23.52 Uhr: Nächtliche Rastlosigkeit in Wittenberge
An den Deichen blinken die Taschenlampen der Deichläufer. Immer fahren sind Polizeiwagen unterwegs, die Lautsprecherdurchsagen machen. Auch der Bürgermeister, heißt es, sei in der Stadt unterwegs. An den Ecken stehen Anwohner, die diskutieren und telefonieren.
Wichtigstes Thema: Der Pegelstand der Elbe. "Es hängt davon ab, wie es in Magdeburg läuft", sagt jemand.
Drängendste Frage: Was wird morgen? Die einen tragen in den Häusern emsig Möbel und Habseligkeiten in die Obergeschosse. Andere fragen sich, ob Strom und Wasser abgeschaltet werden. Erst am Sonntag wollen die Behörden entscheiden. Es wird eine lange Nacht werden in Wittenberge. Auch wenn es jetzt leise ist - schlafen können wohl nur die wenigsten.
23.24 Uhr: 1800 Hilfskräfte im Einsatz
Insgesamt sind im Landkreis Prignitz momentan fast 1800 Hilfskräfte im Einsatz - darunter rund 870 freiwillige Helfer, 480 Feuerwehrleute, 90 Polizisten und 177 Bundeswehrsoldaten, die durch weitere 300 verstärkt werden sollen.
23.17 Uhr: Erste Anlaufstellen für Anwohner
Für Betroffene gibt es diese Telefonnummern: Bürgertelefons der Stadt Wittenberge, Tel. 03877/ 566 90 00, sowie der Freiwillige Feuerwehr: Tel. 03877/ 60175.
Hilfsbedürftige Personen seien dem Rettungsdienst bekannt und würden kontaktiert. Sollte das nicht geschehen, werden die Betroffenen gebeten, die genannten Nummern anrufen. Anwohner, die die nicht zu Hause seien, erhielten die Gelegenheit ihre Wohnungen noch aufzusuchen.
Anwohner, die nicht anderweitig unterkommen könnten, werden von der evangelischen Kirche und vom Busbahnhof mit Bussen nach Perleberg in eine Notunterkunft gebracht. Sie werden gebeten, nur das Notwendigste an persönlichen Dokumenten und Bekleidung für die nächsten drei Tage mitnehmen.
23.15 Uhr: Der Deich hält noch stand
Noch habe keine Deichbewegung stattgefunden, die „Deichverteidigung“ habe weiter erste Priorität, heißt in der Pressemitteilung. Es gebe aber keine Garantie, dass die Deiche hielten.
Was bedeutet: Alle Sandsäcke liegen da, wo sie hinsollen. Am Nachmittag hatte Landrat Hans Lange gesagt: Nun komme es darauf an, dass die Deichläufer möglichst genau beobachteten, ob irgendwo Wasser durchdringe. Dann werde alles getan, um es zurückzudrängen – „Verteidigung“ eben.
Der weitere Aufenthalt in der Altstadt, so das Amt, sei in diesem gefährdeten Bereich mit erhöhtem Risiko für die eigene Person verbunden. Zum Schutz des Hab und Gutes der Bürger seien die Polizei und Feuerwehr im gesamten Bereich im Einsatz.
23.05 Uhr: Behörden vermelden schnell ansteigendes Hochwasser
Plötzlich ist es sehr leise in den Straßen der Wittenberger Altstadt. Die Durchsagen der Feuerwehr- und Polizeiautos scheppern zwischen den Häusern, am Himmel knattert ein Hubschrauber. Doch Menschen sind nur noch wenige unterwegs.
Seit 20 Uhr werden die Bewohner gebeten, die Häuser freiwillig zu verlassen. „Sehr schnell ansteigendes Hochwasser“ mache die freiwillige Evakuierung aller Bewohner im Altstadtbereich von der Elbe bis zur Lenzener Straße, Stern, Mohrenstraße, Müllerstraße bis zur Bad Wilsnacker Straße erforderlich“, so die offizielle Pressemitteilung der Behörden.
Die Evakuierungen hätten um 20 Uhr mit ersten Lautsprecherdurchsagen begonnen. Der für Sonntag vorhergesagte Pegelstand von 7,50 werde bereits in der kommenden Nacht überschritten.
22.30 Uhr: Wittenberger packen ihr Hab und Gut zusammen
Angelladen, Fahrradgeschäft, Apotheke - die Bahnstrasse ist nach 22 Uhr hell erleuchtet. Die Ladenbesitzer räumen hektisch ihre Geschäfte aus oder versuchen, alles alles möglichst weit nach oben zu stellen.
Privatleute verstauen Möbel in ihren Pkws und auf Anhängern. Andere sagen: wir bleiben. Ein älterer Herr erklärt entschieden: "Mein Haus hat ein 65 Zentimeter dickes Fundament, was soll da schon passieren?"
Ein anderer Mann meint, er sein Haus läge ja weit oben, "da kann das Wasser unten reinfließen und wieder raus". Außerdem wohne bei ihm seine 83jährige Mutter, "Wo soll ich denn mit ihr hin?"
Richtig vorstellen können sich es die Wittenberger noch nicht, dass durch ihre schön sanierte Straße möglicherweise bald die Elbe fließt. Obwohl auch sie die Prognosen kennen und auch die Spundwände ein paar hundert Meter weiter am Hafen gesehen haben. Das Wasser stand am Abend schon kurz darunter. "Wie lange werden die halten?", fragt einer. Dann schweigen sie und winken dem Autotreck der Nachbarn zu, die einer nach dem anderen die Stadt verlassen.
22.03 Uhr: Für Dienstag wird der Höchststand erwartet
Für den kommenden Dienstag wird der Höchststande des Hochwassers erwartet. Auf 8,10 Meter sollen die Fluten ansteigen, normal sind 2,77 Meter.
Den Einsatzkräften an den Deichen stehe ein tagelanger Kampf gegen das Hochwasser bevor, sagte ein Sprecher des Koordinierungszentrums Krisenmanagement.
21.49 Uhr: Keine Zwangsräumung angeordnet
Bislang liegt immer noch keine Pressemitteilung bezüglich der Evakuierung von Wittenberge vor. "Daran arbeitet man noch", heißt es in der Stabsstelle Katastrophenschutz in Perleberg.
Fest steht bislang: Es wurde keine Zwangsräumung angeordnet. Die Bewohner wurden lediglich aufgefordert, freiwillig die Wohnhäuser zu verlassen. Am Sonntagmorgen soll dann entschieden werden, wie es weitergeht.
In der Altstadt Wittenberge sind folgende Straßen von der freiwilligen Evakuierung betroffen: Elbstraße - Müllerstr - Mohrenstr - Lenzener Str bis zur B 189.
21.34 Uhr Freiwillige Evakuierung eingeleitet
Die Busfahrer am "Sammelpunkt Evakuierung", dem Busbahnhof in der Innenstadt wissen nichts von einer Zwangsevakuierung. Alles sei freiwillig. Ihr Auftrag ist es, die Leute nach Perleberg in die Rolandhalle zu bringen, eine Sporthalle. Sie sagen den Anwohnern: Bis Null Uhr sei alles freiwillig.
Eine offizielle Pressemitteilung dazu gibt es immer noch nicht. Der RBB hat berichtet, dann wurde ad hoc telefonisch zu einer Pk in Perleberg eingeladen. Journalisten, die da noch in Wittenberge waren wie ich, wurde versprochen, man werde danach informieren. Leider nicht passiert
>>> Hier sehen Sie, wie viele Menschen sich zum Thema Hochwasser auf Twitter äußern <<<
21.20 Uhr Wittenberger überrascht von Anordnung
Dörre Schmidt und ihr Nachbar Reimo Groß wurden von der Evakuierungsanordnung in der Alltstadt von Wittenberge völlig überrascht. Sie packen jetzt, wollen morgen versuchen, bei Freunden unterzukommen. Sie ärgern sich über die Informationspolitik. "Da hinten stehen schon die Busse und wir wissen von nichts.
Manuel Fäthke (21) hatte Glück im Unglück - nachdem die Nachricht im RBB kam, rief sein Opa an und half ihm beim Leertäumen der Wohnung. Fäthke wird bei einer Freundin unterkommen.
20.25 Uhr Wittenberge - Erste Häuser werden evakuiert
Wegen des Hochwassers an der Elbe soll ein Teil der Altstadt von Wittenberge am Samstagabend evakuiert werden. Etwa 1500 Einwohner seien aufgefordert, von 20.00 Uhr an ihre Wohnungen zu verlassen, sagte der Landrat des Kreises Prignitz, Hans Lange.
Feuerwehrautos fahren mit Sirenen durch den Ort. Polizisten klingeln an den Türen und bitten die Anwohner, die Häuser freiwillig zu verlassen. Ab morgen seien sie verpflichtet, die Häuser zu verlassen.
Eine junge Frau, die in einem Restaurant in den Nähe arbeitet und in der Altstadt wohnt, sagt, morgen ziehen wir in die Pension von Freunden.
Schon gegen 19.15 Uhr erreichte die Elbe bei Wittenberge den historischen Höchststand von 7,45 Meter. Das war ein Zentimeter mehr als beim bisherigen Rekord im Jahr 1880.
Am Abend stieg die Elbe bei Wittenberge noch um fünf bis zehn Zentimeter pro Stunde.
19.58 Uhr: Elbe soll auf 8,14 Meter ansteigen
Die Elbstraße in Wittenberge ist jetzt auch für Fußgänger gesperrt - angeblich zunächst nur so lange, bis die Deiche aufgestockt sind. Fahrradfahrer stehen etwas genervt an an Absperrungen, ein Polizist sagt: "Denken Sie an Mühlberg! Gucken is nicht!" Per Handy werden die neusten Prognosen durchgegeben: Angeblich soll die Elbe 8,14 Meter hoch werden am Dienstag. Aktuell sind es 7,42.
19.38 Uhr: Hochwasser-Rekord in Wittenberge erreicht
Inzwischen ist der Hochwsser-Rekord in Wittenberge gebrochen - um 18.15 Uhr war die Höchstmarke von 2011 erreicht, 7,40 Meter hoch steht das Wasser.
An den Deichen herrscht eine Stimmung irgendwo zwischen Mobilmachung und Party. Während immer wieder Feuerwehr- und Bundeswehr-Lkw Sandsäcke und Helfer bringen, cruisen andere in tiefergelegten Autos mit wummenden Bässen durch die Straßen. Es ist eben, neben vielem anderem, auch Samstagabend in Wittenberge.
19.00 Uhr: Tröbitz - Notunterkunft in der Turnhalle
Die Turnhalle des SV Blau-Weiss Tröbitz wurde zur Notunterkunft umfunktioniert. Man hat dort 150 Feldbetten aufgestellt - rund 50 Mühlberger haben sich hierher zurückgezogen. Die Helfer haben viele Stullen für die dort Untergebrachten geschmiert und kümmern sich um allgemein um das leibliche Wohl der Untergebrachten.
Trotz der kritischen Situation ist die Stimmung ist relativ heiter - man trägt es mit Humor, von allen Seiten ist Lachen zu hören.
„Wichtig ist dass, wir Weihnachten wieder gesund zu Hause sind“, scherzt Eugen Kareus. Der 78-jährige Mühlberger ist schon mehrfach vor dem Wasser der Elbe geflüchtet. Das letzte Mal musste er gemeinsam mit seiner Frau vor den Fluten fliehen und für vier Tage die heimatliche Wohnung verlassen.
18.27 Uhr: Viele Geschäfte in Wittenberge verrammelt
In der Innenstadt dagegen wird fleißig gewerkelt. Inzwischen sind viele Geschäfte mit Platten und Sandsäcken verrammelt. Andere sind es nicht. Ebenso halten es offenbar die Privatleute. Während die einen ihre Häuser dick in Säcke packen, scheinen sich andere lieber an die Hoffnung zu klammern, dass schon nichts passieren wird.
Auf den Straßen sorgen sich die Menschen vor allem, ob Straßen gesperrt werden wie bei vergangenen Hochwassern. "Mein Chef hat mich gefragt, ob ich eine Woche Urlaub nehmen will oder hier in der Stadt bleiben, wenn das Wasser kommt", berichtet eine Frau, die außerhalb wohnt.
Umgekehrt hat es Nizar Il-Kassim gemacht, der in einem der am meisten gefährdeten Dörfer in der Nähe wohnt. „Ich habe meine Sachen im Auto mitgebracht, damit ich in der Nacht hierbleiben kann, wenn es nicht mehr zurückgeht. Kassim hat auch das Hochwasser 2002 schon hier erlebt. „Damals habe ich geholfen, Sandsäcke zu schleppen. Diesmal habe ich mein eigenes Geschäft geschützt.“ Er hat ein Tex-Mex-Restaurant in der Einkaufsstraße von Wittenberge. Er will es aufhalten, so lange es geht. Auch wenn er dafür alle Speisen über den halbmeterhohen Schutzwall nach draußen tragen muss, den er selbst gebaut hat.
18.15 Uhr: Bei Garsedow müssen Rehe ihre Kitze zurück lassen
"Sowas haben wir noch nie erlebt", sagen Wittenberger. Bei Garsedow, erzählt einer der Baufachleute am Deich, haben sie gestern Abend Rehe beobachtet, auf einer der letzten Inseln in den Elbfluten.
"Die Rehe haben es geschafft, ins Trockene zu schwimmen, aber die Kitze mussten sie zurücklassen". Das rührt selbst die harten Kerle am Deich.
17.25 Uhr: Wälle werden weiter verstärkt
Stiefelgetrappel donnert über die Straße in Wittenberge. Ein Trupp Bundeswehrsoldaten eilt auf den Sandsack-Wall zu. Die ersten knien schon auf den Säcken, um, wie die Kinder, neugierig zu schauen, wie hoch dahinter das Wasser steht. Der Kommandoführer pfeift sie zurück und deutet auf einen Lkw mit Sandsäcken: "Abladen und oben druff! Aber ordentlich!" Alle Wälle müssen heute abend nochmal erhöht werden, denn nach wie vor gilt die Vorhersage, nach der das Hochwasser am Dienstag auf 8,10 steigen soll.
Immerhin eine Schwachstelle in den Deichen ist schon am Nachmittag fertig geworden - der Deich auf 1,7 Kilometern zwischen Wittenberge und dem Ort Garsedow. Er war noch nicht ganz fertig, als die Hochwasserwarnung kam. Nun schützt nun eine Folie und ein zusätzlicher Sandsackwall das Land dahinter vorm Wasser. Zahlreiche Feuerwehrleute hatten geholfen, damit alles rechtzeitig fertig wurde. Und weil das Wasser schneller und schneller stieg, kamen zuletzt auch Polizeitaucher, die die Folie unter Wasser befestigten und beschwerten.
Alle, egal ob an der Promenade oder an den Deichbaustellen, halten immer wieder inne, um sich über das anschwellende Wasser zu wundern. Inzwischen schwimmt die Terrasse vom Restaurant "Kranhaus" auf dem Wasser - gestern abend war noch mehr als ein halber Meter Luft darunter.
17.12 Uhr: Wittenberge - Elbwasser erreicht Pegel von 7,36 Metern
In Wittenberge steht das Elbwasser fast so hoch wie beim Hochwasser 2002. Der Pegel hat einen Stand von 7,36 Metern erreicht. Das Wasser hat die Spundwände fast erreicht, mit dem der Deich mit der Promenade erhöht worden war. Inzwischen ist die dahinter verlaufende Straße gesperrt, nur Anlieger kommen durch - und Lkw mit Sandsäcken.
Die Wittenberger strömen auch am Sonnabend in Scharen ans "Ufer", das sich dort gebildet hat, wo sonst das Gras der Elbauen blüht. Doch es herrscht angespannte Stimmung. "Nicht die Schutzanlagen betreten"!, hallt blechern immer wieder die Ansage der Polizisten durch die Straßen, die an den Absperrungen Position bezogen haben.
16.30 Uhr: Landpartie lockt trotz des Hochwassers Besucher an
Die Plakate zur Landpartie waren gedruckt, die Besucher eingeladen. Dann kam das Hochwasser. Einige Unternehmen mussten absagen. Die anderen feierten wie geplant.
Trotz Hochwassers von mehreren Brandenburger Flüssen ist die 19. Brandenburger Landpartie wie geplant gestartet. Einige betroffene Betriebe mussten ihre Teilnahme absagen. Die einen waren selbst vom Wasser betroffen, andere wollten nicht feiern, weil wenige Kilometer weiter Menschen gegen das Hochwasser kämpften.
Beispielsweise sagte der Bieligkhof in Bad Liebenwerda ab, denn der Hof grenzt an die Schwarze Elster und wurde überschwemmt. Auch wenn nicht selbst betroffen, wollte sich das Aueroxenreservat Spreeaue GmbH am Radweg zwischen Cottbus und Burg (Spree-Neiße) nicht beteiligen – aus Solidarität mit den Menschen, die gegen die Fluten kämpfen.
Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) betonte bei der Eröffnung, die komplette Absage des Festes sei nicht ins Auge gefasst worden. „Wir brauchen Werbung für die Landwirtschaft, dabei hilft die Landpartie.“ Nach Angaben des Präsidenten des Landesbauernverbandes Udo Folgart ist unterdessen eine Spendenaktion für vom Hochwasser betroffene Landwirte gestartet worden. Die Organisatoren rechnen mit rund 100.000 Besuchern bei der Landpartie. Rund 250 Höfe und Agrarunternehmen haben geöffnet.
16.10 Uhr: Experte empfiehlt baldige Rückkehr in die Häuser
Zu den Evakuierungen befragten die Berliner Morgenpost-Reporter Matthias Freude, den Präsidenten des Landesumweltamtes Potsdam (LUGV), der den vom Hochwasser betroffenen Mühlbergern folgenden Rat gibt: "Unsere fachliche Empfehlung wird sein, dass die Bürger bald wieder zurück in ihre Häuser können."
Mit Blick auf den aktuellen Pegelstand äußert der Experte Erleichterung: "Da kommen schon leichte Glücksgefühle auf. Wir haben 16 Zentimeter weniger als gestern um diese Zeit. Man kann wieder einmal sagen: richtig Glück gehabt.“ Freude lobt auch die Einsatzkräfte vor Ort, sie hätten viel in atemberaubend schneller Zeit geleistet.
Trotzdem wäre weiterhin Wachsamkeit angebracht: „Aus Tschechien soll sehr viel Regen kommen, und der Boden ist völlig wassergesättigt, jeder Tropfen fließt ab, als wenn er gefroren wäre. Aus Tschechien braucht das Wasser aber 4-5 Tage, bis es hier ist, solange haben wir hier dann Entspannung, und dann geht es wieder von vorne los."
15.01 Uhr: Die Mühlberger fürchten drohenden Regen
„In Bad Liebenwerda und Herzberg regnet's kräftig!“, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, als er auf dem Rathausplatz in Mühlberg aus seinem Dienstwagen steigt.
„Da soll's auch bleiben!“, entgegnet Hannelore Brendel, die Bürgermeisterin des evakuierten Ortes an der Elbe. „Die Häuser in der Altstadt sind überwiegend leer, die persönliche Ansprache der Bürger hat sich gelohnt“, berichtet Brendel vom aktuellen Stand in der Stadt.
„Wir sind in den Nachbarorten an ein paar Bürgern am Gartenzaun vorbeigefahren - nicht ein böses Wort“, sagt Platzeck. Der Tross um Platzeck, Innenminister Dietmar Woidke, Landrat Christian Jaschinski und die Bürgermeisterin läuft Richtung Hafen, dort warten Experten vom Landesumweltamt. „Der Scheitel wird noch etwa zwei Tage bestehen und auf die Deiche drücken. Wenn wir Montag/Dienstag schaffen, haben wir das Schlimmste überstanden. Zur Zeit sieht es nicht schlecht aus“, sagt Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes.
14.04 Uhr: So können Sie Flutopfern helfen
Mehrere Hilfsorganisationen sammeln Geldspenden für Flutopfer:
Diakonie Katastrophenhilfe: Stichwort „Fluthilfe“, Konto 502502, Evang. Darlehensgenoss., BLZ 21060237; Caritas international: Stichwort „Hochwasseropfer 2013“, Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft, Karlsruhe, BLZ 66020500;
DRK Sachsen: Stichwort „Nachbarn in Not“, Konto 414141, Bank für Sozialwirtschaft, Köln, BLZ 37020500
DLRG: Stichwort „Flutopferhilfe 2013“ oder „Hochwassereinsatz 2013“, Konto 7309000000, Volksbank Schaumburg, BLZ 25591413
13.55 Uhr: Lage an Spree und Schwarzer Elster entspannt sich
An Spree und Schwarzer Elster entspannt sich die Lage. Für die beiden Orte Bad Liebenwerda und Herzberg gilt Alarmstufe 3 – Tendenz fallend.
13.40 Uhr: Sprecher des Landrats nicht erreichbar
Die von den Bürgern in Mühlberg in den vergangenen Tagen immer wieder geäußerte Kritik an der Informationspolitik der offiziellen Stellen bestätigt sich auch am Sonnabend. Der Sprecher des Landrats Christian Jaschinski, immerhin einziger Ansprechpartner des Landkreises Elbe-Elster, ist seit mehr als zwei Stunden nicht erreichbar.
13.10 Uhr: Bereits 1,57 Millionen Sandsäcke angefordert
Die vom Hochwasser in Brandenburg betroffenen Landkreise haben bislang rund 1,57 Millionen Sandsäcke vom Landeskatastrophenschutzlager Beeskow angefordert. Wie das Hochwasser-Krisenzentrum des Landes in Potsdam am Sonnabend mitteilte, wurden außerdem Vlies und Folien zum Abdecken und Sichern der Deiche ausgeliefert. 700 Betten für Einsatzkräfte und Notunterkünfte wurden bereitgestellt. Sie stammen aus Beständen der Bundeswehr und des Landeslagers.
12.50 Uhr: Viele Berliner wollen Wittenberge helfen
In Wittenberge klingen die Telefone heiß. Viele Berliner wollen spontan helfen, die Elbe-Stadt gegen das drohende Hochwasser sicher zu machen.
Bis zum Abend sollen alle Deiche so verstärkt werden, dass sie 8,50 Meter Hochwasser standhalten. Für Dienstag sind 8,10 Meter vorhergesagt, momentan sind es 7,20 Meter.
Bürgermeister Oliver Hermann freut sich über die große Hilfsbereitschaft. Inzwischen sind allerdings fast alle Übernachtungsquartiere in den Stadt ausgebucht.
Ausweichmöglichkeit ist zum Beispiel Perleberg. Informationen zu den Sandabfüllplätzen gibt es auf www.wittenberge.de oder unter Tel. 03877-5669000
11.20 Uhr: Katastrophenforscher will Gaffer zu Helfern machen
Der Berliner Katastrophenforscher Martin Voss ruft dazu auf, in Katastrophentouristen auch mögliche Helfer zu sehen. „Binden Sie die Leute ein, denn eigentlich wollen die das“, sagte er im Interview mit dem Bremer „Weser-Kurier“: „Wir haben den Gaffer immer als Störquelle betrachtet, nicht als potenziellen Helfer. Aber ihn einzubinden ist besser, als ihn mit Strafen zu überziehen“, sagte der Leiter der Katastrophenforschungsstelle an der Freien Universität Berlin.
Hinter der Schaulust steckten ein menschliches Interesse, Neugier und das Bedürfnis zu lernen, worauf man sich selbst einstellen müsse. „Als Trendentwicklung in der Breite haben wir das seit 20, 30 Jahren“, sagte Voss. Das hänge auch stark mit den Medien zusammen. „Katastrophen machen halt Quote.“ Heute schauten Gaffer viel länger hin und überschritten dabei auch Schamgrenzen. „Über die letzten Jahre haben wir da durch das Reality-Fernsehen einen Schub erlebt.“
Er habe aber auch Verständnis für Schaulust, sagte Voss. Es sei ein wichtiger Lernprozess für eine Gesellschaft, hinzusehen. „Die Frage ist: Tritt man den Menschen, die Opfer sind, in ihrer Entblößung zu nahe?“
10.35 Uhr: Havelpolder könnten geflutet werden
Um die Elbe bei Wittenberge zu entlasten, wird erwogen, die Havelpolder bei Havelberg zu fluten. Dies könnte für Rathenow Probleme bringen, dort könnten Keller volllaufen, so Hans Lange, Landrat des Landkreises Prignitz. Die Flutung könne am Sonntag oder Montag stattfinden - wichtig sei, dass der richtige Zeitpunkt vor dem Erreichen des Hochwasserscheitels in Wittenberge getroffen werde. Über die Flutung entscheide eine Expertengruppe.
10.30 Uhr: Nicht alle Mühlberger sind geflüchtet
Komplett leer ist die Elbestadt Mühlberg (Elbe-Elster) noch immer nicht. Fährt man durch die Straßen der evakuierten Stadt, hört man aus einem offenen Fenster den Ton des Fernsehers, vereinzelt sieht man Menschen auf der Straße.
Drei Viertel der Einwohner haben die Stadt bis Sonnabendvormittag verlassen.
Geblieben sind u.a. Alfred Christen und seine Schwiegertochter Silke (47). Christen ist Pferdefleischer in der dritten Generation, seit 1975 führt er den Betrieb am Neustädter Markt in Mühlberg. „Unsere zwölf Pferde haben wir schon am Mittwoch nach Altenau in Sicherheit gebracht, zusammen mit den zwei Rindern“, erzählt der 77-Jährige. Die 70 Kaninchen jedoch mussten in Mühlberg bleiben, weil sie Junge haben, die nicht in der Gruppe transportiert werden können.
Ob Sie Angst haben, weil sie deswegen in der Stadt bleiben müssen? „Wissen Sie, wenn man am Wasser groß wird, sieht man das alles nicht so wild. Und: Wenn der Damm bricht, ist es für alle schlimm“, sagt Alfred Christen.
Die bereits produzierten Fleisch- und Wurstwaren wurden von einem befreundeten Kollegen aus Berlin-Heinersdorf mit zwei Kühltransportern weggebracht. Die Produktion steht jetzt still, Familie Christen wartet ab.
Sohn Peter Christen (49) sagt, der „harte Kern“ der Mühlberger sei geblieben. Viele davon müssten wie er bleiben, weil sie ihre Tiere pflegen und versorgen müssen.
„Andere sind einfach unvernünftig. Dort vorn lebt ein altes Ehepaar, die Frau liegt seit zehn Jahren im Bett, der Mann ist 94 und pflegt sie. Die haben es bisher abgelehnt, den Ort zu verlassen und bekommen einmal am Tag eine Essenslieferung.“
Warum sich das Paar nicht schon am Mittwoch in Sicherheit bringen lassen hat, versteht Christen nicht. Hilfsbedürftige und alte Menschen waren bereits Mitte der Woche mit Bussen in spezielle Notunterkünfte gebracht worden.
10.05 Uhr: Hochwasserwarnstufe 4 in der gesamten Prignitz
Seit Sonnabendmorgen, 8 Uhr, gilt auch im gesamten Landkreis Prignitz Hochwasserwarnstufe 4. Das teilte Landrat Hans Lange mit.
10 Uhr: Berliner werden um Hilfe gebeten
Wittenberge bittet die Berliner um Hilfe beim Deiche sichern. Das Hochwasser in der Elbestadt wird höher ausfallen als gedacht. Deshalb müssen einige Deiche noch verstärkt werden. Noch am Freitag waren Helfer wieder weggeschickt worden, weil man glaubte, genügend gerüstet zu sein. Nach der neuen Prognose von Freitagnachmittag soll die Elbe am Dienstag auf 8,10 Metern steigen. Deswegen bittet die Stadt nun dringend um Helfer, gern auch aus Berlin.
Folgende Plätze sind täglich (auch Sonnabend und Sonntag) ab 8 Uhr geöffnet: Alte Ölmühle; Bad Wilsnacker Straße, Packhofstraße, ESV-Sportplatz, Breeser Straße (Rehwischdeich)
Nachfragen über das Bürgertelefon: 03877-5669000.
9.50 Uhr: Arbeiten an neuer Straße werden fortgesetzt
Südlich von Mühlberg wird seit Freitagabend eine Behelfsstraße zum Deich gebaut. „Der Schutzwall ist auf einer Länge von 150 Metern stark aufgeweicht. Am Abend wurde dieser Abschnitt bereits elbseitig von Tauchern und von Booten aus verstärkt. Damit wir ihn auch landseitig stützen und sichern können, brauchen wir diese rund 500 Meter lange Straße über das Feld, um schneller zum Deich kommen zu können", sagt Polizeisprecherin Ines Filohn.
Die Arbeiten waren mitten in der Nacht wegen aufkommenden Nebels abgebrochen und am Morgen wieder aufgenommen worden.
Bau der Behelfsstraße zwischen Borschütz und Fichtenberg:
Filohn beantwortet nach eigenen Angaben rund 400 Anrufe pro Tag und ist täglich von 7 bis 19 Uhr zwischen dem Lagezentrum in Weinberge und Mühlberg unterwegs.
9.30 Uhr: Platzeck und Woidke kommen ins Flutgebiet
Nach Informationen der Berliner Morgenpost wollen Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Innenminister Dietmar Woidke (beide SPD) im Lauf des Tages erneut nach Mühlberg kommen und sich persönlich ein Bild der Lage in der evakuierten Stadt machen.
Eindrücke aus dem menschenleeren Mühlberg:
9.20 Uhr: Deiche werden auf Sickerstellen kontrolliert
Zwischen dem Mühlberger Hafen und dem Gebiet der alten Elbe sind seit 6 Uhr zwei Deichläufer unterwegs. Sie kontrollieren auf diesem etwa zwei Kilometer langen Abschnitt die Deichanlagen auf Sickerstellen. Gegen 10 Uhr werden sie von einem neuen Team abgelöst.
8.55 Uhr: Helfer sind voller Zuversicht
Egal ob bei den Polizisten an den Kontrollpunkten vor der Stadt Mühlberg, im Lagezentrum in Weinberge, knapp drei Kilometer von der Elbe entfernt, oder bei den Einsatzkräften am Deich - es fällt auf, dass die Stimmung gut ist. Trotz der Anstrengungen strahlen die Menschen Ruhe und Zuversicht aus.
8.45 Uhr: Polizei kontrolliert Zufahrtsstraßen
Einer der Kontrollpunkte der Polizei liegt mittlerweile 14 Kilometer von Mühlberg entfernt im Örtchen Möglenz. Dort werden Autofahrer gestoppt, die in Richtung der evakuierten Stadt unterwegs sind, und nach ihrem Vorhaben gefragt.
Nur fünf Kilometer weiter in Neuburxdorf steht bereits die nächste Kontrolleinheit der Polizei. Drei Beamte stoppen die Autos wieder, nehmen Ausweise mit zum Einsatzwagen und klären die Berechtigung zur Einfahrt in das Gebiet.
Aus Richtung Mühlberg selbst kommen unterdessen fünf leere Linienbusse mit der Aufschrift „Sonderfahrt“.
8.25 Uhr: Autos sollen in Fluchtrichtung geparkt werden
Am Sonnabendmorgen gibt die Polizei den Journalisten in Mühlberg die Empfehlung, ihre Autos immer "in Fluchtrichtung" zu parken und den Ort bei Sirenengeheul „fluchtartig zu verlassen“.
Über den Feldern zwischen Bad Liebenwerda und Mühlberg liegt am Morgen noch der Nebel der Nacht.
8.05 Uhr: Neue Zufahrt zum Deich verzögert sich
In Borschütz (Nähe Mühlberg) wurde am Freitag begonnen, eine provisorische Straße an die gefährdete Deichanlage zu bauen. So soll das nötige Material für die Stabilisierung der Deiche einfacher und schneller herbeigeschafft werden.
Die Arbeiten dauerten bis in die frühen Morgenstunden, mussten nach Angaben einer Polizeisprecherin dann aber unterbrochen werden. Der Grund: Frühnebel, der die Sicht behinderte.
Die Deiche gelten in diesem Bereich als sehr schwammig.
7.30 Uhr: Helfer zum Sandsäckestapeln gesucht
In Wittenberge steht die Elbe am Sonnabendmorgen bei 6,98 Metern - einen halben Meter höher als vorausberechnet. Weil auch der Scheitelpunkt am Dienstag mit 8,10 Metern deutlich höher werden soll als zunächst angenommen, beratschlagen Stadt und Landkreis zur Stunde, was getan werden muss.
Bisher hatte man angenommen, der höchste Stand werde bei 7,45 Metern liegen - Gelassenheit wurde demonstriert.
Inzwischen ist die Stimmung deutlich angespannter. Zunächst werden weitere Helfer zum Sandsäckestapeln gesucht. Momentan sind in der Prignitz 1443 Helfer im Einsatz, darunter 562 Feuerwehrleute, 250 Bundeswehrsoldaten, zehn THW-Mitarbeiter und 463 freiwillige Helfer. Der Landkreis hat 81.000 Einwohner. Die Elbe fließt auf 71 Kilometern durch das Landkreis, dazu kommen zwei weitere Flüsse, die Löcknitz (knapp 25 Kilometer) und die Stepenitz (46,5 Kilometer).
6.40 Uhr: Pegelstand der Elbe fällt
Der Pegel der Elbe in Mühlberg ist von 9,85 Metern am Freitagabend auf 9,72 Meter am Sonnabendmorgen gefallen. Das liegt weiterhin unter dem historischen Höchstwert von 9,98 Meter aus dem Jahr 2002. Gefährlich, so die Experten, ist in diesem Jahr aber das sogenannte Scheitelplateau, das über einen Zeitraum von vier oder fünf Tagen mit Wasserhöhen von mehr als 9,50 Meter auf die Deiche drücken wird.
6.25 Uhr: Polizei nach Evakuierung im Einsatz
Auch in der Nacht haben Einsatzkräfte der Polizei und Notfallseelsorger ihre Touren durch Mühlberg fortgesetzt und die verbliebenen Einwohner eindringlich aufgefordert, den Ort zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Wie viele Bewohner sich weiterhin weigern zu gehen, ist bislang nicht klar. Angekündigt ist aber, dass sie nicht mit Zwang aus ihren Häusern geholt werden.
6.20 Uhr: Rund 4500 Mühlberger haben ihre Stadt verlassen
Nach der angeordneten Evakuierung der Stadt Mühlberg mussten nach Schätzungen der Polizei rund 4500 Bürger ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Einige konnten die Nacht bei Freunden oder Bekannten in Orten in der Nähe verbringen, andere wurden in Notunterkünften untergebracht.
6.15 Uhr: Kurzes Fazit der Nacht von Freitag zu Sonnabend
Der Pegel lag in Mühlberg in der Nacht bei 9,77 Meter. Beim Jahrhunderthochwasser 2002 war das Wasser auf 9,98 Meter angestiegen. Damals hatte das „Wunder von Mühlberg“ die Einwohner vor der Flut geschützt. Sie hatten mit Sandsäcken die Deiche verstärkt und auf 10,30 Meter erhöht. Die neuen Bereiche wurden mittlerweile elf Meter hoch gebaut.
Die Lage wird weiterhin als dramatisch eingeschätzt.
Interaktiver Live-Pegelstand in Mühlberg
Auch an der Schwarzen Elster und in der Prignitz bleibt die Lage weiter ernst: Die Dämme sind durchnässt. Auch im Havelland wird die Situation zunehmend ernster. Dort sind die Wehre wegen des Elbhochwassers geschlossen worden. An der Spree ist langsam Entspannung in Sicht.
Auch in der Nacht waren Deichläufer im Einsatz und spürten Gefahrenstellen auf.
Alle Informationen zur Hochwasser-Lage in Brandenburg finden Sie HIER.
6.01 Uhr: Spreewald ist gesperrt
Seit Mitternacht ist der gesamte Spreewald wegen des steigenden Hochwassers für Boote gesperrt. Touren mit den Kähnen, Kanufahren und Paddeln sind bis auf weiteres verboten. Wegen des Hochwassers haben auch einige Höfe ihre Teilnahme an der Brandenburger Landpartie am Wochenende abgesagt. Sie stehen zum Teil ebenfalls unter Wasser.
Brandenburg kämpft gegen das Hochwasser. Auch am heutigen Sonnabend sind die Morgenpost-Reporter live vor Ort und berichten.
Hochwasser in Brandenburg - unser Liveblog von Freitag.
Hochwasser in Brandenburg - unser Liveblog von Donnerstag.
Hochwasser in Brandenburg - unser Liveblog von Mittwoch.