Nach BER-Debakel

Bundestag prüft Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel

| Lesedauer: 6 Minuten
Viktoria Solms

Foto: dpa Picture-Alliance / Kalaene Jens / picture-alliance / ZB

Berlins FDP-Landeschef Lindner möchte ganz genau wissen, wie Tegel geöffnet bleiben könnte. Möglicherweise reicht eine einfache Genehmigung.

Kaum eine Frage bewegt Berlin derzeit so sehr wie ein möglicher Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Fast jeder Berliner hat hier schon einmal Freunde empfangen, Familienmitglieder verabschiedet oder ist selbst in die Ferne aufgebrochen. Wohl auch wegen der besonderen Bedeutung des Flughafens während der Teilung der Stadt wird die Debatte über einen Fortbestand von Tegel fast nur emotional geführt.

Der Berliner FDP-Landesvorsitzende Martin Lindner, der für seine Partei auch im Bundestag sitzt, will diese Frage daher nun einmal rechtlich sauber klären lassen. Aus dem Grund hat Lindner zusammen mit zwei anderen Abgeordneten eine Anfrage an den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gestellt.

Lindner lässt rechtliche Grundlagen für Tegel-Offenhaltung klären

Lindner will klären lassen, ob es unter den derzeitigen rechtlichen Gegebenheiten möglich ist, auch nach der Inbetriebnahme des BER am Flughafen Tegel den ganz normalen Linienbetrieb oder zumindest den militärischen Flugverkehr weiter laufen zu lassen.

Sollte das nicht zutreffen, sollen die Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes einmal darlegen, welche rechtlichen Voraussetzungen „Bundestag und Bundesregierung sowie die Parlamente und Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg gegebenenfalls herbeiführen“ müssten, um einen Weiterbetrieb von Tegel als Verkehrsflughafen zu ermöglichen, heißt es in dem Antrag, der der Berliner Morgenpost vorliegt.

Kapazitäten am Flughafen BER reichen wohl nicht aus

„Die meisten Berliner und Gäste schätzen den Flughafen Tegel sehr“, sagt Lindner. Auch zeichne sich nun schon ab, dass die Kapazitäten am BER langfristig kaum ausreichen werden, um den Bedarf zu decken. „Vor diesem Hintergrund ist es nur vernünftig, alles zu prüfen und auszuloten, um den Flugbetrieb in Tegel zu erhalten.“

Rechtlich könnte es dafür mehrere Ansatzpunkte geben. So könnte es möglicherweise genügen, wenn das Land Berlin den Widerruf der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Berlin-Tegel vom 29. Juli 2004 zurück nimmt.

Genauso gut könnte auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung der Flughafengesellschaft einfach eine neue Betriebsgenehmigung für Tegel erteilen. Falls allerdings ein neues Planfeststellungsverfahren initiiert werden müsste, will die FDP vom wissenschaftlichen Dienst eine Einschätzung erfahren, wie groß die Erfolgsaussichten dafür sind.

Ramsauer rechnet nicht vor 2015 mit BER-Eröffnung

Auf ihrem Landesparteitag am Wochenende hatten die FDP-Delegierten die Klärung all dieser Fragen mit breiter Zustimmung zu einem entsprechenden Dringlichkeitsantrag unterstützt. Sie fordern „eine Überprüfung und Aktualisierung der prognostizierten Verkehrsentwicklung und des Luftverkehrsbedarfs“, um auf dieser Basis den Planfeststellungsbeschluss für den BER zu ändern.

>>>Der Bau des Flughafens in einer interaktiven Timeline

Sogar Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer rechnet nicht mehr mit einer Eröffnung des BER vor 2015. Insofern ist es schon ein Fortschritt, dass der BER zumindest abseits des Flugbetriebs genutzt werden kann. So fand am Montag im neuen Besucherzentrum am BER die 85. Sitzung der Brandenburger Fluglärmkomission statt. Dabei handelt es sich um ein beratendes Gremium, dem unter anderem Vertretern von Gemeinden, Ministerien, Flughafen und Airlines angehören. In der Vergangenheit war die Kommission insbesondere mit dem Streit um die Flugrouten am BER befasst.

Airlines wollen Flugbewegungen am BER analysieren

Laut Beschluss des Gremiums soll die Flughafengesellschaft ab Oktober 2013 am alten Flughafen Schönefeld zwischen 23.30 und 5.30 Uhr keinen planmäßigen Flugbetrieb mehr zulassen, sondern nur noch verspätete oder verfrühte Flieger abfertigen. Militärische Flieger und Flugzeuge der Post sollen davon nicht betroffen sein. Derzeit gilt am alten Flughafen Schönefeld noch kein Nachtflugverbot. Die Kommission würde damit schon einen Teil der Regelungen vorwegnehmen, die für den BER vorgesehen sind.

Zwar seien davon laut Michael Bayr kaum Flugzeuge betroffen, so dass der Effekt für die Anwohner kaum spürbar sei. „Allerdings geht es uns mit der Maßnahme vor allem darum, Vertrauen zu schaffen“, so Bayr. Die anwesenden Vertreter der Airlines sahen dennoch keine Notwendigkeit dafür, die Nachtruhe schon vorzeitig einzuführen. Sie wollen nun Zahlen zu den Flugbewegungen zusammentragen um weiter darüber zu diskutieren. Die Fluglärmkommission will nun als erstes die Stellungsnahme der Flughafengesellschaft abwarten.

Ein weiteres wichtiges Thema bei der Sitzung war die Auseinandersetzung mit der EU-Kommission. Dabei geht es um die Frage, ob der Müggelsee überflogen werden darf. Die Anwohner kritisisren, dass bei der Festlegung der künftigen Flugrouten keine Umwelt-Verträglichkeitsprüfung für das ausgewiesene Flora-Fauna-Habitat rund um den Müggelsee und das angrenzende Vogelschutzgebiet durchgeführt worden war. Sie haben daher geklagt und einen ersten Erfolg für sich verbucht.

Die EU-Kommisson ging nämlich auf ihre Klagen ein und drohte Deutschland mit einem sogenanntens Vertragsverletzungsverfahren. „Zwischen der Kommission und der Bundesregierung hat es daher Gespräche gegeben“, sagt Nikolaus Herrmann, Direktor des Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Die Regierung muss nun weitere Informationen nachreichen. Herrmann geht anders als die Kläger davon aus, dass Brüsel damit zufrieden sein wird.

Streit um Wannseeroute geht weiter

Allerdings ist dies nicht der einzige Streitpunkt, den es in Bezug auf die künftigen Routen des BER zu klären gibt. Auch die Auseinandersetzung um die sogenannte Wannseeroute geht weiter. Laut Herrmann werde das BAF gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) in Revision gehen. Das sei schon wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas notwendig.

Im Kern geht es darum, ob das Risiko eines terroristischen Anschlags oder eines Flugzeugsabsturz bei Überflug des des atomaren Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums in Wannsee bei der Festlegung der Flugrouten ausreichend berücksichtigt worden ist. Das ist nach Ansicht der Kläger nicht der Fall. Auch das Oberverwaltungsgericht schloss sich im Januar dieser Auffassung an. Die Richter erklärten die Route daher für rechtswidrig.

Bis zur nächsten Sitzung im Oktober bleibt die Fluglärmkommission ohne Vorsitzende. Laut der scheidenden Chefin Kathrin Schneider konnte sich die Kommission nicht auf einen neuen Namen einigen. „Wir versinken deshalb aber nicht im Chaos, die Arbeit in der Geschäftsstelle geht regulär weiter“, so Schneider. Zuvor hatte sie die Leitung des Gremiums abgeben, das sie im Januar zur Staatssekretärin im brandenburgischen Verkehrsministeriu ernannt worden war. Beide Ämter darf man nicht gleichzeitig innehaben.

>>>Alles rund um den Bau des Flughafens BER finden Sie hier.