Parkplätze

Hauptbahnhof ist für Autofahrer eine Herausforderung

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Max Boenke

Foto: Amin Akhtar

Keine Haltemöglichkeiten, viele Baustellen: Es ist nicht leicht, Reisende am Berliner Hauptbahnhof abzuholen. Ein Selbstversuch.

Seit dem 26. Mai 2006 gibt es den Berliner Hauptbahnhof. Und bis heute stelle ich mir oft vor, wie es wäre, wenn es den Vorgänger, den Lehrter Stadtbahnhof noch geben würde. Nicht, weil der schöner, größer oder gar besser war. Nein. Einfach, weil ich dort nie mit dem Auto hin musste. Um den Hauptbahnhof aber komme ich nicht herum. Ich brauche ihn weder, um zur Arbeit zu kommen, noch wohne ich auch nur ansatzweise in seiner Nähe.

Nur mein Bruder hat Schuld daran, dass ich rund zweimal im Monat dorthin muss. Er arbeitet in Mannheim, kommt aber regelmäßig nach Berlin, um mich zu besuchen. Ich schätze das wirklich sehr – aber die Tatsache, dass ich ihn regelmäßig mit dem Auto zum Hauptbahnhof bringen muss, nehme ich ihm wirklich übel. Es ist in etwa so wie ein Zahnarztbesuch. Der Weg dorthin ist nicht das Problem. Ist man aber erst einmal dort, wird es schlagartig schlimmer. Die Flächennutzungsplaner müssen schwer von der Anti-Motorisierungs-Lobby korrumpiert worden sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Hauptbahnhof derzeit von allen Seiten so schwer mit dem Pkw zu erreichen ist.

Vorab, ich gebe zu: Der öffentliche Verkehr, nah oder fern, und ich sind grundsätzlich nicht die besten Freunde. Klar, wenn ich wollte, könnte ich mit der S-Bahn im Nu von Wannsee bis Wartenberg fahren. Und ich könnte mit dem ICE in 90 Minuten in Hamburg sein. Aber es gibt mehr Gründe als U-Bahnlinien in Berlin, die für mich gegen die Benutzung von Bahnen jeglicher Art sprechen.

Die Verschwendung von Papier für Fahrkarten und ständiges Anhalten an Orten, an denen ich nicht aussteigen möchte, sind nur zwei davon. Aber zurück zum Hauptbahnhof. Für Reisende ohne ein Auto ist er sicherlich die Superlative unter den Berliner Bahnhöfen. Die Zahlen rund um den größten Turmbahnhof Europas beeindrucken: 300.000 Passagiere am Tag, 14 Bahngleise, 53 Rolltreppen, mehr als 80 Geschäfte, 32 Aufzüge, sechs Panoramalifte. Aber nicht eine vernünftige Möglichkeit, rund um den Bahnhof kurz mit dem Auto zu parken.

50 Meter Schiene für eine neue Straßenbahnhaltestelle

Betrachten wir den Bahnhof von allen Seiten: Der Nordausgang galt bis vor ein paar Monaten noch als letzte Alternative zum Parkhaus. Zwischen der Bushaltestelle an der Invalidenstraße und dem Eingang der U55 gab es vor nicht all zu langer Zeit eine rund 50 Meter lange Mittelinsel. Sie war wie gemacht für mich. Kein offizielles Halteverbot, meist immer ein Plätzchen für mein kleines Auto und der direkte Blick auf den Bahnhofsausgang. Das war einmal. Heute liegen dort 50 Meter Schiene rum. Bis Ende 2013 soll hier eine neue Straßenbahnhaltestelle entstehen. Geschenkt!

Jetzt bleibt einem nur noch der Taxiwendekreis seitlich des Eingangs. Ich bin heute Morgen dorthin gefahren, um mich zu vergewissern, dass die Situation noch dieselbe ist. Das ist sie. Auf den 100 Metern der Zufahrtsstraße für Taxis stehen 17 Schilder für absolutes Halteverbot. Ich traue mich heute Morgen dennoch in die Schleife. Es ist relativ leer an diesem Freitagmorgen, aber die Taxifahrer drängeln sich schon jetzt durch das Nadelöhr namens Taxistand.

Und tatsächlich: Es ist noch ein Behindertenparkplatz und eine Stelle im absoluten Halteverbot frei. Der Strafzettel ist programmiert. Stelle ich mich auf den Behindertenparkplatz, kostet das 35 Euro, schlechtes Gewissen inklusive. Der Parkplatz im absoluten Halteverbot, sofern ich erwischt werde, zehn Euro. Eher 15 weil ich den Taxiverkehr behindere.

Früher konnte man von der Invalidenstraße auch über das Friedrich-List-Ufer fahren, um rund um den Washingtonplatz zu parken. Doch Fehlanzeige: Auch hier wird gebaut, Vollsperrung über die komplette Breite. Am Friedrich-List-Ufer soll bis 2018 die S21 fahren, um den Hauptbahnhof mit dem Nordring zu verbinden. Bleibt noch der Südeingang. Vor der großzügigen Kulisse des Washingtonplatzes und dem Kanzleramt auf der gegenüberliegenden Seite der Spree gibt es lediglich eine schmale Einbahnstraße für Taxis. Selbst die Parkplätze rund um die Berta-Benz-Straße weiter süd-westlich sind derzeit wegen Bauarbeiten nicht zu nutzen.

Vorsicht vor Tiergartentunnel und weit entferntem Parkhaus

So beeindruckend dieser Bahnhofskoloss aus Beton und Glas auch ist, als Autofahrer ist er nicht zu genießen. Frage ich doch beim Infostand der Deutschen Bahn mal nach, wie die sich das gedacht haben mit dem Parken. Ich habe Glück, der Schalter ist frei. Hinter einer großen Glasscheibe sitzen drei Bahnangestellte. „Kann ich in der Nähe des Bahnhofs irgendwo parken, um jemanden zum Bahnsteig zu bringen?“, frage ich betont freundlich. Die drei wechseln kurz einen Blick, schütteln synchron den Kopf.

„Nee, da müssen Sie wohl ins Parkhaus in der Clara-Jeschke-Straße fahren“, sagt eine der Frauen. Das 700 Meter entfernte Parkhaus also. Mal davon abgesehen, wie absurd es ist, dass einer der größten Bahnhöfe Europas keine Möglichkeit bietet, in unmittelbarer Nähe kurz zu parken, ist das Parkhaus in der Clara-Jeschke-Straße eine Angelegenheit für sich. Zuerst muss man es nämlich finden.

Kommt man mit Auto von der Invalidenstraße und biegt zu früh ab, fährt man in den Tiergartentunnel und hat für zwei Kilometer keine Möglichkeit umzukehren. Doch was sind die Alternativen zum Hauptbahnhof? Ostbahnhof – zu weit weg für mich. Der Parkplatz vorm Bahnhof Zoo ist zwar schön groß, aber Bahnhöfe, deren Wikipedia-Einträge die Kategorie „Sozialer Brennpunkt“ beinhalten, versuche ich zu meiden. Es bleibt also beim Hauptbahnhof. Ach, was macht man nicht alles für seinen Bruder.