Charlottenburg

Siedlung Westend: Mieter vertrauen Deutscher Wohnen nicht

AKTUALISIERT Es gab weitere Verhandlungen im Nachgang der Einwohnerversammlung. Denn dort zeigte sich kaum einer der Anwesenden zufrieden

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Philipp Siebert
So soll die Siedlung Westend einmal aussehen

So soll die Siedlung Westend einmal aussehen

Foto: Deutsche Wohnen

Es habe zwischen der Deutschen Wohnen und dem Bezirk weitere Gespräche gegeben. Das sagte Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) am Mittwoch auf der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) knapp eine Woche nach der Einwohnerversammlung. „Die Vereinbarung könnte jetzt heißen, dass die neun Euro für fünf Jahre nicht erhöht werden“, so Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Das würde Schutz bis ins Jahr 2027 oder 2028 bedeuten.

Kritik am Verhalten der Altmieter gab es hingegen von FDP-Fraktionschef Johannes Heyne. Denn unter ihnen will er gleich einige ranghohe Beamte gesehen haben – darunter mehrere Referatsleiter aus dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, einen Abteilungsleiter aus Senatskultur- und eine Abteilungsleiterin aus der Senatsbauverwaltung. „Ich frage mich, ob das wirklich Menschen sind, die in gefördertem Wohnungsbau ihre Zelte aufschlagen müssen mit Gehältern, die von A15 an aufwärts gehen“, so Heyne. In seinen Augen seien das „Sozialschmarotzer“.

Viel Kritik an Kompromiss zwischen Bezirk und Deutscher Wohnen

Es ist beschlossene Sache: Die Deutsche Wohnen will die Häuser, die in den Fünfzigerjahren an Dickens-, Scott- und Swiftweg für britische Soldaten gebaut wurden, spätestens ab 2020 abreißen. Erste Arbeiten haben bereits begonnen. 212 Wohnungen sollen verschwinden, 580 neue dafür gebaut werden – ein Viertel davon Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung auf 30 Jahre. Die ersten sollen 2022 fertig sein. Allerdings verlieren dadurch 186 Mieter in Westend ihr Zuhause. Ihnen wurden gleichwertige Wohnungen in den Neubauten versprochen. Dem wollte am Donnerstag keiner der rund 100 Anwesenden der Einwohnerversammlung so recht glauben.

Im März unterzeichneten Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) und die Deutsche Wohnen einen städtebaulichen Vertrag. Darin ist geregelt, dass die Bestandsmieter in den Neubauten nach Einzug nicht mehr als neun Euro (kalt) pro Quadratmeter zahlen. Außerdem soll eine Härtefallklausel greifen: die Bruttowarmmiete soll höchstens 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen.

„Die Mieter kaufen die Katze im Sack“, kritisierte die stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Wiebke Werner. Denn sie müssten ihre bestehenden Mietverträge aufgeben ohne die Grundrisse ihrer neuen Wohnung zu kennen. Diese sollen erst im kommenden Jahr vorliegen. Auch von gleichwertigen Konditionen könne keine Rede sein, gaben viele zu Bedenken. Denn die Miete würde sich von jetzt durchschnittlich sieben auf neun Euro erhöhen. „Wenn man die Mietsteigerungspotentiale bis 2022 einberechnet, könnte für viele neun Euro eine Senkung bedeuten“, entgegnete Schruoffeneger. Preise könnten außerdem durch weniger Quadratmeter und geringere Betriebskosten stabil gehalten werden, so Unternehmenssprecherin Manuela Damianakis.

CDU und Linke sehen Nachverhandlungsbedarf

Gelten sollen die Regelungen für Altmieter zum Zeitpunkt des Einzugs. Eine festgelegte Gültigkeitsdauer gibt es nicht. So kann die Deutsche Wohnen die Miete im Nachgang sukzessive auf das ortsübliche Vergleichsniveau anheben. Mieterhöhungen wolle man zwar „mit Augenmaß“ durchführen, versprach Damianakis. Wer nachweisbar im geringen Einkommen bleibe, habe weniger zu befürchten. Eine vertragliche Verpflichtung in dieser Frage habe die Deutsche Wohnen aber abgelehnt, kritisierte der CDU-Bezirksverordnete Hans-Joachim Fenske, der an den Verhandlungen beteiligt war. Aus diesem Grund hätte der Bezirk aus seiner Sicht nicht unterschreiben dürfen.

Während Schruoffeneger den Vertrag als „ausverhandelt“ bezeichnet, sehen Linke und CDU hier Nachverhandlungsbedarf. „Die neun Euro müssen mindestens auf fünf Jahre festgeschrieben sein. Die 30 Prozent sollen so lange gelten, wie die Mieter in der Wohnung leben“, so Fenske. Erst dann dürfe die BVV dem Bebauungsplan zustimmen. Dazu will die Union nun eine entsprechende Beschlussvorlage einbringen.

Deutsche Wohnen immer wieder in der Kritik

Mit 108.000 Wohnungen ist die Deutsche Wohnen der größte private Vermieter Berlins. Kontinuierlich kann das börsennotierte Immobilienunternehmen steigende Gewinne verzeichnen. Diese lagen nach eigenen Angaben für das vergangene Jahr auf einem Rekordniveau von 1,8 Milliarden Euro. Andauernde Beschwerden von Mietern beschäftigten zuletzt auch das Berliner Abgeordnetenhaus. Immer wieder ist das Unternehmen öffentlich in der Kritik – zuletzt wegen einer Verfassungsbeschwerde gegen den Berliner Mietspiegel. Mehrere Berliner Mieterinitiativen haben einen Volksentscheid zur Enteignung der Deutschen Wohnen angekündigt.