Berlin. Das ehemalige Konsulat Bulgariens in Berlin-Pankow steht seit Jahren leer und verfällt. Hier erhalten Sie alle Infos zu dem Lost Place.

Im ehemaligen DDR-Diplomatenviertel nahe dem Majakowskiring in Niederschönhausen wurden zu DDR-Zeiten Dutzende Gebäude als Botschaften, Residenzen oder Wohnhäuser für Diplomaten hochgezogen. Nach der Wende suchten viele der Diplomaten aus aller Welt eine neue Bleibe – und die meisten der protzigen Anwesen begannen zu verfallen.

Lost-Places-Touristen in der Hauptstadt kennen längst den morbiden Charme der Hals über Kopf geräumten Botschaft des Irak in der Tschaikowskistraße oder die jetzt sanierte Vertretung Australiens in der Grabbeallee. Sehr viel weniger bekannt – fast noch ein Geheimtipp – ist ein anderer Plattenbau: die ehemalige Residenz Bulgariens. Hier erhalten Sie alle wichtigen Informationen zu dem Lost Place in Pankow.

Das sind die Fakten zum Konsulat Bulgariens in der DDR im Überblick:

  • Adresse: Beuthstraße 6–8, 13156 Berlin-Niederschönhausen
  • Geschichte: Bis zur Wende als Botschaftsresidenz der Volksrepublik Bulgarien genutzt. Seit der Wiedervereinigung steht das Gebäude leer
  • Führungen: Keine
  • Status: Aktueller Lost Place
  • Planung: Keine. 2014 wurde das Grundstück der Republik Bulgarien übertragen. Bereits zuvor lagen die Nutzungsrechte für das weitgehend leerstehende Anwesen bei Bulgarien, das offenbar keine Verwendung für die ehemalige Residenz am Brosepark hat

Wo liegt das Konsulat Bulgariens genau?

Das Konsulatsgebäude liegt in der Beuthstraße 6–8 im Ortsteil Niederschönhausen im Bezirk Pankow. Das Grundstück grenzt unmittelbar östlich an den Brosepark an. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Anwesen am besten mit der Tramlinie M1 oder der Buslinie 107 zu erreichen. Von der Haltestelle Kuckhoffstraße benötigt man zu Fuß etwa vier Minuten und kann durch den Brosepark spazieren. Alternativ kann auch die Buslinie 250 (Haltestelle Herthaplatz) genutzt werden. Vom Herthaplatz geht es rechts in die Waldowstraße und anschließend links in die Beuthstraße.

Achtung: Das Betreten des Grundstückes ist verboten. Das Gelände und die Gebäude sind geschützt und kameraüberwacht. Von der Straße aus kann das Anwesen aber eingesehen werden. Lesen Sie auch: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch

Lost Places in Pankow

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    Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Konsulats Bulgariens:

    Ausgangslage: Ein Anwesen für Geheimdiensttätigkeiten

    Tatsächlich ist über die Errichtung und die Zeit der Nutzung des Anwesens in der Beuthstraße kaum etwas bekannt – wohl aus gutem Grund, denn es gibt Hinweise darauf, dass das Anwesen auch als operatives Objekt für Geheimdiensttätigkeiten geplant worden ist. Dazu fehlte aber wohl die Zeit. Denn die die Auslandsvertretung wurde erst wenige Jahre vor dem Fall der Mauer fertiggestellt. Mitte der 1980er-Jahre befanden sich die Gebäude auf dem Grundstück noch im Bau.

    Die Zigarettenfabrik Garbaty mit Festschmuck zu den Olympischen Spielen 1936.
    Die Zigarettenfabrik Garbaty mit Festschmuck zu den Olympischen Spielen 1936. © picture alliance / arkivi | - | picture alliance / arkivi | -

    Bulgarien hatte noch weitere Vertretungen in der DDR: Die Botschaft Bulgariens lag nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1989 in der ehemaligen Villa des jüdischen Zigarettenfabrikanten Josef Garbáty in der Berliner Straße 126–127. Heute befindet sich in der Villa die Botschaft des Libanon und der Sitz der bulgarischen Botschaft wurde in die Mauerstraße 11 verlegt. Außerdem unterhielt Bulgarien eine Handelsvertretung in Ostberlin, die an der Adresse Friedrichstraße 62, also zentral in der Innenstadt, lag.

    Konsulat Bulgariens: Offiziell war das Anwesen Residenz Bulgariens

    Das Gebäude in der Beuthstraße wird in einer Aufstellung der ehemaligen Auslandsvertretungen in der DDR, die für den Bundestag in den 1990er-Jahren angefertigt worden war, als Residenz Bulgariens geführt und sollte wohl offiziell konsularischen Zwecken dienen. Dazu zählten Aufgaben der Außenwirtschaftsförderung und der kulturellen Zusammenarbeit. Das Konsulat sollte außerdem Anlaufstelle für die Belange der Bürger Bulgariens in der DDR sein.

    Konsulat Bulgariens: Kurze Dienstwege im Diplomatenviertel

    Die ehemalige irakische Botschaft im DDR-Diplomatenviertel in Niederschönhausen.
    Die ehemalige irakische Botschaft im DDR-Diplomatenviertel in Niederschönhausen. © picture alliance/zb/Matthias Tödt

    Die Lage des Objekts nahe des Diplomatenviertels war für eine Auslandsvertretung perfekt geeignet. In der unmittelbaren Nachbarschaft befanden sich seit den 1970er-Jahren wichtige Niederlassungen anderer Staaten. So war beispielsweise die Botschaft des Irak in der DDR fußläufig zu erreichen. In der Tschaikowskistraße unterhielten Frankreich, Schweden und Italien Vertretungen. Am Majakowskiring lagen Residenzen Belgiens und Polens.

    Konsulat Bulgariens: So ist das Grundstück bebaut

    Das Grundstück in Niederschönhausen ist knapp 3000 Quadratmeter groß. Im vorderen Bereich des Anwesens befindet sich links vom Grundstückseingang ein eingeschossiges Gebäude, das als vorgesetzte Anliegerwohnung des Konsulats diente. Es verfügt über eine Tiefgarage unterhalb der Wohngebäudes.

    Das Konsulatsgebäude im hinteren Bereich des Grundstücks ist ein zweigeschossiger Bau im Stil der sozialistischen Moderne – mit verglastem Treppenhaus, vorspringenden Fassadenteilen und Terrasse in den rückwärtigen Gartenbereich. Im Inneren wartet das ehemalige Konsulat mit aufwendigen Holzverkleidungen sowie Parkett- und Steinböden auf. Kristallleuchter glitzerten im Speisesaal und noch heute findet man im Tanzsaal ein zurückgelassenes Klavier. Im Obergeschoss befanden sich unter anderem Büros des Konsulats und ein großzügig ausgelegter Empfangssaal.

    Konsulat Bulgariens: Sicherheitsbereich im Keller

    Im Keller des Konsulats befanden sich Schutzräume. Der Sicherheitsbereich war nur über das Treppenhaus zugänglich, das zu einer Tür mit Klingel führte. Dahinter befand sich ein Flur mit Nebenzimmern für die Gebäudetechnik sowie Lagerräume. Am Ende des Flurs erreichte man einen gesonderten Bereich mit Schutzräumen hinter einer Luftschutztür. Dort befanden sich Umkleideräume – wohl für Wachmannschaften – und ein großzügig dimensionierter Aufenthaltsraum mit Kamin und einem Designkunstwerk aus Holz an der Kellerdecke. Ein letzter Kellerraum von etwa 20 Quadratmetern Größe schließt sich nach zwei weiteren Luftschutztüren im abgetrennten Kellerbereich an. Dieser birgt ein gut gehütetes Geheimnis.

    Konsulat Bulgariens: Versteckte Bereiche unter der Erde

    Im letzten Raum des Kellers befindet sich am Boden der Außenwand eine weitere Luftschutzsicherung mit einer Stahltür von der Größe eines Tresors. Hinter der abgeriegelten, unscheinbaren Tür gelangt man in eine betonierte Röhre von vielleicht 80 bis 90 Zentimetern Durchmesser – gerade so viel Platz, dass ein erwachsener Mensch hindurchkriechen kann. Das Ende des Kriechtunnels führt zu einem gemauerten Schacht mit Leitersprossen und einer ebenerdigen, von innen verschließbaren Metallklappe. Der versteckte Tunnelausgang liegt angrenzend zum Brosepark und war durch Erde und Bewuchs verborgen. Er ermöglichte das heimliche Betreten oder Verlassen der Auslandsvertretung – ein großer Vorteil für Geheimdienstoperationen.

    Konsulat Bulgariens: Enge Zusammenarbeit der Geheimdienste

    Dieses mit nur 1,7mm im Durchmesser winziges Metallkügelchen wurde im Oberschenkel des Exil-Bulgaren und Journalisten Georgi Markov gefunden.
    Dieses mit nur 1,7mm im Durchmesser winziges Metallkügelchen wurde im Oberschenkel des Exil-Bulgaren und Journalisten Georgi Markov gefunden. © picture-alliance/ dpa

    Der bulgarische Geheimdienst Darschawna Sigurnost (DS) war berüchtigt: Auf sein Konto geht unter anderem die Ermordung des Schriftstellers Georgi Markow 1978 in London mit einem präparierten Regenschirm, aus dessen Spitze eine Giftkugel ins Bein gedrungen war, das gescheiterte Attentat auf Wladimir Kostow in Paris 1978 und eine Beteiligung an dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. 1981. Bis zu 300.000 Geheimagenten sollen in den Hochzeiten des DS in Bulgarien tätig gewesen sein und weitere 6000 Angestellte im Stasi-Innendienst.

    Bulgariens Spionage-Netzwerk unterhielt eine intensive Zusammenarbeit mit dem sowjetischen KGB und dem Ministerium für Staatsicherheit (MfS) in der DDR. Vorrangiges Ziel des bulgarischen Departements VI und seiner Dependancen in Freundesstaaten war die politische Verfolgung von Regimegegnern. Für die DDR-Führung war die Zusammenarbeit wichtig, um Gegner und potentielle Republikflüchtlinge zu identifizieren und auszuspähen, was in den kriselnden 1980er-Jahren noch einmal an Bedeutung gewann. Das Gebäude in der Beuthstraße war wohl als operatives Objekt geplant, inwieweit es in den 1980er-Jahren noch für Geheimdiensttätigkeiten zum Einsatz kam, ist nicht belegt.

    Konsulat Bulgariens: Schenkung nach der Wende

    Mit dem Ende der DDR war Ostberlin mit einem Mal nicht mehr Hauptstadt und viele Staaten verließen ihre Vertretungen in Pankow. Als Berlin dann neue Hauptstadt wurde, setzte zwar die Gegenbewegung ein, Diplomaten aus aller Welt suchten nach neuer Unterkunft, aber die begehrtesten Grundstücke lagen nun am Brandenburger Tor und in Tiergarten. Im alten Diplomatenquartier der DDR in Niederschönhausen fingen die Plattenbauten im ausländischen Staatsbesitz an zu bröckeln.

    Das Konsulat Bulgariens an der Beuthstraße verblieb in bulgarischem Besitz. 2014 wurde auch das Grundstück durch eine Vereinbarung der gegenseitigen Übertragung von Eigentum in Berlin und Sofia an die Republik Bulgarien übertragen.

    Konsulat Bulgariens: Leerstand und Verfall des Lost Place

    Seitdem wird das Objekt zwar gesichert – und befindet sich für einen Lost Place deswegen in einen relativ guten Zustand – die beiden Gebäude auf dem Grundstück stehen aber leer. Wildwuchs rankt auf den Betontreppen und auf dem Gelände befinden sich umgestürzte Bäume. Im hinteren Teil zeugen leere Bierflaschen und Graffiti an der Außenwand von unerlaubtem Betreten.

    Das Innere der Residenz ist dagegen gut in Schuss. Das Treppenhaus und die oberen Etagen wären im Handumdrehen wieder bezugsfertig. Nur im Kellergeschoss sind deutlichere Spuren des Verfalls sichtbar: Staub bedeckt ausrangierte Telefonanlagen sowie eine ausgediente Rheinmetall-Schreibmaschine und von den Wänden und Decken beginnt der Putz zu blättern.

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