Extrem bescheiden, aber überglücklich ließ sich Sternekoch Matthias Diether am Sonnabend bei der großen Berlin Partner Gala im Ballsaal des Hotels Intercontinental zum neuen Berliner Meisterkoch küren. Wahrlich ein bedeutender Erfolg bei der 17. Auflage der Gourmet-Aktion in der Hauptstadt.
Gewiss auch für das Hotel Palace, das nach Jahren des Abschwungs seit drei Jahren durch den jungen, dynamischen Direktor Michael Frenzel wieder auf glänzenden Kurs für Connaisseure gebracht wurde und gerade von den Leading Hotels of the World die Höchstpunktzahl für Service-Qualität bekommen hat. Kompliment.
Aber was zeichnet die Küche aus, wie kreativ kocht Matthias Diether, der jetzt im Mittelpunkt des Interesses steht?
Wie von Dalí zelebriert
Er ist einer, der die klassische Linie auf der Basis Escoffiers, des Urvaters der Grand Cuisine, beibehält, aber wundervoll kreativ interpretiert, der viel internationale Erfahrung mitbringt, aber nie dem Murks der Küche aus dem Chemie-Baukasten verfallen war.
Sein Vorgänger Mathias Buchholz war gewiss ebenfalls ein Guter. Bei der großen First Floor-Küchenparty zum 20. Jubiläum in der letzten Woche standen die Beiden gemeinsam am Herd. Matthias Diether hat die Ausrichtung des Traditionsrestaurants nicht auf den Kopf gestellt, aber seine Aroma-Kombinationen sind frecher, überraschender, ja noch köstlicher.
Ich nenne als Beispiel das Miral Perlhuhn, das er mit Chicorée kombiniert und mit einer perfekten Gänseleber ergänzt. Der Seeteufel bekommt traditionell Pfifferlinge und ungewöhnlich schwarzen Knoblauch. Den Alaska Wildlachs parfümiert er mit Trüffelspänen und gibt als herzhaftes Element Rettich dazu. Manchmal startet Diether sein Menü nach dem ungewöhnlich guten Amuse Bouche mit Aal. Auf dem Teller sieht das aus wie von Dalí zelebriert. Späne und Röllchen vom Aal, die Flusskrebse als Verbindung, dazu eine herzhafte Sauce.
Die Karte ist bewusst klein gehalten
Geschmorte Kalbsbäckchen sind heutzutage Standard, sie aber mit einem Hauch von Lakritz und duftendem Fenchel zu kombinieren, das macht sie schon originell. Nach einer repräsentativen Umfrage unter Besuchern ist Rindfleisch noch immer das beliebteste Gericht. Diether kombiniert ein butterzartes Rinderfilet mit bei Niedrigtemperatur langsam geschmorter Schulter und sorgt für eine köstliche und aromatische Verbindung.
Die Karte ist bewusst klein gehalten und kann auch als Menü ab vier Gängen (109 Euro) kombiniert werden. Der korrespondierende Wein zu jedem Gang glasweise wird mit 50 Euro berechnet. Die klein gehaltene Karte ermöglicht es Diether auch – und das gehört zum Konzept von Michael Frenzel – dass er als Gastgeber im Restaurant die Honneurs macht und Empfehlungen gibt.
Die Karte wechselt ständig, und als Vorspeise serviert er manchmal die Tarte von Jakobsmuscheln, auch klein aber fein mit Passionsfrucht-Schaum sehr originell aber passend zubereitet. Die Fische sind Höhepunkte in Diethers Aufmarsch am Herd. Der Saint-Pierre, der Petersfisch, ist mit einer milden Kräuterkruste überbacken und mit Salsa herzhaft gemacht. Interessant auch: Die soufflierte Étouffée-Taube, auf den Punkt gegart und mit Schalottenconfit und Sauce Riche abgeschmeckt, ist ebenfalls eine leicht interpretierte Ausführung eines Klassikers. Man kann sagen, dass jede Kreation ein Kunstwerk ist. Eigenwillig gewiss, oftmals überraschend, stets ästhetisch. Diese Optik regt zu Kunstobjekten an.
Die Patisserie arbeitet mit „Geschmacks-Klammern“, damit meine ich Zwetschgen (in Kombination mit Nougat, Sauerrahm und leicht gesalzenem Karamell) oder Sanddorn, ganz frech mit Curry, Valrhona-Schokolade und Banane serviert. Ganz aktuell bei meinem Besuch vermählte er Orange mit Bitterschokolade und zauberte eine Hagebutten-Verbindung mit brauner Butter und Pistazien.
„Big Bottle-Party“
Wir sitzen gemütlich an der großen Fensterfront des einst plüschigen und heute so frischen Restaurants und genießen Küche und Service. Sommelier Gunnar Tietz, bei der „Aktion Meisterköche“ auch schon mal als Berlins Bester herausgestellt, und das exzellente Team sorgen für gute Stimmung und vorzügliche Gästepflege.
Das Wein-Angebot war schon zu Zeiten des viel zu früh verstorbenen Karl Stiehles erstklassig. Dieses Angebot, auch an halben und Groß-Flaschen, konnte dank Tietz gehalten werden und bleibt ein Markenzeichen des Restaurants. Man denke nur mal an die „Big Bottle-Party“, die jedes Jahr durchgeführt wird und zu den besten Wein-Veranstaltungen im Land gehört.
Fazit: Die Bewertung einer Küchenleistung und eines Restaurant-Erlebnisses sind kein Glaubensbekenntnis, sondern zum Glück Geschmacksache. Was mir persönlich gefällt: Im Gegensatz zu vielen jungen Kollegen wird im First Floor in allen Bereichen Kreativität zur Gaumenfreude der Gäste eingesetzt und nicht, um sich selbst ins Rampenlicht zu schieben. Als einzige kritische Randnotiz würde ich mir doch eine etwas breitere Palette in der Speisekarte wünschen. Dreimal Fisch, dreimal Fleisch und vielleicht eine kleine Salatkarte als bescheidenes Markenzeichen wären vom Team leicht zu stemmen.
Unter dem Strich steht eine Empfehlung für das Restaurant, das im letzten Jahrzehnt nie den Michelin-Stern verloren und unter Frenzel eine bedeutende Weiterentwicklung gefunden hat.
Restaurant, First Floor im Hotel Palace, Budapester Straße 42, Telefon (030) 25021020, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonnabend, 18 -bis 23 Uhr