Am Dienstag streikten 3000 angestellte Lehrer in Berlin für eine tarifrechtliche Bezahlung. 600 Schulen waren beteiligt. Zu den Abiturprüfungen im Mai planen die Lehrkräfte einen einwöchigen Boykott.

Berliner Abiturienten und Zehntklässler mussten am Dienstag unter Streikbedingungen ihre zentralen Prüfungen schreiben. Nach Angaben der Gewerkschaft GEW seien zwei von drei Schulen von dem Ausstand der angestellten Lehrer betroffen gewesen. Einige mussten bei ihren Prüfungen wohl ohne Fachlehrer klarkommen. Doch insgesamt seien die Prüfungen für die erste Fremdsprache beim Mittleren Schulabschluss und für den Leistungskurs Biologie beim Abitur reibungslos verlaufen, sagte Beate Stoffers, Sprecherin der Bildungsverwaltung. Da bei den zentralen Prüfungen ohnehin keine Fragen von den Schülern gestellt werden dürften, sei die Vertretung der Aufsicht durch einen anderen Fachlehrer kein Problem gewesen.

Die Streikbereitschaft war höher als erwartet. Etwa 3000 angestellte Lehrer haben laut GEW gestreikt, damit seien etwa 600 der 800 Berliner Schulen von dem Ausstand betroffen gewesen, sagte Gewerkschaftssprecher Tom Erdmann. Auch wenn die Prüfungen organisiert werden konnten, führte der Warnstreik doch zu vielen Ausfallstunden. An einigen Schulen mussten sogar Schüler ganz zu Hause bleiben. Und der nächste Streik steht schon bevor. Die GEW hatte angekündigt auch die mündlichen Abitur-Prüfungen in der Woche vom 13. bis 17. Mai bestreiken zu wollen, wenn das Land weiterhin Gespräche verweigert.

Forderung nach gleichem Einkommen

Die GEW will die Landesregierung mit dem Warnstreik zu Tarifverhandlungen bewegen. Sie fordert eine tarifliche Eingruppierung und gleiche Einkommen für angestellte und verbeamtete Pädagogen. In Berlin gibt es derzeit etwa 28 000 Lehrer, rund 8000 davon sind angestellt.

Am Robert-Blum-Gymnasium in Schöneberg hatten am Dienstag zehn angestellte Lehrer gestreikt. Um 07.45 Uhr haben haben die ersten Vorbereitungen begonnen: Ein Plakat mit der Aufschrift „Heute Warnstreik! – high noon im Robert-Blum“ wurde vor dem Schulhaus aufgestellt. Roberto Luzardo, Lehrer für Sport und Spanisch, verteilte an alle ankommenden Schüler einen offenen Brief, in dem die Lehrer noch einmal ihre Motive für den Warnstreik erklären. Währenddessen versammelten sich die streikenden Kollegen vor dem Haus, wo sich auch vier beamtete Lehrkräfte solidarisch zeigten und dazu stellten. „Ich stehe zu meinen Kollegen“, so Norbert Machachej, Lehrer für Biologie und Mathematik.

Unterrichtsausfall unvermeidbar

Für die Schulleitung des Gymnasiums sei es durch das kurzfristige Urteil des Arbeitsgerichts am Montagnachmittag schwierig gewesen, den Vertretungsplan für heute zu organisieren. Deshalb seien Unterrichtsstunden ausgefallen, ohne dass die Schüler vorab informiert werden konnten, sagt die Kunst- und Geschichtslehrerin Stefanie Denes. „Die Senatsverwaltung hat sich durch den Versuch eine Einstweilige Verfügung zu erwirken ein Eigentor geschossen“, so die Lehrerin.

In der integrativen Fläming-Grundschule in Friedenau freuten sich die jungen Schüler über Unterrichtsausfall. Insgesamt 14 angestellte pädagogische Mitarbeiter und Lehrer nahmen am Streik teil, sagte die Pädagogin Elisabeth Warnecke. Einige Schüler hätten heute dadurch gar keinen Unterricht gehabt und konnten zu Hause bleiben. „Viele der Eltern zeigten sich sehr solidarisch und halfen sich untereinander dabei, die Betreuung der Schüler zu gewährleisten", so die Pädagogin Elisabeth Warnecke.

Auch am Beethoven-Gymnasium in Lankwitz haben die Schüler den Warnstreik deutlich gespürt. Hier hatten 20 angestellte Lehrer gestreikt. „Die Prüfungen haben wir vollständig abgesichert, aber Unterricht musste ausfallen“, sagt Schulleiterin Gunilla Neukirchen. Die Organisation der Prüfungen sei zwar diesmal kein Problem gewesen, aber das könne sich ändern, denn der Anteil der angestellten Lehrer, die streiken dürfen, steige von Jahr zu Jahr an.

Am Montag hatte der rot-schwarze Senat noch versucht, den Warnstreik gerichtlich untersagen zu lassen. Dem war das Arbeitsgericht aber nicht gefolgt. Das Gerichtsverfahren und die am Montag vom Senat verkündeten Neuerungen haben offenbar die Streikbereitschaft der angestellten Lehrer noch erhöht. Die Beteiligung war mehr als doppelt so hoch wie erwartet. Vor allem die angekündigten zusätzlichen zwei Fortbildungstage in den Sommerferien betrachten viele Lehrer als erneute Arbeitszeitverlängerung.

GEW stimmt über Streikwoche ab

„Wir waren selbst überrascht von der hohen Beteiligung“, sagt Florian Bublys von der Initiative Bildet Berlin. Das Gerichtsurteil habe zur Mobilisierung beigetragen, denn nun stehe fest, dass das Land unser Ansprechpartner ist.

Die Finanzverwaltung lehnt Gespräche bisher mit der Begründung, dass Verhandlungen auf Landesebene nicht möglich seien, weil Berlin Mitglied im Tarifgemeinschaft der Länder ist. „Diese Haltung ist nicht mehr aufrechtzuerhalten“, sagt Bublys. Die angestellten Lehrer werden weiter Druck machen, um eine tarifrechtliche Bezahlung zu erreichen. Am Donnerstag trifft sich die Tarifkommission der GEW und wird über die vorgeschlagene Streikwoche vom 13. bis 17. Mai abstimmen.

In einem Offenen Brief forderten die streikenden Lehrer gestern den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf, durch die Aufnahme von Verhandlungen weitere Streiks zu verhindern.

Der Landeselternausschuss hat sich gestern mit der eindringlichen Bitte an die Lehrer gewandt, von einer Ausweitung des Boykotts auf die mündlichen Prüfungen im Mai abzusehen: „Die Eltern erkennen ausdrücklich das Recht der Lehrer an, für ihre finanziellen Interessen zu streiken“, heißt es in dem Schreiben. Jedoch solle dieses Recht nicht direkt zu Lasten der Schüler ausgeübt werden.