225.203 Minuten, das sind 3753 Stunden, 156 Tage oder gut 22 Wochen. 225.203 Minuten, das ist die Gesamtzahl der Verspätungen, die die Berliner S-Bahn allein von Juni bis Oktober vergangenen Jahres eingefahren hat. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine Anfrage der Piraten im Abgeordnetenhaus hervor. Die Verwaltung beruft sich dabei auf Zahlen, die die S-Bahn an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) übermittelt hat. Besonders viele Verspätungen gab es demnach im August (53.825 Minuten). Die Angaben decken sich mit der monatlich veröffentlichten Qualitätsbilanz des VBB. Im August sank die Quote der pünktlichen Züge auf 90 Prozent, den schlechtesten Wert der Jahre 2010, 2011 und 2012.
Inzwischen hat sich die Situation zwar leicht verbessert. Der aktuellste Pünktlichkeitswert aus dem November 2012 beläuft sich auf 93,6 Prozent, doch vom vertraglich vereinbarten Soll (96 Prozent) ist die S-Bahn noch immer weit entfernt.
Piraten-Verkehrsexperte Gerwald Claus-Brunner sieht deshalb auch noch lange kein Ende der seit Mitte 2009 andauernden S-Bahnkrise. „Auch im vergangenen Halbjahr sind keine spürbaren Verbesserungen im S-Bahn-Betrieb festzustellen.“, sagte er. „Nur der bisher milde Winter hat verhindert, dass größere Probleme in den Bereichen Pünktlichkeit und Ausfallsicherheit aufgetreten sind.“
Von Juni bis Oktober 14.593 Züge ausgefallen
Tatsächlich summieren sich auch die Ausfälle bei der S-Bahn zu beträchtlichen Zahlen. Laut den Angaben fielen von Juni bis Oktober 2012 insgesamt 14.593 Fahrten aus. Die Verkehrsleistung der S-Bahn wich damit um 726.000 Kilometer vom vertraglich vereinbarten Sollwert ab. Zugausfälle häuften sich nach den jetzt veröffentlichten Zahlen vor allem auf den Nord-Süd-Linien S1 (Oranienburg–Wannsee), S2 (Bernau–Blankenfelde) und S25 (Hennigsdorf–Teltow Stadt), der Ringbahnlinie S42 sowie der S5 (Strausberg Nord–Spandau) und der S8 (Birkenwerder–Zeuthen). Gründe waren auf einigen Linien zeitweise auch Bauarbeiten. Auf anderen Strecken fielen aber auch regelmäßig Züge aus, beispielsweise die sogenannten Verstärkerfahrten in der Hauptverkehrszeit. Die seit Juni 2009 eingestellte Linie S85 ist nach wie vor komplett aus dem Fahrplan gestrichen.
Für den S-Bahn-Mutterkonzern Deutsche Bahn bedeutet das immer noch erhebliche finanzielle Einbußen. Denn die Auftraggeber, die Länder Berlin und Brandenburg, müssen für ausgefallene Fahrten nicht zahlen und können ihre Zuschüsse bei schlechten Pünktlichkeitswerten oder verkürzten Zügen empfindlich kürzen. Allein der finanzielle Gegenwert der Ausfälle von Juni bis Oktober summiert sich nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf etwa sechs Millionen Euro. Die Endabrechnung soll im dritten Quartal 2013 vorliegen. Doch schon die vorläufigen Kürzungen treffen die S-Bahn hart. Von Januar bis November 2012 überwies das Land Berlin schon 11,2 Millionen Euro weniger als vereinbart an das Nahverkehrsunternehmen.
S-Bahnchef Peter Buchner hatte bereits Ende Dezember der Berliner Morgenpost bestätigt, dass die Pünktlichkeitswerte auch aus seiner Sicht „unbefriedigend“ seien. Ein S-Bahnsprecher verwies am Dienstag jedoch auf einen Aufwärtstrend. Durch immer mehr einsatzfähige Züge steige auch die Stabilität beim Verkehrsangebot. Aktuell seien täglich in der Hauptverkehrszeit knapp 520 Doppelwagen im Einsatz – elf mehr als noch im November-Durchschnitt. Größere Probleme bereite bei dem anhaltenden Winterwetter lediglich die noch zu DDR-Zeiten entwickelte Zug-Baureihe 485. Die Kritik der Piraten wies der Sprecher zurück. „Das S-Bahn-Angebot konnte im Jahr 2012 mehrfach erweitert werden und erreicht weitgehend das Vorkrisenniveau“, sagte er.