Gourmetspitzen

Das „Mai Phai“ ist kulinarisch eine kleine Sensation

| Lesedauer: 5 Minuten
Heinz Horrmann

Foto: Amin Akhtar / Amin Akhtar (3)

Für kleines Geld die große Vielfalt authentischer Thai-Küche genießen, das ist im Restaurant „Mai Phai“ in Steglitz möglich. Auch wenn der Start bei unserem Test nicht gerade Freude bereitete.

Ganz gewiss macht Tim Raue eine grandiose Asia-Küche, mit den besten Gerichten und Köstlichkeiten aus etlichen Regionen des fernen Kontinents. Dennoch ist es für mich auch einmal eine Alternative, eine total authentische Thai-Küche zu genießen, die nicht behutsam auf den europäischen Gaumen umgewürzt ist.

In Steglitz, unweit der Einkaufsmeile Schloßstraße, bietet das „Mai Phai“ exakt diese unverfälschten Gerichte. Leser hatten mir diese Empfehlung geschickt. Der erste Eindruck ist jedoch eher unterkühlt. Recht barsch wird nach einer Reservierung gefragt. Im Restaurant erscheint mir das dann plausibel, weil tatsächlich jeder Stuhl besetzt ist. Die ausgehändigte Speisekarte sorgt auch nicht gerade für Freude. Die einzelnen Blätter sind in Klarsichtfolien verpackt, die Karte wirkt unappetitlich klebrig und abgegriffen. Die Voraussetzungen schaffen also eher keinen guten Start zum Genuss.

Umso mehr wirkt dann, was auf den Tisch kommt – eine kleine kulinarische Sensation. Von Geschmack und Zubereitung, aber auch von der Größe der Portionen. Außerhalb Thailands habe ich noch nie einen so außergewöhnlich guten Salat von grünen Papaya-Streifen serviert bekommen. Der ist kombiniert mit Garnelen und quantitativ gesehen ein Gericht für Zwei.

Nicht anders ist das beim Salat vom gegrillten Rindfleisch mit einem herzhaften Dressing, gewiss für einige zu scharf. Ich liebe dieses Feuer aus der Chili-Ingwer-Kombination. Der exzellente Restaurantleiter macht aber stets auf die Schärfe aufmerksam und nimmt die Bitte nach gemäßigteren Variationen sofort auf. Geradezu behutsam gewürzt sind die Fleischspieße in pikanter Erdnusssauce und die knusprig frittierten Garnelen in einem Teigmantel mit Kokosraspeln. Dazu wird eine hausgemachte Pflaumensauce gereicht.

Extrem umfangreiche Speisekarte

Die Speisekarte ist, wie so häufig bei Asiaten, extrem umfangreich. Zu den üblichen Spezialitäten-Seiten mit den Abteilungen Meeresfrüchte, Enten- oder Rindfleisch-Gerichte kann der Gast in der umfassenden Auswahl der Kategorie „Hausspezialitäten“ wählen. Das sind beispielsweise ganz einfache, aber köstliche Schweinerippchen, die mit Koriander, Pfeffer und Knoblauch gebacken werden. Aus dem Bereich Fisch und Meeresfrüchte gibt es einige herzhafte und gewiss nicht ohne Schärfe angerichtete Köstlichkeiten wie den ganzen Rotbarsch, kross gebraten mit Feuersauce. Gleichermaßen zubereitet ist der Tilapia oder der gold-gelb leuchtende, filetierte Pangasius. Von roter Currypaste bestimmt sind Geschmack und Duft beim Straußenfilet oder auch bei der Tintenfisch-Kombination.

Wer sich zur vegetarischen Küche hingezogen fühlt, steht hier im Mai Phai nicht abseits. Beispielsweise das gebratene Thai-Gemüse mit geröstetem Knoblauch oder die scharfen Thai-Bohnen, ebenfalls geröstet, sind Gerichte ohne Fisch und Fleisch. Auch die Frühlingsrollen gibt es mit ganzen Garnelen oder aber vegetarisch mit Glasnudeln, Gemüse und Thai-Kräutern. Die Liebhaber der Fleischeslust sind freilich in der ganzen Breite im Vorteil. Das Phanaeng Kalb oder das gut abgehangene Rindfleisch sind zwei Möglichkeiten, ebenso das Geflügel.

Umfangreich ist die Hühnerfleisch-Palette und, wie nicht anders zu erwarten, das breite Enten-Angebot. So gibt es die Ente kross, allerdings mit nicht ganz splitterknuspriger Haut, in Kombination mit Garnelen oder Tintenfisch oder schwarzer Bohnen-Sauce, bei der man gerne nach dem Feuerlöscher ruft. Ganz gewiss gilt das auch für die Jakobsmuschel mit rotem Curry und Eierflocken in Kokosmilch. Oder die gekräuterten Fischbouletten nach Thai-Art, die mit der ganzen Gewürzpalette nach süd-thailändischer Art auf den Tisch gebracht werden.

Die thailändische Küche gibt es nicht

Mit der thailändischen Küche ist es ähnlich wie mit der chinesischen. Es gibt nicht die chinesische oder thailändische Küche, dafür ist die Zahl der Regionalküchen zu groß. Ursprünglich war die Küche Thailands vom Wasser geprägt, auf den Tisch kamen vornehmlich Wassertiere und Wasserpflanzen. Heute unterscheiden sich die Gerichte der einzelnen Regionen deutlich. Im Norden des Landes herrscht die Vorliebe für Klebereis und Chili-Pasten. Die Küche Zentralthailands wird von Gerichten aus dem Wok und Kombinationen mit Kokosmilch dominiert. Auch die anderen Regionen haben ihre speziellen Ausrichtungen. Alle Variationen finden die Gäste im Mai Phai. Und wenn es um die Thai-Vielfalt geht, ist Berlin unschlagbar im Lande. Die Top-Ten-Restaurants dieser Gattung prägen auch die bundesweite Spitze.

Die Weinkarte im Mai Phai ist extrem dünn. Ein Italiener, ein Australier und ein Thai-Wein, ein Monsoon Shiraz, stehen darauf. Alle Weine, die auch glasweise serviert werden, liegen unter der 20-Euro-Marke. Ich probierte den Monsoon Shiraz, hatte keine Vorstellung von der Qualität thailändischer Kreszenzen, war aber dann doch davon angetan. Der Service war nach der holprigen Begrüßung kaum überbietbar gästefreundlich und liebenswert. Auch im überaus vollen Gästeraum hatte der Restaurantleiter Zeit für jeden Gast, beriet kompetent, nahm auch einmal eine weniger begeisternde Beilage zurück und tauschte sie dann gegen kleine Köstlichkeiten als Grüße aus der Küche. Insgesamt, muss ich sagen, ist das eine echte Empfehlung, wenn jemand für kleines Geld die große Vielfalt authentischer Thai-Küche erleben möchte.