Berlin. Instagram ist voll mit Bildern der Romantik moderner Ruinen. Doch der Besuch von “Lost Places“ ist verboten. Ein Anwalt klärt auf.
Verlassene Gebäude, schutzlos dem Zahn der Zeit überlassen, sind in den Augen der meisten Menschen abrissreife Bruchbuden. Im schlimmsten Fall wecken solche Ruinen Erinnerungen an einen Horrorfilm beim Betrachter.
Doch immer mehr Menschen entdecken den Nervenkitzel sogenannter "Lost Places" für sich. Ob Outdoor-Enthusiasten, Abenteurer, Influencer oder Hobby-Fotografen, mystische Orte sind im Trend. Von den Beelitz-Heilstätten in Brandenburg bis zum Grand Hotel Waldlust erkunden zunehmend Schaulustige die Ruinen. Doch das Betreten ist in aller Regel illegal. Diese Konsequenzen drohen beim Hausfriedensbruch.
Dass es sich dabei um kein Kavalliersdelikt handelt, betont Benjamin Grunst, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin. Der Strafverteidiger der Berliner Kanzlei "Buse Herz Grunst Rechstanwälte" rät aus strafrechtlicher Sicht vom Abenteuer in der Ruine ab: "Das Strafmaß reicht beim Hausfriedensbruch von der Geldbuße bis zu einem Jahr Haft."

Wer schon das ein oder andere auf dem Kerbholz hat, sollte von einem Besuch auf Villa Schönholz oder im Stadtbad Lichtenberg Abstand nehmen. "Zumindest im Falle einer laufenden Bewährung kann das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt."
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Eindringen in mystische Ruinen ist Hausfriedensbruch: Haftstrafe droht
Schlupflöcher bietet aber nicht nur marodes Mauerwerk, sondern die strafrechtliche Praxis. Um einer "Prozessflut zu entgehen", enden die meisten Fälle, in denen kein Schaden verursacht wird, in einer Verfahrenseinstellung.
Zur Erfüllung des Tatbestandes, muss dem Eindringling zudem offenbar sein, dass es sich "äußerlich erkennbarerweise um ein befriedetes Besitztum" handelt, wie Grunst erklärt. "Oder um es verständlich zu formulieren: Hier ist ein Zaun oder eine Tür, dahinter habe ich nichts zu suchen." Zudem handelt es sich beim Hausfriedensbruch um ein Antragsdelikt. Eine Strafverfolgung leitet sich daher nicht vom öffentlichen Interesse ab, wie im Falle eines Gewaltverbrechens, sondern "allein vom Strafantragsberechtigten", wie Grunst erklärt.

Im Falle städtischer oder staatlicher Liegenschaften besteht dieses Interesse durchaus. Denn von vielen Bauruinen gehen ernsthafte gesundheitliche Risiken aus. Nicht nur brüchige Bausubstanz kann in Form von Bodendruchbrüchen zu Schäden führen. In vielen Gebäuden, die Wind und Witterung ausgesetzt sind, gedeiht zudem Schwarzschimmel. Johanna Steinke, aus der Stabsstelle Kommunikation der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) stellt aber fest, "dass wir uns sehr wohl der Betreiberhaftung bewusst sind." Denn nicht nur wer sich illegal Zutritt verschafft ist der Strafverfolgung unterworfen. "Eigentum verpflichtet", rezitiert Grunst ein altes Juristen-Mantra. Bisher ist laut BIM aber noch kein Unfall bekannt geworden.
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Internationaler Hausfriedensbruch: Botschaften Sambias und Iraks verrotten
Auch vonseiten der Verwaltung wird vom Betreten der "Lost Places" abgeraten. Johanna Steinke betont, dass die vermeintlich mystischen Orte vom Personal der BIM "regelmäßig begangen, bewacht, bewirtschaftet und gesichert werden." Dementsprechend muss mit einer Anzeige bei der Polizei rechnen, wer illegal Liegenschaften betritt.

Zu den verwalteten Objekten gehören Gebäude von internationalem Interesse. So stehen in Pankow mit der Villa Buch, formell Sitz der sambischen Botschaft, und der irakischen Botschaft der ehemaligen DDR gleich zwei diplomatische Einrichtungen. Wer hier eindringt, hat vielleicht sogar weniger Ungemach zu erwarten, als bei herkömmlichen Bauwerken. "Strafantragsberechtigt ist der Nutzberechtigte", erklärt Benjamin Grunst. Während die Gebäude zwar Eigentum des deutschen Staates sind, liegt das Nutzrecht noch bei Sambia beziehunsgweise dem Irak.
Strafverschärfend kann sich dagegen eine Sachbeschädigung auswirken. Bis zu fünf Jahre Haft sieht das Gesetzbuch als Maximalstrafe bei einer mutwilligen Sachbeschädigung vor. "Graffiti am noblen Landhaus wiegen juristisch aber immer schwerer als an einer Bauruine", relativiert Grunst. Wichtigster Parameter hier: "Wird die Funktionalität beschädigt oder der Objektwert gemindert?" Solange die versteckten Kleinode von ihrer Verwahrlosung profitieren, und keinerlei Funktion erfüllen, dürften kleinere Schäden kaum größeren Strafen nach sich ziehen. (fmg)

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