Grüne und Piraten erwarten, dass der Hauptstadtflughafen mehr kosten wird, als die am Sonntag diskutierten fünf Milliarden Euro. Demnach könnte der BER alle Horrorszenarien übertreffen.
Die neuerliche Kostenexplosion beim Großflughafen BER an die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze kommt nach Expertenmeinung nicht überraschend. „Das ist überhaupt nicht erstaunlich“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag und neue Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter.
„Die Kosten der Baustelle liegen wohl eher bei 40 bis 50 Millionen Euro im Monat als bei den bislang bekannten 35 Millionen.“ Dazu kämen die bekannten Probleme mit der Brandschutzanlage und weitere bis heute kaum bekannte Mängel auf der Baustelle. „Der willkürliche Abbruch der Bauarbeiten mit der Entlassung von insgesamt 300 Leuten hat solche Verwerfungen gezeigt, dass man immer noch keinen Überblick über das Ausmaß hat“, sagte Hofreiter. „Die vom Aufsichtsrat ins Spiel gebrachten fünf Milliarden Kosten sind offenbar Ausfluss des neuen Fertigstellungsplans der Geschäftsführung.“
Die Kosten würden weiter steigen, solange es keinen Aufsichtsratschef gibt, der ausreichend Zeit in die Tätigkeit investieren könnte. Außerdem müsse der Streit zwischen den beiden Geschäftsführern Hartmut Mehdorn und Horst Amann beigelegt werden. „Der Flughafen braucht endlich eine funktionierende Geschäftsführung und einen verbindlichen Terminkorridor“, sagte Hofreiter.
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Der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus, Martin Delius (Piraten), glaubt sogar, dass es nicht bei dem Kostenrahmen von fünf Milliarden Euro bleibt. Die Flughafengesellschaft müsse eine erhebliche Zinslast tragen, wenn der BER in Betrieb ist. Diese müsse, so Delius, „ehrlicherweise in die Gesamtsumme eingerechnet werden“. Die Wirtschaftlichkeit des BER-Projekts sei nie belegt worden, warnte er. Die Piratenfraktion werde im Abgeordnetenhaus eine Initiative starten, diesen Beleg einzufordern. Dazu sei das Landesparlament berechtigt.
Delius kritisierte auch die Informationspolitik des Aufsichtsrates: „Es ist bezeichnend, dass nun das eintritt, was wir schon vor der Bundestagswahl gesagt haben.“ Die Wahrheit dringe nur scheibchenweise durch. Dabei sei auch die Rechnung des Bundes der Steuerzahler nur bedingt nachvollziehbar. Die genannten fünf Milliarden Euro könnten, so Delius’ Rechnung, nur die bisherigen Subventionen, das Eigenkapital der Flughafengesellschaft und die laufenden Kosten für etwa zwei Jahre bis zur Eröffnung umfassen. „Wir werden jetzt immer wieder neue Zahlen hören“, prognostiziert Delius. Ein Beispiel sei, dass die Kosten für den Anwohner-Schallschutz jetzt schon auf 700 Millionen Euro beziffert werden. Vor wenigen Wochen sei noch von 400 Millionen die Rede gewesen. Delius befürchtet, der BER werde ein „Zuschussgeschäft“. Nicht zuletzt erwartet er nach der Eröffnung weitere Klagen von Anwohnern, etwa wegen des Fluglärms.
Irritationen um Berliner Justizsenator Heilmann
Irritationen haben unterdessen Gerüchte über die Nachfolge des ausgeschiedenen Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Matthias Platzeck (SPD), ausgelöst. Berlins Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Thomas Heilmann (CDU), wurde als möglicher Nachfolger genannt. Doch weder in Berlin noch in Brandenburg ist der Name ein Thema.
„Frank Henkel war sehr amüsiert, als der Name fiel“, hieß es am Montag aus dem Umfeld des CDU-Landeschefs und Innensenators. Heilmann gehöre zu den „absurderen Vorschlägen“ für einen Platzeck-Nachfolger. Auch in der Senatskanzlei zeigte man sich erstaunt. „Das wurde nie ernsthaft diskutiert, das war nie ein Thema“, sagte Regierungssprecher Richard Meng.
Aus Sicht von Wirtschaftsvertretern wäre Heilmann dagegen eine gute Wahl. „Natürlich tut frischer Wind gut, und wir würden es sehr begrüßen, wenn der BER-Aufsichtsrat mit Personen verstärkt wird, die auch bereits erfolgreich unternehmerische Erfahrungen sammeln konnten“, sagte IHK-Sprecher Leif Erichsen. „Das ändert aber nichts daran, dass der Aufsichtsratsvorsitz hochkarätig besetzt werden muss.“
Sollte es weiterhin ein Politiker sein, dann muss es sich aus Sicht der IHK um einen Ministerpräsidenten oder Bundesminister handeln, um der politischen Tragweite des BER gerecht zu werden. Der Name Heilmann war am Wochenende unter anderem von Berlins Linke-Chef Klaus Lederer ins Spiel gebracht worden.
CDU-Wirtschaftsrat will schnelle Platzeck-Nachfolge
Auch der Wirtschaftsrat der CDU Berlin-Brandenburg fordert eine schnelle Klärung der Nachfolge Platzecks als Aufsichtsratsvorsitzender des BER. „Ein Neuanfang im Aufsichtsrat ist eine Chance“, sagte der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates Berlin-Brandenburg, Nikolaus Breuel. „Thomas Heilmann ist ein erfolgreicher Unternehmer und bringt beste Voraussetzungen für die Führung großer Projekte mit.“ Der Flughafen brauche einen klaren, frischen Blick, um das Großprojekt zum Erfolg zu führen, so Breuel weiter.
Die Personalie wird jedoch wohl erst im Dezember abschließend geklärt. Zunächst wird die Regierungsbildung im Bund abgewartet, neben Berlin und Brandenburg dem dritten Gesellschafter der Gesellschaft. Das Vorschlagsrecht liegt bei Brandenburg.