Im Streit um ein verschärftes Nachtflugverbot am neuen Flughafen BER stehen sich die Fronten unversöhnlich gegenüber. Das wurde am Mittwoch bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses deutlich. Die Vertreter des Senats, die SPD-Staatssekretäre Björn Böhning (Senatskanzlei) und Christian Gaebler (Verkehr) betonten, dass sie keine Veranlassung sehen, die bisher geltende Ruhezeit von 23 bis fünf Uhr zu erweitern. Es gebe keinen Grund, vom Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses abzuweichen, sagte Gaebler. Eine Nachtruhe von 22 bis sechs Uhr hätte „immense ökonomische und betriebswirtschaftliche Auswirkungen auf den BER“, sagte Böhning.
Die Abgeordneten hörten in der Ausschusssitzung Vertreter der Volksinitiative für ein Nachtflugverbot an, die sich mit 23.000 gesammelten Unterschriften das Recht erkämpft hatte, dem Parlament nochmals ihr Anliegen vorzutragen. Das Land Berlin müsse endlich anfangen, mit Brandenburg über das erweiterte Nachtflugverbot zu verhandeln, forderten die Vertreter der Initiative.
Das Land Brandenburg hatte als Reaktion auf ein erfolgreiches Volksbegehren im Landtag beschlossen, sich für mehr Nachtruhe stark zu machen. Potsdam verlangt auch ein Nachtflugverbot zwischen 22 und sechs Uhr. Die anderen Gesellschafter des Flughafens, Berlin und der Bund, lehnen das ab und beharren auf dem Kompromiss, den das Bundesverwaltungsgericht bestätigt hatte.
Schädliche Wirkung auf den Körper
Ralf Müller von der Volksinitiative rechnete den Abgeordneten vor, dass die angestrebte Kapazität des BER sich auch in 16 Betriebsstunden ohne Nutzung der Nacht abwickeln lasse. „Sorgen Sie dafür, dass kein tiefer Graben zwischen Berlin und Brandenburg aufgerissen wird, gehen Sie auf Brandenburg zu“, appellierte Müller an die Berliner Volksvertreter. Ein erster Schritt könne ein Startverbot nach 22 Uhr sein, während ankommende Jets auch noch später landen dürften.
Mediziner beschrieben die aus diversen Studien gewonnenen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Risiken durch nächtlichen Fluglärm. Nicht der Dauerschallpegel sei entscheidend, sondern die Belastung durch Ereignisse, die zu einem „Beinahe-Aufwachen“ führten und den Körper unter Stress setzten. „Die schädlichen Wirkungen von Fluglärm sind kausal und epidemiologisch belegt“, sagte der Arzt Henning Thole.
Die Bürgervertreter drohten den Abgeordneten mit heftigem Widerstand der Flughafenanwohner. „Die Betroffenen haben die Faust in der Tasche“, sagte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Hans Behrbohm, nicht erst durch den „Flugroutenbetrug“. Spätestens mit der Eröffnung des BER „werden sie sich die ruhigen Tage noch zurückwünschen“. Koalitionsabgeordnete irritierte die aggressive Wortwahl der Initiative. „Ich lasse mich hier doch nicht beschimpfen“, rief die SPD-Abgeordnete Iris Spranger. Grüne, Linke und Piraten machten deutlich, dass sie das Anliegen der Bürger unterstützen. Koalitionspolitiker äußerten sich zurückhaltend. Bei der nächsten Sitzung will der Ausschuss über die Folgen der Anhörung beraten.