Peter Zander
Ganz am Anfang sieht man den hessischen Generalstaatsanwalt – vermeintlich – an einem Tiefpunkt. Er ist, wir schreiben das Jahr 1957, in der Badewanne eingeschlafen, eine leere Rotweinflasche und ein fast volles Röhrchen Schlaftabletten neben sich, und gleitet unter Wasser. Nur durch Glück wird er gerettet.
Ein BKA-Mitarbeiter fordert dann aber einen Polizisten auf, mehr Tabletten verschwinden zu lassen. Es soll wie ein Selbstmordversuch aussehen. Fritz Bauer, der den Holocaust überlebte und nun die NS-Verbrechen aufklären will, ist vielen ein Dorn im Auge. Beim BKA, beim BND, beim Verfassungsschutz, wo überall Alt-Nazis sitzen.
Man nutzt jede Möglichkeit, um ihn loszuwerden. Weiß auch von seinen homosexuellen Eskapaden im dänischen Exil und wartet nur auf eine Gelegenheit, auch das gegen ihn auszuspielen. „Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse“, hat Fritz Bauer einmal gesagt und sagt es so ähnlich auch in dem Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“, „dann betrete ich feindliches Ausland.“
Dabei war er kein „Rache-Jude“, wie ihm immer wieder vorgeworfen wurde. Um Rache ging es ihm nie, sondern um Aufklärung. Fritz Bauer hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Frankfurter Auschwitz-Prozesse zustande kamen.
Gleich drei Filme zumThema
Sein vielleicht größtes Verdienst aber wurde erst nach seinem Tode bekannt: dass er mithalf, den Kriegsverbrecher Adolf Eichmann dingfest zu machen. Und sich dafür mit dem Mossad zusammentat, was für seine Gegner nichts anderes als „Landesverrat“ war.
Es hat lange gedauert, bis man diesen deutschen Helden auch filmisch entdeckt hat. Jetzt aber kommen in einem merkwürdigen Zufall gleich drei Filme kurz hintereinander. Den Anfang machte „Im Labyrinth des Schweigens“, wo der inzwischen gestorbene Gert Voss den Generalstaatsanwalt, allerdings nur in einer Nebenrolle, verkörperte.
Nun kommt „Der Staat gegen Fritz Bauer“, in dem Burghart Klaußner sich die Figur anverwandelt, bis in die bizarre Eraserhead-Figur und denseltsam chwäbelnd-säuselnden Duktus hinein. Demnächst wird ihn auch Ulrich Noethen in „Der General“ spielen. Letzterer ist noch nicht fertig. Die ersten beiden aber könnten unterschiedlicher nicht sein.
Im Labyrinth des Schweigens“ hat einen jungen Anwalt erfunden, der anfangs gar nichts vom Holocaust weiß und völlig naiv an die Sache herangeht. Der Film von Giulio Ricciarelli ist schlechtes Schulfernsehen. Das Fuffziger-Jahre-Interieur riecht in jeder Einstellung nach Kulisse, der Held ist ein gut aussehender Sympath, der dem heutigen Publikum als Identifikationsfigur geradezu aufgedrängt wird.
Schales Schulfernsehen für den Oscar
Und das Ganze muss dann auch noch mit einer Liebesgeschichte verquickt werden, damit die Thematik nicht zu schwer wird. Schlechter hätte man dieses Thema eigentlich nicht aufbereiten können. Der Film wurde von der Auswahlkommission als deutscher Kandidat ins Oscar-Rennen geschickt. Eine Fehlentscheidung, mit der das deutsche Kino kaum eine Chance haben wird.
Nun kommt, neun Monte danach, Lars Kraumes Film ins Kino, der alles anders macht. Und dem „Labyrinth“ einen Spiegel vorhält, wie man es richtig macht. Die Ausstattung ist hier keine museale Kulisse, die dumpfen Brauntöne machen den Muff und die Bedrängnis der fünfziger Jahre deutlich und lassen einen förmlich ersticken.
Auch hier wird die Rolle eines jungen Anwalts (Ronald Zehrfeld) erfunden, der Fritz Bauer zuarbeitet. Er ist, wie dieser, homosexuell, lässt sich im Gegensatz zu Bauer aber auf eine Affäre ein – und wird damit unter Druck gesetzt. Da wird, ganz nebenbei, noch ganz viel Alltagsgeschichte der Nachkriegszeit angerissen.
Vor allem aber wird Fritz Bauer, dem einsamen Helden, ein filmisches Denkmal errichtet. Burghart Klaußner in dieser Rolle zu erleben, wie er seine eigenen Neigungen unterdrückt, um sich nicht angreifbar zu machen, wie er immer wieder Hass-Post bekommt und sich von allen isoliert fühlt, aber dennoch niemals aufgibt, niemals klein beigibt, das ist wirklich großes Schauspiel.
Kaum zu glauben, dass Lars Kraume diesen Film für nur viereinhalb Millionen Euro gedreht hat. Er sieht in jeder Einstellung nach mehr aus. Ach, was hätte das deutsche Kino Chancen, würde man diesen Film im kommenden Jahr für den Oscar vorschlagen! Ob man aber zwei thematisch so ähnliche Filme nacheinander ins Rennen schickt, darf bezweifelt werden.
Drama D 2015 105 min, von Lars Kraume, mit Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Jörg Schüttauf, Sebastian Blomberg