Die bereits vier Mal verschobene Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) hat viele Verlierer. Besonders hart aber trifft sie die mehr als 70 Gewerbetreibenden, die ihre Läden, Imbiss-Stände oder Restaurants am neuen Hauptstadtflughafen eröffnen wollten. Sie haben kräftig in moderne Ladeneinrichtungen oder Küchen investiert und dafür teils sechsstellige Kredite aufgenommen. Jetzt stehen sie nicht nur mit einem Berg an Schulden für die ungenutzte Investitionen dar, sie haben auch keine Einnahmen. Der Unmut war bei einigen Geschäftsleute groß, der Ruf nach Schadenersatz wurde laut.
Einige von ihnen kommen nun doch mit dem Flughafen ins Geschäft. Schadensersatz gibt es nicht, wohl aber günstige neue Mietverträge. Retter in der Not ist wie schon bei der Abwicklung des stetig wachsenden Luftverkehrs von und nach Berlin der alte Innenstadt-Airport Tegel. In dessen mehr als 40 Jahren alten Terminal A wurden jetzt gleich mehrere Neu-Eröffnungen gefeiert.
Ladenbesitzer rechnet 2013 nicht mehr mit BER-Eröffnung
Zu den Glücklichen gehört etwa Jens Fischbach mit seinem Geschäft „Capi – The Travellers Electronics Company“. Auch Fischbach wollte eigentlich längst am BER arbeiten. Dafür ist der Berliner Filialleiter des Unternehmens, das aktuell an 17 Flughäfen weltweit vertreten ist, extra von Frankfurt nach Berlin gezogen. „Aus den bekannten Gründen wurde daraus nichts“, so der Kaufmann. Er ist überzeugt davon, dass sich die Investition in das Ladengeschäft am Flughafen Tegel rentieren wird. In seinem Mietvertrag mit der Flughafengesellschaft FBB stehe zwar, dass der Vertrag ende, wenn der Flughafen Tegel außer Betrieb gestellt werde, so Fischbach. Doch das werde wohl zumindest 2013 keinesfalls passieren. Woher er diese Gewissheit nimmt? „Wir waren am BER in Schönefeld und haben uns den Neubau angeschaut“, sagt Fischbach lapidar. „Es wäre mir natürlich lieber gewesen, wenn wir wie geplant am BER eröffnet hätten“, ergänzt der 38-Jährige.
Auch das Spielzeuggeschäft „Die kleine Gesellschaft“ gehört zu den Läden, die nun statt am BER in Schönefeld am TXL in Tegel eröffnet haben. Die Verkaufstresen und Regale hat Geschäftsführerin Beatrice Posch mit dem Umzugswagen vom BER in Schönefeld in den Terminal A nach Tegel bringen lassen. „Das Geschäft ist mit 45 Quadratmetern am Standort Tegel zwar kleiner“, sagt die Unternehmerin. Doch der Finanzaufwand für den Umbau des Ladens habe sich in Grenzen gehalten. „Dennoch hoffen wir natürlich weiter auf den BER, denn die Investitionen dort sind ja erheblich“, betont sie.
Hoffnung auf gute Geschäfte
Immerhin: Diejenigen, die ihre Läden und Lokale jetzt in Tegel neu eröffnen, können auf gute Geschäfte hoffen. Der Flughafen brummt wie noch nie in seiner fast 40-jährigen Geschichte. Im ersten Halbjahr 2013 hat der TXL gerade wieder einen neuen Passagierrekord aufgestellt. 9,2 Millionen Fluggäste wurden an den Gates abgefertigt, ein kräftiges Plus von 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Der Passagierzuwachs in Tegel hat nun auch dazu geführt, dass sich endlich „visitBerlin“, die offiziellen Tourismuswerber des Landes Berlin, mit einer „Berlin Tourist Info“ im alten Flughafengebäude eingefunden haben. Seit zwei Monaten stehen die Mitarbeiter, die mehrere Sprachen sprechen, Berlin-Besuchern mit Rat und Tat zur Seite. Bislang gab es in Tegel nur eine Anlaufstelle, die über Flüge und den Flughafen informierte. Der kleine Stand am Terminal A, gegenüber dem Gate 1 ist zwar nicht annähernd so groß, schick und komfortabel wie das geplante „BerlinBrandenburg WelcomeCenter“ am BER in Schönefeld. „Dadurch, dass Tegel so stark frequentiert ist wie nie zuvor, ist es wichtig, dort präsent zu sein“, sagte Katharina Dreger, Sprecherin von „visitBerlin“. Für die Tourismus- und Kongressbranche sei es jedoch enorm wichtig, dass der BER so schnell wie möglich eröffnet werde.
Davon geht allerdings Andrea Girau nicht aus. Der Gastronom, der zusammen mit seinem Geschäftspartner Bruno Pellegrini das Charlottenburger Kult-Restaurant „Ana e Bruno“ betreibt, rechnet damit, dass er seine mediterranen Köstlichkeiten „mindestens noch bis zum Sommer kommenden Jahres“ in Tegel anbieten kann, bevor der Umzug nach Schönefeld kommt. Statt der 300 Quadratmeter mit 150 Sitzplätzen, die am BER zur Verfügung stehen, muss das Bistro in Tegel mit 70 Quadratmetern und 50 Sitzplätzen auskommen. Dennoch: „Das Geschäft in Tegel lohnt sich auf jeden Fall“, so der 39-Jährige.
Zeitplan erst im Herbst
Wie lange die Spielzeugverkäuferin Posch und die Gastronomen Girau und Pellegrini noch in Tegel Geld verdienen können, ist völlig unklar. Erst im Herbst will Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn den weiteren Zeitplan für eine Inbetriebnahme des neuen Hauptstadtflughafens in Schönefeld verkünden. Der Druck ist groß: Jeder Monat Verspätung am BER kostet die Flughafengesellschaft 34 Millionen Euro. Dazu tragen auch die Verluste aus dem sogenannten Non-Aviation-Geschäft bei. Während die Flughafengesellschaft in Tegel insgesamt nur 35 Verkaufseinheiten vermieten kann, sollen es am BER mehr als 150 teils deutlich größere Läden und Lokale sein.
Auch die von Mehdorn als Positiv-Signal gewünschte Teil-Eröffnung des BER scheint zumindest für dieses Jahr vom Tisch. Mehdorn wollte noch diesen Winter den 350 Meter langen Nordpier eröffnen, um die Abläufe am neuen Flughafen zu erproben. Doch es fanden sich keine Fluggesellschaften, die dies mitmachen wollten. Und auch für den Einbau von Check-in-Schaltern und Gepäckbändern gibt es wohl vor dem Frühjahr 2014 keine Genehmigung durch die Behörden.
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