Bildung

Berliner Eltern suchen selbst nach Leiter für ihre Schule

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Florentine Anders

Foto: Massimo Rodari

Ab Sommer hat die Clara-Grunwald-Schule in Kreuzberg keinen Direktor mehr. Weil die Behörden niemanden finden, soll eine Anzeige Abhilfe schaffen. Dieses Problem betrifft viele Berliner Grundschulen.

In einem warmen Gelbton ist die Anzeige der Eltern gehalten, die seit einigen Tagen auf einschlägigen Internetjobportalen für Führungskräfte geschaltet ist. „Schüler, Eltern und Kollegium einer kleinen staatlichen Montessori Schule in Berlin-Kreuzberg suchen eine/n Schulleiter/in“, heißt es da.

Bewerbungen sind an den Förderverein der Clara-Grunwald-Grundschule zu senden. Langjährige Berufserfahrung sei nicht unbedingt erforderlich – wichtiger seien Teamfähigkeit und eine aufgeschlossene Haltung gegenüber der Montessori-Pädagogik.

Die von den Eltern bezahlte und initiierte Anzeige ist eine Verzweiflungstat. Seit zwei Jahren ist die Leitungsstelle an der Schule ausgeschrieben und bis heute konnte sie nicht besetzt werden. Die kommissarisch eingesetzte Schulleiterin geht zum Ende des Schuljahres in ein lange geplantes Sabbatjahr.

Protest gegen Sparmaßnahmen und Personalabbau

„Bei uns sind bereits mehrere Bewerbungen eingegangen“, sagt Susanne Janssen, Vorsitzende der Gesamtelternvertretung. Die Eltern werden die Bewerbungsunterlagen an die Schulaufsicht im Bezirk weiterleiten, die eigentlich für die Ausschreibung und Besetzung der Stelle zuständig ist. „Doch von dort aus hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht ein einziger Bewerber in der Schule vorgestellt“, so die Elternvertreterin.

Das Problem begann Anfang des Jahres 2011. Damals legte die langjährige Schulleiterin Regina Arlt aus Protest gegen Sparmaßnahmen und Personalabbau bei der Sprachförderung und Integration ihr Amt nieder und ließ sich wieder in den Rang einer normalen Lehrerin zurückstufen.

Der Rücktritt schlug Wellen, denn er war mit einem offenen Brief und mit Demonstrationen der Eltern gegen die Kürzungen verbunden. Die ehemalige Schulleiterin wollte ein Zeichen setzen, doch die Situation hat sich nicht gerade verbessert.

Grundschulleiter ist offenbar kein attraktives Amt

„Der Rücktritt war rechtzeitig angekündigt, sodass die Stelle ausgeschrieben werden konnte“, sagt die Elternvertreterin. Doch passiert sei dann lange nichts. „Vor einem Jahr hieß es, es gebe fünf Bewerber. Von denen blieb nur eine übrig, und die hatte eine andere Stelle angenommen, noch bevor sie die Schule gesehen hatte.“ Man habe die Stelle neu ausschreiben müssen.

Das ganze Verfahren ziehe sich in die Länge. Abgesehen davon ist das Amt des Schulleiters offenbar wenig attraktiv an Grundschulen. Denn Verantwortung und Mehrarbeit werden schlecht vergütet. „Ein Schulleiter an einer Grundschule verdient nicht mehr als ein ganz normaler Lehrer am Gymnasium“, sagt Paul Schuknecht von der Vereinigung der Berliner Schulleiter in der GEW.

Die Eltern kritisieren aber auch, dass die Besetzung der Stelle nicht mit genügend Nachdruck betrieben werde. Durch Personalwechsel in der Schulaufsicht habe das Verfahren immer wieder geruht.

„Der Job verlangt eine Menge Idealismus“

Unbesetzte Schulleiterstellen sind vor allem ein Problem, das Grundschulen trifft. Momentan sind an den 362 Grundschulen nach Angaben der Bildungsverwaltung 20 Direktorenstellen und 31 Stellvertreter-Stellen vakant. Die Besetzung einer Stelle dauere im Schnitt ein Jahr. Grund seien die vielen beteiligten Gremien, von der Gesamtfrauenvertretung bis zur Schulkonferenz.

Nach der Neuausschreibung durch die Schulaufsicht im April müssten die Eltern der Clara-Grunwald-Grundschule demnach noch ein ganzes weiteres Jahr ohne Schulleiter auskommen. Jetzt wollen sie das Verfahren beschleunigen. Die Anzeigen, die im Paket 2000 Euro kosten, konnten durch eine größere Elternspende finanziert werden. Zu finden sind sie auf Portalen wie Stepstone.de und Careerbuilder.de.

„Die Schule ist alles andere als unattraktiv, aber der Job verlangt eine Menge Idealismus“, sagt Susanne Janssen. Die Schule mit 300 Kindern und 20 Lehrern ist klein und familiär. Seit ihrer Gründung vor mehr als 20 Jahren ist sie Modellschule für den jahrgangsübergreifenden Unterricht. Eltern und Lehrer sind überzeugt von dem Modell.

Weiterentwicklung des Reformkonzepts auch ohne Schulleiterin

Hier werden nicht nur die ersten, zweiten und dritten Jahrgänge gemischt, sondern auch die vierten, fünften und sechsten. Die Konrektorin und das Kollegium haben das Reformkonzept auch nach dem Rücktritt der Schulleiterin weiterentwickelt. Mithilfe der Eltern wurden die Klassenräume aufwendig umgestaltet, die individuelle Förderung und projektbezogene Arbeit der Kinder sind so besser möglich.

Für das sogenannte kosmische Lernen sollen noch Ateliers eingerichtet werden. Dabei beschäftigen sich die Schüler über einen längeren Zeitraum mit verschiedenen Aspekten eines großen Kernthemas. Zudem gibt es ein Coaching für die neue inklusive Erziehung von behinderten Kindern.

„Wir haben sehr viel angestoßen, um das Konzept weiter zu entwickeln, aber die vielen Aktivitäten und Fortbildungen müssen koordiniert werden“, sagt die Elternvertreterin Janssen. Das sei ohne Schulleiter nicht möglich.

Nach den Sommerferien könnte erneut Interimslösung folgen

Wenn nicht schnell ein passender Bewerber gefunden wird, müssen die Eltern befürchten, dass die Schule nach den Sommerferien vorübergehend von einem Schulleiter einer benachbarten Grundschule als Filiale mitgeführt wird. „Da geht es dann nur noch darum, dass jemand die nötigen Unterschriften leistet“, so die Elternvertreterin.

Aus der Bildungsverwaltung heißt es, die Besetzung der Stelle sei bisher unglücklich gelaufen, da sich eine Bewerberin kurzfristig anders entschieden habe. Das neue Besetzungsverfahren sei jedoch eröffnet und die Verwaltung arbeite an einer schnellstmöglichen Besetzung, sagte Sprecherin Beate Stoffers. Sollte es zum kommenden Schuljahr nicht klappen, werde es eine Interimslösung geben.