Erst ein Lehrer-Streik während der Abi-Prüfungen, jetzt müssen 700 Mathe-Klausuren wiederholt werden: Bildungssenatorin Scheeres steht in der Kritik. Im Interview gibt sie sich dennoch kämpferisch.
Und auch bei den jungen Lehrern haben wir richtig viel draufgelegt, und zwar 45 Millionen Euro jährlich für ihre Zulage.
Im Mai steht ein einwöchiger Streik an den Schulen bevor. Die Lehrer sind unzufrieden und der Versuch von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos für SPD) den Streik zu verhindern, ist gründlich fehlgeschlagen. Das 8-Punkte-Programm zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs traf auf heftige Kritik von den Lehrern und der Gewerkschaft und hat eher zur Mobilisierung der Beschäftigten im Arbeitskampf geführt. Ausgerechnet während der Prüfungszeit sind die Schüler dadurch verunsichert. Nun wurde auch noch bekannt, dass die Matheprüfung an den Berufsoberschulen wegen eines Aufgabenfehlers wiederholt werden muss.
Berliner Morgenpost: Frau Scheeres, wie konnte es dazu kommen, dass rund 700 Berufsoberschüler die Matheprüfung noch einmal machen müssen?
Sandra Scheeres: Mein Haus ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine der gestellten Aufgaben fehlerhaft war. Zudem hat das neue und damit ungewohnte Aufgabenformat auch bei den anderen Aufgaben zu einer Häufung von Schwierigkeiten geführt. Für die betroffenen Schüler sowie Lehrkräfte ist das natürlich eine zusätzliche Belastung. Wir werden uns den Prozess der Aufgabenentwicklung und Qualitätssicherung kritisch anschauen. Weitere Beschwerden über andere Prüfungen gibt es aber nicht.
Kommen wir auf die Lehrer zu sprechen. Hat Sie die negative Reaktion vieler Angestellter auf Ihr Verbesserungsprogramm überrascht?
Nein, die Rollenverteilung zwischen der GEW und uns ist doch klar. Trotzdem: Das sind Verbesserungen für die Lehrer. Nehmen wir nur die Altersermäßigung. Als einziges Bundesland hatte Berlin diese Regelung bisher nicht, das haben wir nun geändert. Für viele Kollegien ist das eine große Erleichterung. Dafür werden wir jährlich rund 20 Millionen Euro ausgeben. Und auch bei den jungen Lehrern haben wir richtig viel draufgelegt, und zwar 45 Millionen Euro jährlich für ihre Zulage. 2014 bekommen sie nun ein Bruttoeinstiegsgehalt von 4700 Euro. Und vor allem ist dieses Einkommen für die jetzt angestellten Lehrkräfte dauerhaft gesichert. Diese Sicherheit hatten die jungen Lehrer immer gefordert. In vielen anderen akademischen Berufen ist das Einstiegsgehalt nicht so hoch. Ich halte es aber für gerechtfertigt, denn gerade der Lehrerberuf ist anstrengend und stellt die jungen Leute vor große Herausforderungen und Verantwortungen.
Die angestellten Lehrer argumentieren aber, dass sie trotzdem noch weniger Geld bekommen als ihre verbeamteten Kollegen, obwohl sie die gleiche Arbeit machen. Was sagen Sie dazu?
In den ersten Jahren verdienen sie nicht weniger, sondern sogar etwas mehr. Betrachtet man die Lebensarbeitszeit, bleibt eine Differenz zwischen den Gehältern von angestellten und verbeamteten Lehrern. Im Übrigen ist es im öffentlichen Dienst häufig so, dass verbeamtete und angestellte zusammenarbeiten und nicht dasselbe Gehalt bekommen.
Die Streikenden fordern ja vor allem ein tariflich geregeltes Gehalt. Warum ist das nicht möglich?
Das muss natürlich auf Bundesebene verhandelt werden. Es war eine wichtige Forderung der Gewerkschaften, dass wir in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehren. Das erste Resultat war ja auch schon die Gehaltserhöhung von 5,6 Prozent, die unsere Lehrkräfte bis 2014 bekommen. Mit den Angleichungsschritten an das Niveau der anderen Länder steigt das Gehalt der Beschäftigten in Berlin sogar um 6,7 Prozent.
Lange Zeit war offen, wie die sogenannten Arbeitszeitkonten aufgelöst werden und wie die geleistete Mehrarbeit künftig ausgeglichen werden soll. Die nun angekündigte Stundenermäßigung im Alter kann aber die Mehrarbeit nur teilweise kompensieren.
Dass die Arbeitszeitkonten aufgelöst werden, war bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die Lehrkräfte waren daraufhin in großer Sorge, dass alles, was sie angespart haben, einkassiert wird, ohne dass es dafür einen Ausgleich geben wird. Ich habe immer gesagt, dass es einen Ausgleich geben muss. Aber es war auch klar, dass es nur eine teilweise Kompensation geben kann. Wir hatten verschiedene Optionen. Entschieden haben wir uns auch auf Wunsch der Gewerkschaft für die Ermäßigungsstunden im Alter. Ab dem 58. Lebensjahr wird den Lehrer eine Stunde und ab dem 61. Lebensjahr eine weitere Stunde Altersermäßigung gewährt. Den Abbau der Arbeitszeitkonten haben wir auch flexibel gestaltet: Lehrer die seit 2003 55 Tage auf ihren Arbeitszeitkonten angesammelt haben, können bis zu drei Stunden pro Woche weniger arbeiten und damit ihr Guthaben abbauen. Bisher konnten die freien Tage nur im Block vor der Pensionierung genommen werden. Durch die flexible Regelung können die älteren Lehrer nun bis zu fünf Unterrichtsstunden pro Woche reduzieren, zusammen mit der neuen Altersermäßigung wären es dann fünf Stunden. Das ist eine deutliche Entlastung, die natürlich auch zusätzliche Lehrerstellen erfordert.
Für großen Unmut unter den Pädagogen sorgt die Tatsache, dass Sie die Anzahl der Präsenztage vor Beginn jedes neuen Schuljahres von einem Tag auf drei Tage erhöht haben. Die Lehrer sprechen von einer unzulässigen Arbeitszeiterhöhung. Ist dem so?
Von einer Arbeitszeitverlängerung kann keine Rede sein. Die Lehrer haben rund zwölf Wochen unterrichtsfrei, das sind natürlich keine reinen Ferien für die Pädagogen. In einem Großteil ihrer Zeit bereiten sie Projekte vor, ihre Unterrichtseinheiten und machen Fortbildungen. Zwei weitere Tage sollen sie nun am Ende der Sommerferien in der Schule verbringen, um gemeinsam im Team Fortbildungen durchzuführen. Ich habe dazu positive Reaktionen erhalten, vor allem von Schulleitern und Eltern. Die Eltern konnten oft nicht verstehen, dass für Teamfortbildungen Unterrichtstage ausfallen mussten. Schulleiter schätzen es, wenn sie das gesamte Team vor den Ferien zusammen haben und das Schuljahr in Ruhe vorbereiten können.
Neu ist auch, dass die angehenden Lehrer für Mangelfächer nun gleich nach dem Studium voll in den Unterricht einsteigen können und das Referendariat berufsbegleitend absolvieren. Müssen die Schüler bei den unerfahrenen Lehramtsanwärtern nicht einen Qualitätsverlust befürchten?
Nein, diese Lehramtsanwärter nehmen ja wie alle anderen an der Ausbildung in den schulpraktischen Seminaren teil. Zudem ist die Regelung freiwillig. Jeder kann selbst entscheiden, ob er sich das zutraut oder nicht.
Das klingt anstrengend, was soll daran attraktiv sein?
Die Lehramtsanwärter können dadurch gleich einen unbefristeten Vertrag erhalten, was mit dem Referendariat nicht möglich ist. Damit wollen wir junge Lehrer an Berlin binden.