Manchmal hatte man als Frau und junge Mutter so eine Art Grundahnung, dass tatsächlich irgendetwas nicht gerecht zugeht. Schon vor Jahren erzählte mir meine Freundin Isa, dass ihre Jobsuche nach ihrem ersten Sohn sehr beschwerlich war. Bewarb sie sich als Mutter eines kleinen Kindes, wurde sie selten bis gar nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Doch jedes Mal wenn sie das Kind aus dem CV herausnahm, bekam sie einen Termin. „Ja, komisch“, urteilten wir damals. Zufall? Verschwörungstheorie? Strategie? In der Regel nestelt man so lange an solchen „Zufällen“ herum, bis dann eine Studie aufpoppt, die beweist, dass alles noch viel schlimmer ist.
So wie jetzt. Frauen, die nach der Geburt nur zwei Monate Elternzeit nehmen, werden dafür im Job abgestraft. Das zeigt eine Studie, die das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung in Kürze veröffentlichen wird, und aus der der „Spiegel“ vorab zitiert. Demnach werden Mütter, die nur kurz Elternzeit nehmen, häufig als egoistisch und feindselig wahrgenommen. Bei Bewerbungen haben sie auch Jahre später noch schlechtere Chancen als Mütter, die eine längere Babypause gemacht haben. Um das zu beweisen, verschickte die Wissenschaftlerin Lena Hipp mehr als 700 fiktive Bewerbungen.
Das Absurde daran ist: Der Staat möchte, dass Frauen schnell in den Beruf zurückfinden – in der Theorie. Dennoch wird ALLES dafür getan, dieses aktiv oder passiv zu verhindern. Die Länder und Kommunen bieten Kindergartenplätze erst ab einem Jahr an. Wer als junge Mutter nach ein paar Wochen wieder in den Beruf zurückkehren möchte – wie es übrigens 90 Prozent der Frauen in Frankreich tun – muss sich privat organisieren.
Großeltern, Vater, Nanny. Das ist alles schon schwer genug, doch jetzt, so beweist die Studie, werden Berufstätige in spe moralisch getadelt. Nach dem Motto: „Nee, Mama, geh mal schön zu deinem Baby. Das braucht dich noch. Stille, trage es, schlaf mit ihm in einem großen Bett. Fächere ihm Luft im Sommer zu. Mach deinen Kopf aus.“ Der Beruf, für den Frau jahrelang studiert oder gekämpft hat, ist dann auch irgendwann weg, die Karriere im Eimerchen.
Nach dem Jahr 1945 wurde eine ganz neue deutsche Gesellschaftsordnung etabliert, die Jurisdiktion wurde zerschlagen, das politische System, Wirtschaftszweige neu aufgebaut. Nur an dem Bild der deutschen Mutter hat sich bis heute kaum etwas geändert. Das sage ich, aber allen voran auch Ute Frevert vom Max-Planck-Institut der „New York Times“. Barbara Vinken schrieb gleich ein ganzes Buch darüber – „Die deutsche Mutter“. Ein Standardwerk, das mir bereits vor ein paar Jahren die Augen öffnete. Gerade heute als Single Mom fühle ich mich von diesem Bild doppelt diskriminiert: Als eine Frau, die nicht nach der deutschen Kleinfamiliennorm lebt und dafür als Typus in Bewerbungsgesprächen doppelt abgestraft wird. Im Jahr 2018. Das ist genauso tragisch, wie wenn man sich wie momentan üblich auf Partys mit gleichaltrigen Männern darüber unterhält, was denn das Problem sei, und dass man in der Post-#Metoo-Ära ja gar nicht mehr flirten dürfe. Buhuhu.
Ich nehme dieses Beispiel, weil genau diese Beratungsresistenz und der Trotz vieler Männer, mal den EINEN Schritt weiter zu denken, eben genauso solche frauenfeindlichen Strukturen weiter nähren. Diese besagen: „Frau, freu dich doch, dass du Kinder hast, und lass dir mal ein hübsches Kompliment dazu machen. Und in hundert Jahren diskutieren wir dann neu.“ Ja, wo fängt man jetzt an und wo hört man auf? Vielleicht backt man auch einfach erst einmal einen Kuchen, das beruhigt die Nerven doch so schön.
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