In Kreuzberg haben am Sonntag Gentrifizierungsgegner lautstark für den Erhalt des „Café Filou“ an der Reichenberger Straße demonstriert.
„Wir wollen kein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei!“ Der urlinke Slogan passte am Sonntag besonders gut. Rund 300 Menschen waren in die Reichenberger Straße in Kreuzberg gekommen, um gegen die Schließung der „Bäckerei Filou“ zu demonstrieren. Im Dezember hatte der Eigentümer des Hauses den Mietvertrag der Bäckerei, die schon seit 15 Jahren an diesem Standort existiert, nicht verlängert. Bis Ende Juli sollen die Betreiber das Geschäft nun räumen. In der Bezirksverordnetenversammlung brachten die Grünen, die Linke und die CDU am Mittwochabend eine Resolution ein, um den Laden zu retten.
Zum Protest aufgerufen hat die Bürgerinitiative GlorReiche. Viele Anwohner sind gekommen, zum Beispiel Barbara Born. Sie ist Stammkundin und sieht hier einen weiteren Schritt in Richtung Verdrängung in ihrem Kiez. „Alles ist Schickimicki geworden, auf Touristen zugeschnitten. Es gibt keinen einzigen türkischen Gemüsehändler mehr“, sagt sie.
Unter den Demonstranten sind auch viele Gentrifizierungsgegner aus anderen Kiezen, die ähnliche Bürgerinitiativen gegründet haben. Protest gegen steigende Mieten ist eben etwas, auf das sich fast alle Berliner einigen können.
„Was hier passiert, ist legal, aber nicht richtig“, sagt Connie Wagner von der Bürgerinitiative zu den Demonstranten und erntete dafür Jubel. Rechtlich ist dem Eigentümer nämlich nichts vorzuwerfen: Der Milieuschutz greift in dem Kiez zwar, bezieht sich aber nicht auf Gewerbe. Wagner ist trotzdem dagegen. Sie wohnt seit 35 Jahren in der Nachbarschaft. Der Wandel macht ihr Sorge. „In den vergangenen Jahren hat sich der Kiez massiv verändert“, sagt sie. „Wir brauchen Läden wie diese Bäckerei, nicht nur hippe Cafés. Es sind schon viel zu viele Gewerbe verdrängt worden.“
Betreiber Daniel Spülbeck hofft, dass er die Schließung verhindern kann. „Wir sind ein Familienbetrieb. Ich habe drei Kinder, vier Angestellte und keinen Plan B“, sagt er. Er fühlt sich vom Eigentümer verhöhnt. Der heißt Charles Skinner. Als er sich kurz auf dem Protest blicken lässt, wird er sofort beschimpft. Skinner rettet sich in das schicke Restaurant „Vertikal“ im Nebengebäude, ein Neubau, den er finanziert hat. Das Lokal ist, wie seine Person, ein Dorn im Auge der Gentrifizierungsgegner. Skinner sagt, er habe Spülbeck nicht einfach so gekündigt. „Ich hatte ihm sogar angeboten, den Vertrag zu verlängern, wenn er aus seinem Laden eine richtige Bäckerei macht und nicht nur Aufgebackenes verkauft.“ Jetzt sei es auch dafür zu spät.
Er wolle nicht verdrängen, sondern lediglich dafür sorgen, dass es im Kiez einen richtigen Bäcker gebe. Skinner sagt, er sei auch gegen Gentrifizierung um jeden Preis. Aber der Protest sei eskaliert. „Die Betreiberin des ‚Vertikal‘ wird sogar auf ihrer persönlichen Facebookseite aufs Übelste beschimpft“, sagt er. Man merkt: So schwarz und weiß sind selbst Prozesse wie Verdrängung so gut wie nie.
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