Charlottenburg-Wilmersdorf. Kritik am Verhandlungsergebnis zwischen Bezirk und Investor: Die Härtefallregelung soll sieben Jahre gelten.

An diesem Dienstag will das Bezirksamt die Weichen für das Bauvorhaben der Deutsche Wohnen in der Westend-Siedlung stellen. Doch die Absprachen entsprechen nicht den Versprechungen, die den Altmietern im Lauf der Verhandlungen gemacht wurden.

Eine Sanierung der Alliiertensiedlung in Westend hat der Eigentümer Deutsche Wohnen stets ausgeschlossen. Die 212 Wohnungen entlang von Scott-, Swift- und Dickensweg sollen abgerissen und durch 580 neue ersetzt werden, außerdem will der Investor eine Kita bauen. Den rund 190 Bestandsmietern, die dort im Schnitt zu einer Kaltmiete von sieben Euro pro Quadratmetern leben, wurde stets gleichwertiger Wohnraum versprochen. Dazu unterschrieben das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und der Immobilienkonzern im März einen städtebaulichen Vertrag. Demnach sollen die neuen Wohnungen neun Euro pro Quadratmeter kosten. Eine Härtefallregelung besagt außerdem, dass die Bruttowarmmiete nicht mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen soll.

Auf einer Einwohnerversammlung im Mai wurde diese Ergebnis insbesondere von Mietern, aber auch vom Berliner Mieterverein massiv kritisiert. Unklar blieb vor allem, für welchen Zeitraum die Regelungen gelten sollen. Immer wieder steht die börsennotierte Deutsche Wohnen wegen einer zum Teil als aggressiv kritisierten Mieterhöhungspolitik in der Öffentlichkeit. Dem Versprechen, in dieser Frage bei den Bestandsmietern in Westend Augenmaß walten zu lassen, wollte niemand so recht glauben. Obwohl Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) das Ergebnis damals als „ausverhandelt“ bezeichnete, nahm der Bezirk kurz darauf weitere Gespräche mit dem Unternehmen auf.

Miete soll nach drei beziehungsweise sieben Jahren erhöht werden

Nun teilte Schruoffeneger erneut mit: „Ausverhandelt.“ Man habe eine Frist vereinbaren können, während der Mieterhöhungen ausgeschlossen würden, sagte auf der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am vergangenen Donnerstag. „Das Bezirksamt hat der Deutschen Wohnen mitgeteilt, dass wir das Ergebnis jetzt für unterschriftsreif halten.“ Das bestätigte auch Ordnungsstadtrat Arne Herz (CDU), gab aber an, das Vorhaben noch hinsichtlich der Zweckentfremdungsverbotsverordnung überprüfen zu wollen.

Dabei geht es um den zweiten Ergänzungsvertrag zum bereits erwähnten städtebaulichen- oder Durchfühungsvertrag. Über dessen genauen Inhalt äußerten sich beide Stadträte öffentlich nicht. Der Berliner Morgenpost liegen die entsprechenden Dokumente jedoch vor. So heißt es in der Ergänzung bezüglich der neun Euro-Regelung, dass „die Erhöhung der Nettokaltmiete für drei Jahre ab Mietbeginn im Mietvertrag ausgeschlossen“ wird. Weiter wird ausgeführt: „Für diejenigen Bestandsmietverhältnisse, in denen die Härtefallregelung eingreift, wird die Erhöhung der Nettokaltmiete für sieben Jahre ab Mietbeginn im Mietvertrag ausgeschlossen.“ Das Einkommen solle nur einmalig vor Abschluss des Mietvertrags geprüft und Veränderungen des Einkommens nach Abschluss unberücksichtigt bleiben.

Mieterverein kritisiert Ergebnis der Nachverhandlungen

„Dass die Härtefallregelung nicht im Sinne eines grundsätzlichen Anspruchs geregelt wird, ist nicht zufriedenstellend“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Er kritisiert, dass sie nicht neu greift, wenn sich die Einkommenssituation des Mieters nach Abschluss des Mietvertrags verschlechtert. Der Mieterverein plädierte bereits in der Vergangenheit dafür, die Kappungsgrenze dauerhaft festzuschreiben. Ein weiteres Problem sieht Wild darin, dass während der sieben Jahre nur die Erhöhung der Kaltmieten ausgeschlossen werden soll. „Denn auch bei den Betriebskosten kann es zu einer Steigerung kommen.“ Dadurch könnte die Miete im Ergebnis auch innerhalb der Frist die 30 Prozent übersteigen.

Und auch die Mieter, die nicht unter die Härtefallregelung fallen, hätten mit den drei Jahren nicht viel gewonnen, so Wild weiter. Denn vorher müssten sie eine Mietsteigerung von derzeit durchschnittlich sieben auf neun Euro pro Quadratmeter hinnehmen. Noch deutlicher wird die Linksfraktion und bezeichnet das Verhandlungsergebnis in einer Pressemitteilung als „schlechten Scherz“.

Bezirksamt hat augenscheinlich mehr gefordert

Den Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan 4-59VE will das Bezirksamt wohl schon an diesem Dienstag, 25. September, fassen. Laut dem Begleitschreiben, mit dem die Deutsche Wohnen den Nachtragsvertrag am 7. September übersandte, bestehe eine entsprechende Absprache. Weiter heißt es, dass man ferner davon ausgehe, dass „für den abschließenden Festsetzungsbeschluss die erforderliche Mehrheit im Bezirksamt besteht, sodass dem erfolgreichen Abschluss des Bebauungsplanverfahrens keine Hindernisse mehr im Weg stehen“.

Dass diese Mehrheit besteht, gaben die Stadträte Schruoffeneger und Herz in der Jüngsten Bezirksverordneten-Versammlung bekannt. Dabei gibt sich das Bezirksamt augenscheinlich mit deutlich weniger zufrieden, als gefordert. Glaubt man einer Gesprächsnotiz, die nach Informationen der Morgenpost nach eine Treffen von Bezirksamtsmitgliedern und Vertretern der Deutschen Wohnen im Vorfeld entstanden sein soll, sei das Projekt Jugendstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) zufolge "gewollt". Ferner wird ausgeführt, dass Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) das Unternehmen gebeten hat, bezüglich der Festschreibung der neun Euro-Regelung über „einen Zeitraum von mindestens 5 bis zu 10 Jahren“ zu beraten. Hinsichtlich der Härtefallregelung ist lediglich von einem „gewissen Zeitraum“ die Rede.