Lost Places

Hier verfällt ein Glanzstück der DDR-Moderne zur Ruine

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Ringlokschuppen und Sozialgebäude (links im Bild) des ehemaligen Güterbahnhofs Pankow-Heinersdorf.

Ringlokschuppen und Sozialgebäude (links im Bild) des ehemaligen Güterbahnhofs Pankow-Heinersdorf.

Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Drei Bahngebäude rotten am Feuchten Winkel in Pankow vor sich hin – eines davon: das DR-Sozialgebäude. Alle Infos zu dem Lost Place.

Berlin. Der 1893 eröffnete Güter- und Rangierbahnhof Pankow war bis zur Wiedervereinigung wichtiger Umschlagplatz für Lebensmittel und Baustoffe im Kiez. Danach kam das Aus für den Bahnhof, und die historischen Gebäude begannen zu verfallen. Den alten Ring- und Rundlokschuppen ergänzte in der DDR-Zeit das Sozialgebäude Deutsche Reichsbahn, das heute zu einem der vielen Lost Places in Berlin verkommen ist. Erfahren Sie hier alle wichtigen Informationen zu dem denkmalgeschützten Objekt.

Das sind die Fakten zum Sozialgebäude Deutsche Reichsbahn im Überblick:

  • Adresse: Am Feuchten Winkel, 13089 Berlin-Pankow. Das Gelände befindet sich angrenzend an den S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf
  • Geschichte: Errichtung 1960-1961 als Teil des Betriebswerks Pankow nach einem Entwurf des Entwurfs- und Vermessungsbüro Deutsche Reichsbahn; Aufgabe und Leerstand seit 1997
  • Führungen: Keine
  • Status: Aktueller Lost Place
  • Denkmalnummer: Objekt-Nr. 09085380
  • Planung: Auf dem Areal soll ein Stadtquartier entstehen

Wo liegt das Sozialgebäude Deutsche Reichsbahn genau?

Auf dem Areal des alten Rangierbahnhofs Pankow-Heinersdorf östlich der Prenzlauer Promenade zwischen dem heutigen S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf und der Kleingartenanlage Feuchter Winkel. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Gelände am besten mit den S-Bahnlinien S1, S2, S8 und S25 zu erreichen (Haltestelle Pankow-Heinersdorf). Das Areal ist aus der Umgebung aus einsehbar.

Vom S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf oder von der Straße Am Feuchten Winkel aus sind die Gebäude einsehbar. Das Gelände selbst ist Privateigentum, das Betreten der Gebäude nicht erlaubt. Achtung vor den S-Bahngleisen: Das Betreten von Bahnanlagen ist generell verboten und lebensgefährlich. Lesen Sie auch: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch

Lost Places in Pankow
Lost Places in Pankow

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Sozialgebäudes Deutsche Reichsbahn:

Ausgangslage: Ein modernes Verwaltungs- und Sozialgebäude für die Arbeiter

Als das Sozialgebäude der Reichsbahn Anfang der 1960er-Jahre errichtet wurde, ergänzte es am Rangierbahnhof Heinersdorf ein Ensemble an Bahngebäuden, das schon mehr als ein halbes Jahrhundert lang im Dienst des Erhalts und der Wartung der eingesetzten Züge stand. Der 1893 eröffnete Rangierbahnhof Pankow-Heinersdorf lag an einer der wichtigsten Lebensadern der wachsenden Metropole Berlin: der Stettiner Bahn, die seit 1843 Berlin mit der Hafenstadt Stettin verband. Dreh- und Angelpunkt des Rangierbahnhofs Heinersdorf waren der Rundlokschuppen und der Ringlokschuppen mit vorgelagertem Drehkreuz, die beide heute noch erhalten sind.

Um sie herum waren im Laufe der Jahrzehnte ein unübersichtliches Durcheinander an schnell errichteten Versorgungs- und Verwaltungsgebäuden, Schuppen und Baracken entstanden, die den Bahnarbeitern als Arbeitsstätten und Unterkünften dienten. Um den Wildwuchs an Bauten Herr zu werden und den Arbeitern modernere Aufenthaltsmöglichkeiten zu bieten, reifte in der DDR-Zeit der Plan heran, den Beschäftigten ein neues zentrales Sozialgebäude bereit zu stellen.

Sozialgebäude Deutsche Reichsbahn: Baubeginn Anfang der 1960er-Jahre

Die Entwürfe für das neue Sozialgebäude entsprangen der Feder des Entwurfs- und Vermessungsbüro Deutsche Reichsbahn (EVDR). Zwischen 1960 und 1961 wurde es an der Verlängerung des östlichen Flügels des Lokschuppens errichtet. Seine Rückseite grenzt an den kleinen Feldweg Am Feuchten Winkel, der durch die nördlich des Bahngeländes gelegene Kleingartenanlage führt.

Der Bau stellt einen für damalige Verhältnisse modernen und großzügigen Ersatz für die zahlreichen Anbauten und Baracken auf dem Gelände dar, die zuvor für die Unterbringung der Verwaltung und der Sozialräume genutzt werden mussten. Zumal das Betriebswerk Pankow-Heinersdorf, seit einer 1953 durchgeführten Reorganisation des Logeinsatzes der DDR-Reichsbahn für Berlin, die größte Last an Lokomotivbereitschaft zu stemmen hatte.

Das änderte sich auch nicht mit dem Mauerbau 1961: Da die Bahnanlagen nicht Bestandteil der Westsektoren der Alliierten waren, behielt die Reichsbahn die Betriebsrechte des Eisenbahn- und S-Bahn-Verkehrs in ganz Berlin.

Sozialgebäude Deutsche Reichsbahn: DDR-Moderne mit allem Komfort

Das Sozialgebäude setzte als Bahngebäude neue Maßstäbe: Seinen späteren Denkmalstatus bekam das Gebäude auch zugesprochen, weil seine architektonische Ausführung entgegen früherer Verwaltungsgebäude an Bahnbetriebswerken in der DDR vom Bauwesen der stalinistischen Architektursprache deutlich abwich. Mit seinen auffallenden Farb- und Materialkontrasten zählt es zu einem der bedeutenden Vertreter der aufkommenden DDR-Moderne der 1960er-Jahre.

Die Ausstattung entsprach allen Bedürfnissen der Zeit: In dem Gebäude waren unter anderem modern eingerichtete Büros, Kantinen, Aufenthaltsräume und weitere Versorgungseinrichtungen untergebracht. Mit der Fertigstellung des DR-Sozialgebäudes wurde eine merkliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Angestellten des Betriebswerks erreicht. In den folgenden Jahrzehnten wurde es bis zum Niedergang des Bahnbetriebswerks von den Mitarbeitern in Anspruch genommen.

Sozialgebäude Deutsche Reichsbahn: Nach der Wende kam das Aus

Youtube Bahnbetriebswerk Pankow-Heinersdorf

Neben seinen Aufgaben bei der Instandsetzung und Reparatur von Lokomotiven als Werkstatt und Ausbildungshalle war der Güter- und Rangierbahnhof Pankow-Heinersdorf von zentraler Bedeutung als Umschlagplatz für Lebensmittel und Baustoffe in der Region. Auch eine Müllumschlaganlage der Stadtreinigung fand auf dem Gelände Platz.

Jahrzehntelang wurde an dem Standort geschraubt, geschweißt und rangiert, bevor mit der Wiedervereinigung der Bahnhof an Bedeutung verlor. 1997 endete der Güterverkehr schließlich mit der Stilllegung des traditionsreichen Bahnhofs. Bis 2001 wurden gelegentlich noch historische Züge gewartet und repariert. Das an den Bahnhof angrenzende Bahnbetriebswerk mit Wasserturm, Ringlokschuppen und Sozialgebäude wurde Ende der 1990er-Jahre ebenfalls aufgegeben und stand seitdem leer.

Ehemaliges Sozialgebäude: Denkmalschutz verhindert Abriss des Lost Place

Das einzigartige Areal wurde in der Folgezeit zu einem Lost Place, gezeichnet von Verfall und Vandalismus: Zerborstene Scheiben und zerschlagene Fliesen bedeckten die Böden der Bauruinen. Rost fraß sich durch die Metallstreben. Pflanzen und Wildwuchs eroberten weite Teile des Geländes zurück und an den Wänden der Bahngebäude verewigten sich Graffiti-Sprayer.

2007 rückten Abrissfahrzeuge an, um die letzten Gleisanlagen, Gebäude und Überführungen abzureißen. Übrig blieb nicht viel mehr als das unter Denkmalschutz stehende Ensemble aus Ring- und Rundlokschuppen und das Sozialgebäude – mit ungewisser Zukunft.

Gibt es Pläne für das Sozialgebäude und das ehemalige Betriebswerk?

Investor Kurt Krieger erwarb 2009 das 250.000 Quadratmeter große Areal des ehemaligen Rangierbahnhofs inklusive des DR-Sozialgebäudes. Sein ursprünglicher Plan, der Bau eines Einkaufszentrums mit Parkgelände, scheiterte. Stattdessen verhandelt der Investor, das Land und der Bezirk seitdem um die Errichtung des neuen Stadtviertels „Pankower Tor“ mit rund 2000 Wohnungen. Die denkmalgeschützten Gebäude des Rangierbahnhofs wurden dabei teils zur Verhandlungsmasse.

Nach Urteilen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts wurde der Eigentümer zu Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet. Seit 2021 erfolgen Sanierungsarbeiten auf dem Gelände und der Rundlokschuppen wurde eingerüstet.