Berlin. Das Ende des Lebens, wie er es kannte, begann mit einem Hämmern an der Tür. „Es brennt. Ihr müsst hier sofort raus“, rief ein Nachbar Karsten Peter von draußen panisch entgegen. Da war die Tagesschau gerade zu Ende. Ungläubig verließ der Mieter seine Couch, stieg aus dem zweiten Stock des Berliner Altbaus herab, noch im Glauben, es sei eine Vorsichtsmaßnahme – mit der Zuversicht, er könne nachher im eigenen Bett schlafen. „Draußen habe ich mich langsam umgedreht und gesehen, wie eine gewaltige Rauchwolke aus dem Dachstuhl steigt. Da wusste ich – wir kommen hier nicht mehr rein.“
Mit seiner Frau Kristina, die kurz vor dem Alarm an diesem Abend des 2. März Essen holen gegangen war, sah der Handwerker dann zu, wie das Feuer die gemeinsame Existenz auffraß. Wie Wassermassen die Hoffnung auf Rückkehr in die Zweiraumwohnung buchstäblich unter sich begruben.
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Rund 100.000 Liter Löschmittel gingen 16 Stunden lang auf das Mietshaus an der Paul-Roberson-Straße in Prenzlauer Berg nieder. Ein Feuerwehreinsatz, der Rettern alles abverlangte. Über Nacht trat ein Notfall ein, der die Obdachlosigkeit von Dutzenden Brandopfern bedeuten kann, wenn eine Bezirksverwaltung nicht schnellstens reagiert.
Einsturzgefahr daheim in Prenzlauer Berg: Brandopfer zogen in Ferienwohnung
Helfer des Sozialamts Pankow meisterten diesen Katastrophenfall in einem Tempo, das Kristina und Karsten mit tiefer Dankbarkeit erfüllt. Das junge Paar fand sich plötzlich in einer kleinen Ferienwohnung wieder – eine Bleibe, die das Sozialamt in Weißensee angemietet hatte, um die Hausbewohner aus Prenzlauer Berg in Sicherheit zu bringen. Zu dem Zeitpunkt bestand am Brandort sogar Einsturzgefahr.
Ein Ausnahmezustand, den Mitarbeiter des Sozialamts auch mit Hilfe von Polizei und DRK meistern. „Oft sind die Einsätze in den späten Abendstunden. Es geht in erster Linie um eine Unterbringung, wenn die betroffenen Personen sich nicht selbst helfen können“, erklärt ein Sprecher von Sozialstadträtin Cordelia Koch (Grüne).
Dass eine Rückkehr ins alte Leben verbaut ist, dass die eigene Existenz in den Grundfesten wackelt, konnte Kristina Peter im Schockzustand erst gar nicht begreifen. „Erst nach einer Woche kamen die Schlaflosigkeit, die Tränen, das Zittern“, erzählt sie vom allmählichen Begreifen der Not. In der provisorischen Bleibe fanden sich die Peters umgeben von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine wieder. Sie alle wurden vom Sozialamt in den Nachbarwohnungen einquartiert. So schließt sich hier, in dieser provisorischen Heimat in Weißensee, der Kreis eines Dramas.
Mieter halfen in Kiew Opfern des Ukraine-Kriegs – nun brannte ihr eigenes Haus
„Letztes Jahr waren wir in Kiew, um Hilfe zu leisten“, erzählt Karsten. Bei Beginn der russischen Invasion sah es der Mitarbeiter des Roten Kreuzes als seine Pflicht an, Menschen beizustehen, die ihre Wohnung durch Raketenbeschuss verloren hatten. Dass sie im Jahr darauf auch ohne Krieg solch einen Verlust aus eigener, schmerzlicher Erfahrung nachfühlen könnten, dass sie umgeben von ukrainischen Geflüchteten ohne eigene Bleibe dastehen würden, hätte sich die Peters in ihren schlimmsten Vorstellungen nicht ausmalen können. So hat das Schicksal den beiden Berliner Ukraine-Helfern übel mitgespielt.
Was das Tischler-Paar aus Prenzlauer Berg am meisten entsetzt? „Der Wahnsinn auf dem Berliner Wohnungsmark“, sagt Karsten. Wer von jetzt auf gleich ein neues Zuhause sucht, mit Castings durch Vermieter, Lebensläufen und Massenbesichtigungen, der braucht ein gesundes Selbstwertgefühl. Ein traumatischer Verlust nach einem Hausbrand ist wohl das Gegenteil einer idealen Ausgangslage.
„Wie Phönix aus der Asche“ - Pankower Paar startet Spendenaufruf für den Neuanfang
Weil die Peters keine Hausratversicherung hatten, steht hinter der Regulierung des Schadens ein dickes Fragezeichen. Und deshalb startete das Paar auf der Online-Plattform „Gofundme“ einen Spendenaufruf. „Wie Phönix aus der Asche – hilf uns neu anzufangen“, lautet dort die Bitte.
Auch Berliner helfen e.V., der Verein der Berliner Morgenpost, will einen Anteil leisten, damit dieser Neuanfang gelingen kann. Fotos der völlig verrußten und verschimmelten Wohnung, die Kristina und Karsten auf dem Smartphone vorzeigen, lassen leicht erkennen, dass hier praktisch alles verloren ist: Elektrogeräte, Möbel, selbst gebaute Einrichtungsgegenstände.
Neuanfang daheim in Prenzlauer Berg? „Ich gehe nicht zurück. Es ist zu schmerzhaft“
Auch mehre Waschdurchgänge für mehr als 25 Ladungen Kleidung konnten nicht den Brandgeruch aus den Textilien spülen. Genau wie die anderen schockierten Hausbewohner begaben sich die Peters gleich nach dem Schicksalsschlag erst einmal in die Schönhauser Allee Arcaden – weil sie nicht mehr besaßen, als das sprichwörtliche letzte Hemd am Leib.
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Nach Hause zurückkehren, um Habseligkeiten zu retten? Wegen der Sperrung des Hauses lange Zeit unmöglich. Reparaturarbeiten am Altbau im Besitz einer Eigentümergemeinschaft könnte sich über Monate oder Jahre hinziehen. „Ich gehe nicht zurück Es ist zu schmerzhaft. Es ist mein Schutzmechanismus“, bekennt Karsten.
Glückliche Fügung: Brandopfer finden neue Wohnung in Pankows Florakiez
So führt der Weg nicht mehr zurück – nur noch nach vorn. Und für die beiden Mieter hält das harte Schicksal jetzt, fast einen Monat nach dem Einschnitt, eine glückliche Fügung bereit: Kristina und Karsten Peter haben dank Beistand in ihrem Bekanntenkreis eine neue Wohnung gefunden. An diesem Wochenende können sie ihre wenigen Habseligkeiten wieder in Kisten verpacken - und in den Florakiez am Rathaus Pankow ziehen. Nur zwei Kilometer von ihrer zerstörten Bleibe entfernt. Die Erlösung aus einem Martyrium.
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Als bleibendes Andenken an den Moment, als das alte Leben von mehr als 50 Hausbewohnern in der Paul-Robeson-Straße endete, kursiert ein Videos des Feuers bei Youtube. Karsten Peter, der in jener Märznacht fast alles verlor, will es sich nicht ansehen. „Mein Bruder sagt: Das sieht aus wie im Krieg.“
Verein Berliner Helfen bittet um Hilfe für Brandopfer
Berliner helfen e. V. , der Verein der Berliner Morgenpost, unterstützt Menschen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind wie Familie Peter. Wenn Sie helfen wollen, spenden Sie an:
Berliner helfen e. V. Stichwort: „Wohnungsbrand“
IBAN: DE69 1002 0500 0003 3071 00
BIC: BFSWDE33BER
Berliner helfen e. V. ist als gemeinnützig vom Finanzamt anerkannt und trägt das DZI-Spendensiegel. Für eine Spendenbescheinigung, geben Sie bitte Namen und Anschrift bei der Überweisung an. Weitere Infos unter 030 8872 - 77844, per E-Mail an: kontakt@berliner-helfen.de oder unter www.berliner-helfen.de.