Der ehemalige Flughafen Tempelhof wird zum Zentrum für Flüchtlinge. Die Freizeitsport-Messe „Berlin Vital“ braucht einen neuen Standort.

Die Entscheidung des Senats, den ehemaligen Flughafen Tempelhof zum Flüchtlingszentrum zu machen, hat auch gravierende wirtschaftliche Folgen und belastet eines der sportlichen Aushängeschilder der Stadt. Mehr als 30 Veranstaltungen, die in den Tempelhofer Hallen und Hangars sowie auf dem Vorfeld geplant waren, können an diesem Standort nicht mehr stattfinden. Zu den Betroffenen gehört die SCC Events GmbH, die alljährlich den Berlin-Marathon im September sowie den Halbmarathon im April veranstaltet.

Wichtiger Bestandteil dieser Laufereignisse ist die Messe „Berlin Vital“. Die fand in den vergangenen Jahren in Tempelhof statt und muss sich nun einen neuen Standort suche – angesichts der benötigten Messefläche und der Kurzfristigkeit der Entscheidung eine schier unlösbare Aufgabe. Jürgen Lock, Geschäftsführer von SCC Events, befürchtet Millionenverluste und ist entsprechend verärgert. Er kündigte an, die Landesregierung in Regress zu nehmen, wenn den Marathon-Machern Einnahmen entgehen.

„So geht man nicht mit Mietern um“

Lock mutmaßt, dass der Senat vor seiner Entscheidung die Konsequenzen nicht bedacht habe. Er kritisiert, wie dieser mit Mietern umgehe und beklagt mangelhafte Kommunikation. Unternehmen, die Geld in die Stadt bringen, würden bestraft. Auf der „Berlin Vital“ müssen sich nicht nur alle Läufer, Walker, Skater und Rollifahrer, die bei dem Sportevent mitmachen, ihre Startunterlagen abholen. Die Messe ist längst zu einem Anlaufpunkt für Freizeitsportler geworden, die dort Kleidung und Sportgeräte kaufen, sich informieren können sowie Gesundheits- und Fitnesstipps erhalten.

Beim Marathon im Herbst zählt die Messe weit mehr als 60.000 Besucher. Dort präsentieren sich nicht nur die Sponsoren des Laufs, sondern auch weitere Branchenvertreter aus Deutschland und speziell aus Berlin. Sie würden eine wichtige Plattform verlieren.

Wichtiger Baustein der wirtschaftlichen Kalkulation

Vor allem aber ist die Messe ein zentraler Bestandteil der gesamten Kalkulation. Nur 40 Prozent des Etats seien über die Startgebühren der Teilnehmer abgedeckt, sagte SCC-Geschäftsführer Lock der Berliner Morgenpost. 60 Prozent kämen über Sponsoren, Merchandising und die Messe-Einnahmen herein. Aber auch für die Sponsoren sei die Veranstaltung mindestens ebenso wichtig wie das Laufereignis selbst, erläuterte Lock. Dort würden insgesamt 80 bis 90 Millionen Euro Umsatz getätigt. „Da hängen auch Arbeitsplätze dran“, warnt der Geschäftsführer.

SCC-Events schicke nun Teams durch die Stadt, um potenzielle Hallen zu prüfen. Für die Messe zum Halbmarathon, die für den Zeitraum 31. März bis 2. April geplant ist, müsse eine Entscheidung innerhalb der nächsten zehn Tage fallen, um mit der Planung nicht in Verzug zu geraten. Möglicherweise könne man eine der Messehallen am Funkturm nutzen, hofft Lock.

Benötigt werden 25.000 Quadratmeter

Für die weitaus wichtigere „Berlin Vital“ zum Berlin-Marathon (22. bis 24. September) gibt es indes noch keine Lösung. Sie fand bislang in der Haupthalle des ehemaligen Flughafens statt sowie in den Hangars fünf bis sieben. Jürgen Lock braucht eine Fläche von rund 25.000 Quadratmetern, so etwas gibt es kaum in der Stadt, das Vorhandene ist längst ausgebucht. In den Messehallen am Funkturm etwa findet zu diesem Zeitpunkt die Innotrans statt. Sie war auch der Grund, warum die „Berlin Vital“ vor etlichen Jahren dort auszog.

Messen und Kongresse werden meist mit einem Vorlauf von mehreren Jahren geplant. Mit dem Vorschlag, die Messe in temporären Bauten wie etwa Traglufthallen zu veranstalten, kann SCC Events auch wenig anfangen. Dafür bräuchte man dann mehrere Hallen, das Ganze wäre mindestens viermal so teuer und außerdem: Wo sollten denn diese Hallen aufgestellt werden?

Senatsverwaltung bittet um Verständnis

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verkennt das Problem nicht. Sie hat zwar nicht die Entscheidung getroffen, in allen Tempelhofer Hangars Flüchtlinge unterzubringen. Der Vermieter, die Tempelhof Projekt GmbH, ist aber ihrer Verwaltung zugeordnet. „Wir sind in intensiven Gesprächen und suchen nach Alternativen, um mit den Veranstaltern der Messe zu einer Lösung zu kommen“, sagte Martin Pallgen, Sprecher von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) der Morgenpost. Pallgen warb um Verständnis, es handele sich um eine „absolute Ausnahmesituation“.

Zu den Betroffenen, die sich ebenfalls neue Räume oder Flächen suchen müssen, gehören auch der Deutsche Pflegetag im März, das Autorennen der Formel E im Mai sowie das Musikfestival Lollapalooza im September.