Berlin. Fünf Jahre lang wurde um den Abriss von 212 Wohnungen und anschließenden Neubau von 580 Wohneinheiten in Westend gerungen. Mit der Unterzeichnung eines städtebaulichen Vertrages zwischen dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen und dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wurde am Dienstag die Voraussetzung geschaffen, um eines der größten Bauvorhaben im Bezirk auf den Weg zu bringen. Weil dadurch gleichzeitig 186 Mietparteien ihr Zuhause verlieren, fiel die Freude darüber im Bezirksamt recht nüchtern aus. „Ich bin relativ zufrieden. Der Städtebauliche Vertrag ist ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Mieter und dem Bedarf Berlins an zusätzlichen Wohnungen“, sagte Baustadtrat Oliver Schruoffeneger. Die jahrelange Hängepartie sei endlich beendet.
Im Städtebaulichen Vertrag ist nun geregelt, dass die Mieten für die verbliebenen Bewohner der Siedlung Westend in den Neubauten bei neun Euro (kalt) gedeckelt werden. Ferner greift eine Härtefallklausel, wonach die Bruttowarmmiete höchstens 30 Prozent vom Haushaltseinkommen betragen darf. Darüber hinaus sorgt die Deutsche Wohnen für Ersatzwohnraum in der Nachbarschaft, beziehungsweise in der Siedlung selbst, und gewährt bis zu 2500 Euro Umzugsbeihilfe. Zudem greift das sogenannte Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung. Danach werden 25 Prozent der Neubauwohnungen als Sozialwohnungen mit einer 30-jährigen Mietpreisbindung versehen. Die Deutsche Wohnen errichtet außerdem eine Kita und übernimmt die Erschließungskosten.
„Fast die Hälfte der Wohnungen erhalten so eine Mietpreisbindung“, betonte Manuela Damianakis, Sprecherin des börsennotierten Wohnungsunternehmens, das mit rund 110.000 Wohnungen der größte private Vermieter in der Hauptstadt ist.
Alliiertensiedlung mit schlechter Bausubstanz
Genaue Angaben zur Miethöhe bei den übrigen Wohnungen könne am noch nicht machen, sagte die Sprecherin weiter. Klar sei aber, dass man mit dem Neubauquartier auf die „gut verdienende Mittelschicht“ als künftige Bewohner setze. Auch das Investitionsvolumen könne man noch nicht beziffern. „Es handelt sich aber in jedem Fall um einen dreistelligen Millionenbetrag“, sagte Damianakis weiter. Der Baustart werde voraussichtlich 2019 erfolgen.
Die Planungen für den Abriss der zwischen 1954 und 1958 nördlich der Heerstraße für Angehörige der britischen Streitkräfte errichteten Siedlung hatte die Deutsche Wohnen bereits 2013 begonnen. Ein Jahr später teilte die Deutsche Wohnen als Eigentümerin der Siedlung ihren Mietern erstmals mit, dass eine Modernisierung der Häuser aufgrund der schlechten Bausubstanz wirtschaftlich nicht machbar sei und man abreißen wolle. Zudem schaffe man knapp 400 zusätzliche Wohnungen, wo heute auf einer Fläche von acht Hektar am Dickens-, Scott- und Swiftweg nur 212 Wohnungen stehen.

Die Deutsche Wohnen hatte daraufhin einen Architekturwettbewerb ausgelobt, an dem Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie des Bezirks beteiligt waren. Aus diesem Verfahren ging das dänische Architekturbüro Tegnestuen Vandkunsten als Sieger hervor. Nach dem Entwurf der Dänen soll der alte Baumbestand im Wesentlichen erhalten bleiben, die meist drei- bis viergeschossigen Neubauten dort errichtet werden, wo noch die alten Zweigeschosser stehen.
„Wir wurden vom Bezirk und der Deutschen Wohnen mit Versprechungen hingehalten und wurden letztlich über den Tisch gezogen“, reagierte Mieter Hermann Röhricht enttäuscht. Tatsächlich hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen, dass die Mietverträge zu den bisherigen Konditionen fortgeführt werden. An diesen Beschluss sehen sich die Fraktionen in der BVV nun offenbar nicht mehr gebunden. Die Wohnungen seien vor allem deshalb in einem schlechten Zustand, weil die Deutsche Wohnen sie verkommen lassen habe. „Ich zahle jetzt sieben Euro nettokalt für meine 70 Quadratmeter Wohnung“, sagte der 72-Jährige der Berliner Morgenpost. Mit der neuen Miete könne er sich höchstens eine deutlich kleinere Wohnung leisten. „Und die 50.000 Euro, die ich unter anderem in eine tolle Einbauküche investiert habe, sind dann futsch.“
Kritik übte am Dienstag auch der Berliner Mieterverein (BMV) der zahlreiche Mieter in der Siedlung beraten hatte. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Altbauten stehen bleiben und mit öffentlichen Fördermitteln saniert werden, sodass die Mieten hinterher bezahlbar bleiben“, so der Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Die Neubauten hätte man zwischen die Bestandsbauten setzen können.
Bauunternehmer Groth - Zwischen Sozialbauten und Palästen
10.000 neue Wohnungen geplant - Blankenburg wehrt sich
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