Korruptionsvorwürfe

Am Hauptstadtflughafen BER läuft’s wie geschmiert

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Joachim Fahrun

Foto: Patrick Pleul / dpa

Nach den Korruptionsvorwürfen gegen Technik-Chef Großmann ist die Politik alarmiert und will Klarheit über den Vorfall. Entlassener BER-Planer Di Mauro bietet Mehdorn jetzt seine Hilfe an.

Jochen Großmann war der Experte, der alles erklären konnte. Als Leiter Technik des Sprint-Projektes am BER stellte der Ingenieur aus Dresden den Journalisten dar, wie das „Monster“ der überdimensionierten Entrauchungsanlage im Terminal des immer noch nicht fertigen Hauptstadtflughafens zu bändigen sei. Und auch die Abgeordneten des Brandenburger Landtags lernten von dem Honorarprofessor der TU Cottbus, dass die bisherigen Planungen nicht funktioniert hätten und dass am Brandschutz so ziemlich alles neu entworfen werden müsse.

Mitte 2013 hatte der damalige Technik-Chef Horst Amann den Gründer der Ingenieurfirma Gicon mit 300 Mitarbeitern zunächst mit Beratervertrag als Retter des BER angeheuert. Hartmut Mehdorn stellte Großmann im April fest an.

Aber jetzt ist die zentrale Figur im Endspurt um die Flughafeneröffnung aus dem Spiel. Wegen des Verdachts auf Korruption bei der Vergabe eines Flughafenauftrages geriet Jochen Großmann ins Visier der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Großmann wurde sofort freigestellt. Die Ermittler schätzten den Fall als „das klassische Modell von Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ein“, sagte Mehdorn. Das bedeutet, der Beschuldigte soll Aufträge gegen Bares für seine private Kasse in Aussicht gestellt haben.

Anonyme Anzeige gegen Großmann

Der Flughafen gibt das in Rede stehende vermutete Bestechungsgeld mit einer halben Million Euro an. Großmann soll das Geld dem Vernehmen nach von einer international agierenden Ingenieurfirma mit Hauptsitz in den Niederlanden gefordert haben, die ohnehin das günstigste Angebot für eine Leistung unterbreitet hatte.

Der Technik-Chef soll daraufhin angeregt haben, die Honorarforderung zu erhöhen. Die Firma würde den Auftrag dennoch erhalten, die Beteiligten könnten sich das zusätzliche Geld aus der Flughafenkasse teilen – so lautet der Vorwurf. Mitarbeiter der Ingenieurfirma informierten den Flughafen über die Unregelmäßigkeiten. Zuvor hatte es eine anonyme Anzeige gegen Großmann gegeben.

Weitere Hiobsbotschaft

Für Hartmut Mehdorn und das Flughafenprojekt ist dies eine weitere Hiobsbotschaft. Selbst im jüngsten offiziellen Sachstandsbericht wird Großmann gelobt. Unter seiner Führung seien „umfangreiche Berechnungen“ durchgeführt und „mögliche Lösungswege für die Entrauchung des Fluggastterminals aufgezeigt“ worden. Ehemalige Mitarbeiter aus Großmanns Firma Gicon, die mit ihrem Chef an den Flughafen gewechselt waren, bleiben an Bord. „Wir werden auch in neuer personeller Zusammensetzung den beschrittenen Weg weitergehen: Für die wesentlichen technischen Fragestellungen, die bislang einer Eröffnung des BER im Weg standen, haben wir Lösungen erarbeitet und die Planungen aufgenommen. Wir arbeiten an den Entrauchungsthemen“, sagte Mehdorn.

Die Politik reagierte jedoch alarmiert. „Wir brauchen schnellstens Klarheit über den Vorfall selbst, mögliche Weiterungen und insbesondere über die möglichen Auswirkungen auf den weiteren Planungs- und Bauablauf“, erklärte der Brandenburger Flughafenkoordinator, Staatssekretär Rainer Bretschneider. Der Betroffene habe eine Schlüsselstellung für die Fertigstellung des Projektes innegehabt. Umso wichtiger sei es, dass sich auch der Aufsichtsrat ein Bild mache.

Die Brandenburger Aufsichtsräte haben dem Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit geschrieben und eine „unverzügliche“ Sondersitzung des Kontrollgremiums gefordert. Berlins Regierender Bürgermeister ist diese Woche auf Dienstreise in China. Sein Sprecher Richard Meng sagte, es hänge vom Stand der Erkenntnisse ab und von der Notwendigkeit, eventuelle Personalentscheidungen zu treffen, ob eine Sondersitzung Sinn ergebe. Das nächste reguläre Treffen ist für Ende Juni/Anfang Juli angesetzt.

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Der Berliner Grünen-Abgeordnete Andreas Otto sagte, es müsse geklärt werden, ob die „tatsächlichen oder vermeintlichen Lösungen für die Entrauchungsanlage“, die Herr Großmann jüngst vorstellte, „durch technische Überlegungen entstanden sind oder eher Verdienstmöglichkeiten für befreundete Firmen generieren sollten“.

Otto, der im Flughafen-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt, verwies auf den Streit mit dem Planer Alfredo di Mauro, der jüngst entlassen worden war. Di Mauro hatte sich gegen die Aussage gewehrt, wonach seine Konzeption niemals hätte funktionieren können. „Dieser Rauswurf und die Vernichtung seiner Unterlagen erscheinen in einem ganz neuen Licht, wenn es um Schmiergeldzahlungen von anderen Firmen geht“, sagte Otto und stellte die hypothetische Frage, ob wohl eine Fertigstellung nach Di Mauros Plänen zu schnell gegangen wäre.

Di Mauro bot Flughafenchef jetzt seine Hilfe an. „Ich stehe ab sofort parat“, sagte Di Mauro am Donnerstag. Ein Flughafensprecher wollte das Angebot aber nicht kommentieren.

„Entscheidungen prüfen“

Aus Sicht des Piraten-Fraktionschefs Martin Delius, der dem Untersuchungsausschuss vorsitzt, reißt der „Wegfall“ des einzigen technisch versierten Entscheiders bei der Flughafengesellschaft eine „riesige Wunde in die ohnehin schon extrem dünne Personaldecke im technischen Bereich“. Nun müssten „alle Entscheidungen der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft und des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Herrn Großmann auf den Prüfstand“, sagte Delius: „Es dürfen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Vergaben, Planungsänderungen und Personalentscheidungen bestehen bleiben.“

Auch die Flughafenexpertin der Linken, Jutta Matuschek, verwies auf den Strategiewechsel, der nach Großmanns Berufung zum Technik-Chef stattgefunden habe. Großmanns Firma Gicon habe im Laufe der Zeit verschiedene Aufträge der Flughafengesellschaft erhalten. Die wichtigste Aufgabe sei seit Juni 2012 die Mängelerfassung und -beseitigung gewesen.

Seinerzeit sei noch der Auftrag gewesen, die Entrauchungsanlage gemeinsam mit dem damaligen Geschäftsführer Horst Amann fertig zu stellen. „Dieses Ziel war bis vor Kurzem auch nicht infrage gestellt worden“, sagte Matuschek. Seit Großmann im April 2014 Technikchef wurde, habe er mit der Mitteilung überrascht, dass die Grundkonstruktion der Anlage nicht funktionsfähig sei. Der Rausschmiss des Planers Di Mauro erfolgte offenbar auf Basis der Einschätzung Großmanns. „Die Umstände dieser Verquickung von technischer Expertise, Entlassung des einen und Berufung des anderen Experten müssen in die Untersuchung der Staatsanwaltschaft mit einbezogen werden, um dem Verdacht der persönlichen Bereicherung Großmanns nachzugehen.“

Umzug vom Airport Tegel nach Schönefeld ausgeschrieben

Auch im Aufsichtsrat ist man sehr interessiert zu erfahren, ob man es am BER nicht etwa doch mit einem korrupten System zu tun haben könnte. Der Flughafenchef weist das zurück. Mehdorn verwies auf die „Null-Toleranz-Linie“ bei Korruptionsfällen. „Unser Vergaberegelwerk ist in Ordnung. Unsere Mechanismen haben gegriffen. Gegen kriminelle Energie Einzelner sind wir jedoch nicht gefeit“, sagte Mehdorn.

Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop gibt den Vorgängen eine politische Dimension. „Erst die Niederlage beim Volksentscheid, jetzt der Korruptionsskandal am BER: Der Wowereit-Senat hat zu Recht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verloren“, sagte die Oppositionsführerin. Anstatt trotzig zu reagieren, müsse Klaus Wowereit den Berlinern erklären, auf welcher Grundlage er noch verantwortlich Politik für die Stadt gestalten wolle.

Auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert (SPD), fordert eine umfassende Aufklärung der Korruptionsaffäre. Der Aufsichtsrat müsse sich detailliert mit den Vorfällen befassen, forderte Burkert am Freitag im Inforadio des RBB. „Es braucht einen neuen Technikchef“, ergänzte er. Auch der Bund als Eigentümer müsse vielleicht stärker in die Führungsrolle. Der Verkehrsausschuss werde sich noch im Juni mit der Situation befassen.

Obwohl mit der Beurlaubung des wichtigsten Technikers am BER ein Eröffnungstermin in weite Ferne gerückt zu sein scheint, hat die Flughafengesellschaft jetzt den Umzug vom Airport Tegel nach Schönefeld ausgeschrieben. Im Amtsblatt der Europäischen Union wird als Ziel ein „möglichst reibungsloser Übergang vom Bau in den Regelbetrieb“ genannt.