht. Sie hat eine Tochter, sich sozial eingesetzt.

Und jetzt, mit 53 Jahren, statt sich wie ihr gleich alter Kollege Til Schweiger über das leicht schüttere Haar zu streichen und selbstzufrieden zu grinsen, freut sich Ferres öffentlich, dass sie altersgerecht gealtert ist – aber natürlich immer noch ganz, ganz frisch aussieht. Neulich schrieb die Autorin Susanne Schneider im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“, dass Frauen in der Gesellschaft ab einem gewissen Alter unsichtbar werden, mutmaßlich weil ihre Attraktivität schwindet. Sicher empfinden wir ALLE als Frauen diese diffuse Angst, nicht mehr gesehen zu werden. Dennoch möchte ich mir eine Welt nicht vorstellen, in der ich mit 50 Jahren – völlig egal, was ich erreicht habe – um die Stagnation meines Fuckability-Barometers bedacht bin. Und schon gar nicht möchte ich, dass meine Tochter von MIR lernt, dass es im Grunde allein darauf ankommt und ihr Beruf nur voll die süße Bemühung ist, die Zeit bis zum nächsten Kompliment zu überbrücken.

Veronica Ferres und Feminismus sind sich bis heute nicht über den Weg gelaufen. Und das ist schade, weil es Verschwendung von prominenter Strahlkraft ist. Aber genug der Theorie. Vielleicht sollte es ihr auch einfach eine Freundin ganz direkt sagen, ihr ganz leise zuflüstern: „Du redest Blech.“

Mehr Kolumnen von Caroline Rosales:

Macht ihr denn keine Ausflüge?

Der lange Schatten der deutschen Mutter

Das gute Gewissen, sein Kind gehen zu lassen

Um keinen Preis der Welt als prekär gelten